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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Ein herzliches „Glück auf“ vom Sauerländer

Trotz kalten Nieselwetters zog es gestern 400 Zuhörer auf den Augsburger Rathausplatz zum Wahlkampfauftritt von Franz Müntefering. Der SPD-Parteivorsitzende ließ sich nicht anmerken, dass er wenige Stunden zuvor in Stuttgart eine Notlandung seines Linienflugs erlebt hatte und fesselte das Publikum bis zum letzten Satz seiner 45-minütigen Rede.

Müntfering stimmte die Zuhörer mit dem Ergebnis einer aktuellen Umfrage ein: „68 Prozent glauben, dass die Wahl noch nicht entschieden ist“. Deshalb lohne es sich, in den kommenden 13 Tagen dafür zu kämpfen, dass Frank-Walter Steinmeier Bundeskanzler wird.

Müntefering sprach die ganze Palette der SPD-Wahlkampfthemen an, allem voran die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich und in den Bereichen des technischen Fortschritts: in der medizinischen Forschung, beim Ausbau moderner Kommunikationsnetze, beim Bau der Autos der Zukunft, „in die wir kein Benzin mehr schütten müssen“ und bei der Lösung der Energiefrage ohne Atomkraft.

„Nur reiche Leute können sich einen armen Staat leisten“

Hart ging der Sauerländer mit den Versprechen von CDU und FDP ins Gericht, die Steuern um 20 oder sogar 60 Milliarden senken zu wollen. „Viele von uns sagen: die haben doch gar kein Geld, die können keine Steuern nachlassen. Das ist richtig, Geld haben sie nicht. Die besonders Harten unter uns sagen: die lügen. Ich sage: schlimmer, die sagen die Wahrheit, die werden das machen.“ Aber nur ganz reiche Leute könnten sich einen armen Staat leisten, warnte Müntefering. Ohne Sozialstaat gebe es keine soziale Gerechtigkeit. Anders als CDU und FDP will die SPD deshalb Steuererhöhungen für Gutverdienende über 250.000 Euro Jahreseinkommen. Die Mehreinnahmen sollen dem Bildungssystem zugute kommen.

Franz Müntefering verdeutlichte den hohen Stellenwert der Demokratie für die SPD: „Demokratie ist im Grunde ein Fortschritt von menschheitsgeschichtlicher Dimension. Es geht darum, dass die Gesetze des Urwaldes außer Kraft gesetzt werden. Im Urwald gilt: Der Stärkste hat das Sagen.“ Demokratie bedeute, dass die Menschen zwar nicht gleich, aber gleich viel wert seien.

Dass sich die Sozialdemokratie in 146 Jahren nicht überlebt hat, machte Müntefering am Ende seiner Rede klar: „Viele sagen, wir haben doch alles erreicht was wir wollten, den 8-Stunden-Tag, dass die Frauen wählen dürfen, die Kaffeepause, wozu noch SPD. Denen sagen ich: Nichts ist sicher von dem, was wir erstritten haben. Um alles müssen wir immer wieder neu kämpfen, um den Wohlstand, um die Freiheit und um die Zukunftsfähigkeit dieses Landes und die Demokratie.“

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Eine Bilderstrecke von Bruno Stubenrauch:

„Wir wollen eine Gesellschaft, die auch die Schwächeren, die Älteren, die, die nicht mehr alleine können, aufnimmt und dafür sorgt, dass sie menschenwürdig behandelt werden, auch auf der letzten Strecke des Lebens.“

„Wir stehen dafür, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland sich auch in Zukunft organisieren und in Betriebe einbringen können, dass sie ihre Interessen erstreiten und – wenn es nötig ist – auch erstreiken können.“

Sittenwidrig hohe Löhne: „Wenn jemand sehr gut ist, vielleicht 10-mal so gut wie die anderen, soll er 10-mal so viel bekommen. Aber der Ackermann hat 500-mal so viel bekommen wie eine Krankenschwester. So gut kann kein Mensch sein.“

Wahlaufruf: „Da kommen Leute und sagen, ich weiß gar nicht wen ich wählen soll, keine Partei ist 100-prozentig. Sag ich: das weiß ich. Wenn du eine 100-prozentige Partei willst, darfst du keinen zweiten Mann dazu nehmen, dann geht’s los, das ist unter Menschen so. Das ist Gesellschaft, alles andere wäre komisch.“