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Freitag, 14.02.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

„Die Wirklichkeit kommt“

Die „Tage des unabhängigen Films“ sind wieder da.

Von Lutz Gräfe



Nach drei Jahren laufen sie wieder: Die Tage des unabhängigen Films. Nimmt man den Publikumszuspruch als Gradmesser, dann haben die Augsburger nur darauf gewartet, dass endlich wieder Filmtage-Zeit ist. Denn bereits die Eröffnung am Dienstagabend fand im Kino Mephisto vor mehr als ausverkauftem Haus statt. Sehr zur Freude der anwesenden Gäste: Filmemacherin Franziska Schönenberger und ihr indisch-stämmiger Mann Jayakrishnan Subramanian sowie der Brautvater Albert Schönenberger waren fast ein wenig erschlagen von soviel Publikumszuspruch. Kein Wunder: Ist Frau Schönenberger doch eigentlich noch Filmstudentin an der Münchner HFF und dies erst ihr dritter Film, aber der erste der auch außerhalb der Hochschule gezeigt wurde. Ihr Dokumentarfilm „Amma und Appa“ erzählt humorvoll und unterhaltsam von der Begegnung zweier sehr unterschiedlicher Kulturen: Als sie im Internet bei einer Recherche Jayakrishnan kennenlernt, wurde daraus bald Liebe, was beide Elternpaare doch recht überraschend traf. Im frisch gekauften Sari trat sie vor das Augsburger Publikum und stellte sich zusammen mit ihren Mann mehr als bereitwillig den zahlreichen Fragen eines wissbegierigen Publikums.

Rosenmüller präsentierte Rohschnittfassung von „Beste Chance“

Zeitgleich präsentierte Marcus H. Rosenmüller in beiden Häusern des Thalia-Kinos den Rohschnitt seines neuesten Werkes „Beste Chance“, ließ es sich aber nicht nehmen kurz bei der Eröffnung im Mephisto vorbeizuschauen und dem Festival aber auch dem Publikum dafür zu danken, dass es ihm die einzigartige Gelegenheit bot, seine Film direkt mit normalen Kinogängern zu testen. Beim gemeinsamen Umtrunk zum Mix aus bayerischen und indischen Spezialitäten im Thalia-Kaffeehaus stellte sich dann heraus, dass es schon lange mannigfache Verbindungen zwischen der Familie Schönenberger und Marcus H. Rosenmüller gibt. Nicht nur dass Franziska Schönenberger und er beide im indischen Mumbai (Bombay) mit demselben Beleuchter gedreht haben; nein: Albert Schönenberger war einst der Betreuer von Jugendfreizeiten an denen auch Marcus H. Rosenmüller teilnahm.

Kurzfilmwochenende: Publikumspreis am Samstagabend

Am Mittwoch folgte gleich die nächste Eröffnung, erneut vor fast ausverkauftem Haus. Diesmal ging’s um das Kurzfilmwochenende, das noch bis zum Samstag eine Auswahl der besten Kurzfilme der letzten Zeit zeigt. Extra angereist zur Präsentation ihres Kurzfilmes „Beige“ war dafür Sylvie Hohlbaum: Sie erzählt in ihrem Dokumentarfilm von einem erstaunlichen Phänomen: Rentner kleiden sich zunehmend in Beige, es scheint geradezu dass die Menschen umso beiger werden, je älter sie werden. Ein Film, der die eigene Wahrnehmung verändert. Plötzlich fällt einem auf, dass es sich tatsächlich so verhält. Am Samstagabend wird dann der Publikumspreis des Kurzfilmwochenendes verliehen.

„Hinterdupfing“: veritable Komödie von Amateueren

Doch bis dahin gibt es noch eine Menge interessanter Filme zu entdecken und Filmemacher zu treffen. So reiste am Donnerstagabend das komplette Filmteam inklusive Darsteller der bayerischen Dorfkomödie „Hinterdupfing“ an. Eine begeisterte Gruppe von Filmamateuren, die mit eigenen Mitteln und lokalen Sponsoren eine veritable Komödie auf die Beine gestellt haben, die zur Zeit durch ganz Bayern tourt und überall auf begeisterte Zuschauer trifft. Und sie werden nicht letzten Gäste sein: Neben einer ganzen Reihe von Kurzfilm-Regisseuren kommen dann am Samstag auch Filmemacher aus der Region, die im Programm „Local Heroes“ ihre neuesten Arbeiten zeigen.

Ein Höhepunkt wird sicherlich auch die Präsentation von „Im Krieg – Der 1. Weltkrieg in 3D“. Denn was viele bereits vergessen haben: Lange vor dem aktuellen Boom des Digital-3D-Verfahrens gab es von 1880 bis nach dem Weltkrieg ein fotografisches 3D-Verfahren, die so genannte Stereofotografie. Nun hat Regisseur Nikolai Vialkowitsch in Zusammenarbeit mit Peter Gottschalk von arte einen bislang unveröffentlichten Schatz gehoben. Über 20.000 Fotografien, die unmittelbar nach ihrer Entstehung koloriert wurden, bilden die Grundlage dieses einzigartigen Films, der mit Zitaten aus Tagebüchern und Briefen ein verstörend realistisches Bild dieses Kriegs liefert.

Doch auch die Gegenwart ist Thema der Dokumentar- und Spielfilme, die noch bis Sonntag in Augsburg zu sehen sein werden. Manchmal aus der unbekannten türkischen Gemeinschaft von nebenan „Halbmondwahrheiten“ oder aus dem Inneren der Überwachungsindustrie: „Die Wirklichkeit kommt“.

Das ganze Programm gibt es unter www.filmtage-augsburg.de.