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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Ein großer Wurf: Lady Macbeth von Mzensk

Peter Konwitschny inszeniert Schostakowitschs Oper mit Farbsignalen und grandioser Besetzung

Von Halrun Reinholz

Ein fast steril wirkender Bühnenraum: Peter Konwitschny inszeniert geradlinig und klar


Die Gegenwart ist unerträglich. Mit solchen Worten verabschiedet sich Katerina Ismailowa vom Opernpublikum – und von dieser Welt. Nachdem sie bereits drei Morde begangen hat, richtet sie sich selbst. Und zeigt damit ihre Ausweglosigkeit.

Das Augsburger Theaterpublikum konnte mit der jüngsten Opernpremiere ein wirkliches Highlight erleben. Eine Oper, die nicht zum gängigen Repertoire gehört, die kaum eingängige Melodien zu bieten hat, und die dennoch fesselt. Durch ihre Tragik, aber auch durch ihren Humor. Eine „Tragödie-Satire“ nannte sie Schostakowitsch. Sie sollte ihm zum Verhängnis werden: Die Oper wurde ab 1934 mehrfach und erfolgreich aufgeführt, bis Stalin sie sich einmal ansah. Danach war sie auf dem Index und Schostakowitsch wurde erst nach Stalins Tod rehabilitiert.

Konwitschny inszeniert geradlinig und klar. Im Vordergrund steht die Musik. Und der Text, der in deutscher Sprache gesungen wird. Ein fast steril wirkender Bühnenraum, wie in einem Labor, eine OP oder einem Schlachthof. Katja Ismailowa (Sally du Randt) steht im Mittelpunkt des Geschehens. Eine Frau, die der Willkür der Männer ausgesetzt ist –ihres impotenten Mannes (Ji-Woon Kim), ihres lüsternen Schwiegervaters ( Young Kwon) und auch Sergejs, des proletenhaften Liebhabers (Mathias Schulz), der sie schließlich auch nur missbraucht und betrügt. Doch davor löst er bei ihr Sinnlichkeit und Ekstase aus. Sie tötet seinetwegen Schwiegervater und Ehemann und geht bereitwillig gemeinsam mit ihm in den Gulag. Dass Schostakowitsch diesen thematisiert, ist bemerkenswert. Ebenso wie die unverhüllte Erotik, die explizit in mehreren Sex-Szenen auf die Bühne gebracht wird – der Geschlechtsakt im Einklang und Rhythmus der Musik. Erstaunlich, dass diese Oper, abseits von jedem sozialistischen Realismus, jahrelang in Stalins Sowjetunion aufgeführt werden konnte. Ja, die Handlung spielt im vorrevolutionären zaristischen Russland. Aber jedem Russen war auch damals klar, was er darin zu sehen hatte.

Sally du Randt als Katja Ismailowa


Sally du Randt trägt gelb. Ein gelbes Kleid, oft nur das Unterkleid. Allen Hauptpersonen ist eine Farbe zugeordnet – lindgrün für den Ehemann Sinowij, aggressives Rot für Schwiegervater Boris (der als Geist auch noch im Glitzer-Look auftritt) und eiskaltes Stahlblau für Sergej. Sonjetka schließlich (Kerstin Descher), Sergejs neue Flamme, trägt das Pink der neuen Zeit. Jeder der Figuren ist ein gleichfarbiges Kind zugeordnet, das die Kindheit der Protagonisten heraufbeschwört. Passend zu den Farben fällt ein dünner Vorhang, wenn eine der Personen gestorben ist. Dieses Konzept ist nachvollziehbar und plastisch, ohne sich aufzudrängen. Aufdringlicher allein durch ihre Präsenz sind die (zusätzlichen) 12 Bläser, die dreimal im Saal auftauchen. Von Schostakowitsch so vorgesehen und optisch wie akustisch beeindruckend. Überhaupt erfordert die Aufführung dieser Oper einen enormen Apparat an Musikern, Chorsängern und Statisten – auch wenn diese immer wieder eher „beiläufig“ auf einem Laufband auf die Bühne gefahren werden. Ebenso wie die Requisiten (Bett, Tisch), die nur bei Bedarf erscheinen. Bei so einer Inszenierung sieht man, was großes Theater ausmacht und welche technischen und personellen Voraussetzungen dafür erforderlich sind.

Für Sally du Randt ist diese Partie eine Herausforderung, die sie gesanglich, aber auch darstellerisch bravourös meistert. Kongenial auch die anderen Akteure, allesamt aus dem Ensemble. GMD Domonkos Héja hält das brillante Orchester auf Augenhöhe. Selten so einen rundum überzeugenden Opernabend erlebt. Tosender Applaus aus dem Publikum, kein einziges „Buh“ zur Premiere.

Fotos: A.T. Schaefer