Ein Ringen mit sich selbst
Warum den Grünen eine Teilhabe an der zukünftigen Stadtregierung schwer fällt und für sie dennoch kein Weg daran vorbei führt
Kommentar von Siegfried Zagler
Als die Grünen Mitglieder sich ziemlich genau vor einem Jahr mit großer Mehrheit für Reiner Erben und gegen Raphael Brandmiller entschieden haben, ging es um die Frage, wer Grüner OB-Kandidat werden soll. Brandmiller war für die Grüne Basis wohl als Person zu halbseiden und stand politisch OB-Kurt Gribl zu nahe. Erben stand für klassische Grüne Oppositionspolitik. Nico Kanelakis (dies nur nebenbei) stand für nichts. Er sollte Stimmen aus dem Brandmiller-Lager abziehen, womit gesagt sein soll, dass auch bei den „guten Grünen“ getrickst wird. Kanelakis war damals für das Erben-Lager ein „nützlicher Idiot“, also genau das, was die Augsburger Grünen unter der Verhandlungsführung von Erben, Schuhknecht, Wild und Strobel derzeit für Kurt Gribl sind. Zuerst hat Augsburgs Oberbürgermeister die Grünen stark geredet, um im Zusammenspiel mit Finanzreferent Webers CSM die SPD niederzuhalten. Als die SPD daraufhin sehr geschmeidig und willig im CSU-Boot Platz nahm, war die CSM plötzlich von der CSU nicht mehr gelitten und die Variante Schwarz-Grün für Kurt Gribl mit 31 Sitzen zu riskant. Kurt Gribl stellt nach seinem überzeugenden Wahlsieg die Stadtregierung beinahe allein (quasi wie ein Kanzler) auf, und er macht es wesentlich geschickter und verantwortungsvoller als 2008.
Die Frage, warum nun die Grünen dennoch mit im Boot bleiben dürfen, wurde in beeindruckender Weise von der CSU und der SPD beantwortet. Die SPD ist als Partei personell so ausgedünnt, dass man sich gar nicht vorstellen mag, wen sie vorgeschlagen hätte, wäre ihr ein drittes Referat zugeschrieben worden, und die CSU ist programmatisch nicht in der Lage, die sensiblen Felder Integration, Inklusion, Nachhaltigkeit und Interkultur angemessen zu bearbeiten. Den Grünen traut man nun von allen Seiten zu, mit Verve und Kompetenz die angeführten Themenfelder zu entwickeln. Außerdem könnten die Grünen mit ihrer einfachen wie verlässlichen verkehrspolitischen Philosophie ein starker Verbündeter für Gribl bezüglich der Opposition in den eigenen Reihen sein. Dafür ist ihnen ein Super-Referat in Aussicht gestellt worden. Die Gegenleistung der Grünen besteht darin, dass sie in den kommenden sechs Jahren den Haushaltsaufstellungen zustimmen müssen. Einzige Einschränkung: Keine neuen Schulden, wenn es nicht um Schulsanierung geht.
Gegen diese „lose Verbindung“ (Schuhknecht) zur Stadtregierung gibt es eine Grüne „Oppositionsbewegung“, die man so nennen muss, weil alle arrivierten Grünen für ein Grünes Referat in der neuen Stadtregierung eintreten. Um es kurz zu machen: Die Einwände der Grünen Opposition sind überzeugend: Wie kann man die Grüne Basis über die Teilhabe der Grünen auf der Referenten-Bank abstimmen lassen, wenn man noch nicht weiß, wie der Koalitionsvertrag zwischen der CSU und der SPD aussieht? Werden die Grünen mit dem „Zustimmungsvertrag“ möglicherweise dazu gezwungen, eine Politik mitzutragen, die Grüne Grundsätze unterläuft beziehungsweise umschifft? Würde Erben, falls ihm die CSU/SPD Mehrheit in zentralen Grünen Realisierungsvorhaben die Gefolgschaft verweigert, aus der Stadtregierung ausscheiden? Ginge das überhaupt? Es sind aus Grüner Sicht die richtigen Fragen, die nicht nur das Vorgehen der Grünen Verhandlungsdelegation in Frage stellen, sondern auch zu Recht einen möglicherweise zu hohen Verlust eines hart erarbeiteten Grünen Profils thematisieren.
Und dennoch ist die Haltung derjenigen, die sich für eine Grüne Regierungsbeteiligung aussprechen, eine korrekte politische Haltung. Wer nicht in der Referenten-Runde sitzt, ist außen vor und bekommt meist zu spät mit, was man hätte verhindern können, wäre man von Beginn an umfassend informiert gewesen. Oberbürgermeister Kurt Gribl hat die Fehler seiner ersten Amtszeit analysiert und verfolgt nun mit einem Grünen in der Referenten-Riege die Erstellung einer Qualität, deren Abwesenheit in der vergangenen Periode zu schwerwiegenden Fehlentwicklungen geführt hat: Transparenz. Weder die lokalen Medien noch die Rathaus-Opposition werden die Politik eines Grünen Referenten (und seiner Kollegen) mit kritischeren Augen verfolgen als die Grüne Basis, die sich auf den Stadtversammlungen der Grünen regelmäßig einmischen wird. Möglicherweise gelingt den Grünen der Spagat zwischen Gestaltungsverantwortung und konstruktiver Oppositionspolitik, möglicherweise zerreißt es sie dabei. Die Grünen Mitglieder haben nun das Wort, ob sie ihrer Partei diese Zerreißprobe zumuten wollen. Ein Ringen mit sich selbst führt in den meisten Fällen zur richtigen Entscheidung. Heute Nachmittag wird das Ergebnis bekannt gegeben.