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Mittwoch, 08.05.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Don’t follow leaders

“Noch bevor epische Geschichten und Gedichte niedergeschrieben wurden, wurden sie vom Wind der menschlichen Stimme weitergetragen”

DAZ-Autor Udo Legner über Bob Dylan

Bob Dylan - Flyer

Bob Dylan - Flyer


Als hätte er sich Robert Frosts Gedicht  „The Road Not Taken“ zur Maxime gemacht,  hat sich Bob Dylan stets für den mühevolleren (Um)Weg entschieden.  1965 – auf dem Höhepunkt seiner Folkkarriere – knallt er, gerade mal 24 Jahre jung, den sensiblen und doch so fundamentalistisch denkenden Folkies beim Newport-Festival die E-Gitarren um die Ohren. Wie die Poeten der Beat Generation, Allen Ginsberg – von dem das Statement stammt, dass Bob Dylan Poesie für die Jukebox produzierte – und Jack Kerouac, der den Kultroman „On the Road“ auf einer Endlosrolle Fernschreiberpapier geschrieben hatte, sprengte Bob Dylan sämtliche Konventionen Er kreierte Songs, die dreimal so lang und mit all ihren Allusionen an die Bibel, die Weltliteratur und die bildende Kunst zig mal so anspruchsvoll waren wie herkömmliche Juke Box Hits. Mit Songs wie „Like A Rolling Stone“ und „Maggie’s Farm“ katapultierte sich Bob Dylan Mitte der 60er Jahre auf den Olymp der Rockmusik. Nach seinem Motorradunfall im Jahr 1966 überraschte Bob Dylan seine Fans bei seinem Comeback mit einem Ausflug in die Country Scene. Das Nashville Skyline Album signalisierte einen Rückzug ins Private und die Dylan Fans begannen, angetörnt von dem Hit „Lay, Lady, Lay“, sich für Messingbetten zu interessieren.

All diese Kapriolen und Kurswechsel hatten wir Fans  – freilich mehr nolens als volens – mitgemacht. Doch als Dylan dann Ende der 70er Jahre mit den Alben „Slow Train Coming“, „Saved“ und  „Shot of Love“ in seine religiöse Phase eintrat, da läuteten die Alarmglocken! Wer nicht schon bei seinem Elektro-Auftritt in der Londoner Royal Albert Hall “Judas” gerufen hatte, holte dies nun nach – der ehemalige Protestsänger als neugeborener Jesus-Jünger – das war den Dylan Fans dann doch zu viel!

May you build a ladder to the stars, And climb on every rung

Von Anfang an schien Bob Dylan zu ahnen, dass ihn sein Weg als Songwriter ganz nach oben führen würde. In “ Song to Woody“ für sein Folksinger Vorbild Woody Guthrie, der Ikone der amerikanischen Arbeiterbewegung, textete er – gerade mal 20jährig – schon ganz selbstbewusst: „The very last thing that I’d want to do, Is to say I’ve been hitting some hard travelling too.“

Dass ihn die “Dylanologen” schon sehr früh zum Shakespeare unserer Zeit kürten, begründeten sie nicht zuletzt mit der Ähnlichkeit der dylanesken Diktion mit der des englischen Dramatikers. “There’s no success like failure and failure’s no success at all“ (aus dem Lied „Love Minus Zero/No Limit.”) klingt ja tatsächlich ähnlich widersprüchlich und enigmatisch wie “fair is foul and foul is fair“ in Macbeth.

“How  many lines must a man write down, before you can give him a prize“, titelte die TAZ gar trefflich. Damit ist im Grunde alles gesagt – umso mehr, als dies in quantitativer wie auch in qualitativer Weise gilt. Welche Schriftsteller haben in den vergangenen fünf Jahrzehnten ähnlich viele herausragende Werke geschaffen und damit ein annähernd  großes Publikum erreicht?

Tom Waits stimmte in seinerm Glückwunsch an Bob Dylan einen anderen Ton an, indem er  den Bogen zu den Barden der Frühzeit spannte: „Es ist ein großartiger Tag für Literatur und für Bob, wenn ein Meister in seiner originalen Form gefeiert wird. Noch bevor epische Geschichten und Gedichte niedergeschrieben wurden, wurden sie vom Wind der menschlichen Stimme weitergetragen. Und keine Stimme ist großartiger als die von Dylan.“

Zum Schluss noch drei meiner Lieblingssongs, die alle Kritiker, Neider und Puristen unter die Lupen nehmen sollten, die jetzt bangen, dass der Nobelpreis durch die Berührung mit popular culture entwürdigt wird. Ob sich die Mäkler und Besserwisser nach der Lektüre dieser lyrics Asche auf’s Haupt streuen?

1. To Ramona (1964)

Ramona, come closer

Shut softly your watery eyes

The pangs of your sadness

Will pass as your senses will rise

For the flowers of the city

Though breathlike, get deathlike sometimes

And there’s no use in tryin’

To deal with the dyin’

Though I cannot explain that in lines

2. Mr. Tambourine Man (1965)

Yes, to dance beneath the diamond sky

With one hand waving free

Silhouetted by the sea

Circled by the circus sands

With all memory and fate

Driven deep beneath the waves

Let me forget about today until tomorrow

3. Make You Feel My Love (1997)

I’d go hungry, I’d go black and blue

I’d go crawlin’ down the avenue

No, there’s nothin’ that I wouldn’t do

To make you feel my love.