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Mittwoch, 23.04.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

„Ein Missverständnis“: Stadtrat Clamroths Zwist mit der Arge

Von Siegfried Zagler

Im Augsburger Stadtparlament gibt es, seit der Stadtrat der Linken Benjamin Clamroth für Dietmar Michalke nachrückte, einen – juristisch wie gesellschaftlich betrachtet – interessanten Fall. Neben den anerkannten Berufen wie Richter, Rechtsanwalt, Arzt, Architekt und anderen halbwegs akzeptierten Berufen wie Lehrer, Gastronom, Berufspolitiker und Unternehmensberater ist seit Clamroths Vereidigung am 22. Oktober auch der am wenigsten anerkannte „Berufszweig“ der Arbeitslosengeldempfänger im Stadtrat vertreten.

ALG II Empfänger Benjamin Clamroth

ALG-II-Empfänger Benjamin Clamroth


Benjamin Clamroth bezieht Arbeitslosengeld II und weiß somit – wie kein anderer Politiker in der Stadt – an wie vielen Stellen der Schuh drückt, wenn man mit 351 Euro im Monat seinen Lebensunterhalt bestreiten muss. Clamroth, Jahrgang 62, hat sich nach dem Studium als freier Journalist und mit freiberuflicher Betreuung psychisch Kranker über Wasser gehalten und irgendwann vor 4 Jahren Bedarf bei der Arge angemeldet.

Clamroth macht keinen Hehl aus seiner „längeren beruflichen Orientierungsphase“ (Clamroth), obwohl es ihm selbstverständlich bewusst ist, dass man auch als „linker Systemkritiker“ mit den üblichen Statusproblemen zu kämpfen hat. Auch bei den eigenen Parteifreunden eckt man als Dauerarbeitsloser an. „Man muss gar nicht lange herumreden“, so Clamroth, „dieser Non-Status stößt bei vielen Leuten auf Geringschätzung.“

Aber wer unter den 25.000 Arbeitslosengeldempfängern in Augsburg bekomme schon gesellschaftliche Wertschätzung? Es ist nach Auffassung von Clamroth längst überfällig, dass die Interessen und Befindlichkeiten der Menschen, die von Grundsicherungsleistungen abhängig sind, in der Augsburger Stadtgesellschaft und somit auch im Stadtrat reflektiert und vertreten werden.

„Aufwandsentschädigung für tatsächlich geleistete Aufwendungen“

Aktuell sind es zirka 21.000 Augsburger, die bei der Arge gemeldet sind und Grundsicherungsleistungen beziehen. „Arbeitslosengeld II“ nennen sich diese Leistungen, die erwerbsfähigen Personen zwischen 18 und 65 Jahren nach SGB II zustehen. Das „Sozialamt“ – wie das „Amt für soziale Leistungen, Senioren und Menschen mit Behinderung“ früher bezeichnet wurde – ist für Personen über 65 mit zu wenig Rente oder für jüngere dauerhaft erwerbsunfähige Personen zuständig. 3.400 Augsburger beziehen nach SGB I Grundsicherungsleistungen. „Hartz IV“ heißen diese Zuwendungen im Volksmund.

Sozialreferent Max Weinkamm: "Ein Missverständnis"

Sozialreferent Max Weinkamm: "Ein Missverständnis"


Für Benjamin Clamroth ist die Arge zuständig und sie wird dem Stadtrat der Linken weiterhin regelmäßig den vollen Satz überweisen, obwohl es vorübergehend nicht danach aussah. Clamroth wurde Anfang Dezember von der Arge benachrichtigt, dass ihm ab 1. Januar 2010 die Leistungen vorerst gestrichen werden, bis genaue Zahlen seiner „Entlohnung“ vorliegen würden. Laut Clamroth habe ihm die Arge vorgeworfen, dass er dem Amt verschwiegen habe, dass er Stadtrat geworden sei und laut Arge über eine zusätzliche „Entlohnung“ verfüge. Was aber, so Clamroth, nicht stimme, da er bei Hauptamtsleiter Karl Koletzko vorstellig geworden sei und um rechtliche Auskunft gebeten habe. Das Hauptamt der Stadt ist zuständig für die Abrechnungen der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder. Nachdem Koletzko die Angelegenheit mit der Arge geklärt habe, sei er, so Clamroth, von Koletzko informiert worden, dass es keinerlei „Überschneidungen“ bei diesen beiden Zuwendungen gebe.

Es dürfe, so sehen es die beiden Linken Stadträte Benjamin Clamroth und Alexander Süßmair, keine „Berührungen“ zwischen der Aufwandsentschädigung für den Stadtrat und dem Arbeitslosengeld II geben. Dazu gebe es bereits Gerichtsurteile, so Süßmair, dessen Rechtsauffassung von Sozialreferent Max Weinkamm geteilt wird. Die juristische Sachlage, so Weinkamm zur DAZ, sei eindeutig, da kein Zweifel daran bestehe, dass Stadträte Aufwandsentschädigungen für tatsächlich geleistete Aufwendungen bekommen. Weinkamm sprach von einem „Missverständnis“, das man mit einem Telefonat aus der Welt schaffen konnte.

So viel bekommen Stadträte für ihre Tätigkeit



Die Vergütung der ehrenamtlichen Stadträte ist in der „Satzung über die Entschädigung für Aufwand und Zeitversäumnis der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder“ geregelt. Die Stadträte erhalten derzeit „zur Deckung der ihnen entstehenden Ausgaben“ eine monatliche Entschädigung von 1.272,00 Euro. Fraktionsvorsitzende erhalten für ihre erhöhten Aufwendungen den doppelten Betrag. Deren erste Stellvertreter erhalten einen um 50%, die zweiten Stellvertreter der Fraktionsvorsitzenden einen um 25% erhöhten Betrag. Darüber hinaus wird Beschäftigten, die an Sitzungen, Arbeitsgruppen oder Besichtigungen teilnehmen, ein eventueller Verdienstausfall erstattet, Selbständige erhalten 20 Euro Sitzungsgeld pro Stunde.