„Du musst nur an dich glauben“
Das jtt zeigt junge Menschen beim Versuch, ins Arbeitsleben zu starten
Von Frank Heindl
Am Ende mag der Berufswunsch „Würschtelverkäuferin“ wohl doch der realistischste gewesen sein. Am Ende wird man sich womöglich bescheiden mit dem, was kommt. Oder man wird am Ende glauben, dass man nur Erfolg hatte, weil man an sich geglaubt hat. Und die anderen haben das nur nicht begriffen. Das „Junge Theater Team“ (jtt) – die Nachwuchstruppe des Stadttheaters – hatte sich am Donnerstag in der Komödie die „Generation Praktikum“ zum Thema gewählt und damit quasi ein Selbstportrait erstellt.
Der Start in den Beruf als ernst gemeinte „Reise nach Jerusalem“: Es ist nicht genug für alle da – da heißt es kämpfen
Das Rezept für das Stück scheint einfach: Man dreht nur ein kleines bisschen an der Schraube, überzeichnet nur ein wenig und macht damit haarsträubend deutlich, in welcher Lage heutige junge Erwachsene stecken, wenn sie ihre ersten Schritte auf dem Arbeitsmarkt tun. Das jtt hat sich zu diesem Zweck eine Spielshow im Stil des Privatfernsehens ausgedacht. Die heißt wie das Stück: „Ich bin das Beste von Heute.“ Hier präsentiert man sich mit seinen Begabungen, ohne zu wissen, was die Veranstalter eigentlich hören wollen. Das reicht dann von „ich kann Russen unter den Tisch trinken“ bis „Ich beherrsche die Polynomdivision.“ Ist eigentlich eh wurscht, denn die Siegerin gewinnt – einen Praktikumsplatz, ihren vierten in Folge, und so darf sie bei der nächsten Runde den Dreck wegmachen.
„Massenkompatibel“ muss man sein, intelligent, aber nicht zu sehr, die platten Phrasen der Personaltrainer muss man wörtlich nehmen („du musst nur an dich glauben“), und die „Reise nach Jerusalem“ muss man auch mal mit allem Ernst spielen können – es geht schließlich ums Überleben. Pech, dass dann doch wieder diejenigen gewinnen, die sich nicht an die Regeln halten – wie im richtigen Leben. Wen so viel Zynismus sauer macht, wer mit Sarkasmus oder gar Aggression reagiert – der wird abgeführt und hinter die Bühne verfrachtet, wo er nochmal darüber nachdenken kann, was er für einen guten Job in Kauf zu nehmen bereit ist.
„Eine Belohnung muss es doch geben …“
„Ein Leben kann doch nicht in einem Großraumbüro stattfinden“, jammert jemand, „es muss doch eine Belohnung geben“, bildet sich einer ein. Von wegen: das Großraumbüro ist die Belohnung. „Wer hat Angst vorm seelenlosen Investmentbanker?“, heißt das nächste Spiel. Keiner! Doch der antwortet mit einer bösen Spitze gegen die allerorten praktizierte Ausdünnung der Kultursubventionen: „Und wenn er aber kommt und eure Spielstätte verfallen lässt?“ Noch ist diese Spielstätte die Augsburger Komödie, bald wird es für die Jugendlichen die „Freie Marktwirtschaft“ sein – am Ende gehören sie alle dem Investmentbanker, und was er mit ihnen macht, steht in den Sternen. Für die kulturellen Spielstätten mag er womöglich ein paar Sponsoring-Peanuts opfern. Wer diese Sichtweise übertrieben findet, sollte bei jugendlichen Schulabgängern Nachhilfe nehmen.
Mit viel Einsatz, Präsenz und Talent spielen die Jugendlichen sich selbst – das ist gut und typisch für Oberstufen- und Jugendtheater, in diesem Fall aber doch ein bisschen wenig für den Theaterbesucher. Regisseurin Susanne Inkiow und Dramaturgin Maria Schneider hätten den Ideen ihrer Eleven noch ein bisschen mehr auf die Sprünge helfen sollen. Vor einem Jahr hat die Truppe mit „Liebesspielzeug“ gezeigt, dass sie auch schauspielerisch viel drauf hat. Das kam diesmal zu kurz – zu sehr wurden Typen und Abziehbilder dargestellt, zu wenig Charaktere gezeigt. Vielleicht auch hätte man die Schraube ein bisschen weiter drehen, die Zuspitzung zur Satire oder zur politischen Kritik wagen sollen. So blieb nach 75 Minuten lediglich die Einsicht, es funktioniere alles nur, „weil wir alle mitmachen.“ Aber was könnten wir denn sonst tun? Nur eine der Kandidatinnen wusste das von vornerein: Würschtelverkäuferin werden, das hat Zukunft. Wem das nicht reicht, der wird nach dem fünften unbezahlten Praktikum womöglich doch anfangen, die Schuld bei sich selbst zu suchen. Ein verdammt ernsthaftes Thema, dem die Darsteller viel Spiellust und Unterhaltungswert abgewannen, aber am Ende doch zu wenig Inhalt.
Weitere Vorstellungen am 8., 12. und 14. Juni sowie am 6. Juli
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