Die vielen Facetten des Bertolt Brecht
Zu Brechts Geburtstag las Corinna Harfouch aus Berichten von Zeitgenossen
Von Halrun Reinholz
Normalerweise ist Brechts Geburtstag immer in das Brechtfestival integriert, der Augsburger Dichter wird mit einer Gala oder mit unterschiedlichen Darbietungen aus seinem Werk gefeiert. Diesmal kommt das Brechtfestival erst später – kein Grund, den Geburtstag zu ignorieren. Der rührige Brecht-Freund Kurt Idrizovic hat sich da was einfallen lassen und gleich ein publikumswirksames Zugpferd dafür engagiert: Die charismatische Schauspielrein Corinna Harfouch reiste aus Zürich an, um Brecht an seinem Ehrentag gebührend zu würdigen. Zwar gilt Corinna Harfouch nicht unbedingt als Brecht-Spezialistin, aber selbstverständlich hat auch sie – zumal in der DDR sozialisiert – immer wieder in Brecht-Stücken gespielt. Doch bei dieser Geburtstagsfeier ging es gar nicht darum, Brecht mit seinen eigenen Werken zu feiern. Vielmehr entstand ein Eindruck von dem (Mit-)Menschen Brecht im Spiegel von Aussagen diverser Zeitgenossen über ihn. Frauen, die ihn ja in den verschiedensten Rollen stets umgaben, aber auch Kollegen, Freunde, Widersacher, Kritiker. Die Geburtstagslesung greift einige davon heraus aus einem Buch, das Erdmut Wizisla im Leipziger Lehmstedt-Verlag unter dem Titel „Begegnungen mit Brecht“ herausgegeben hat.
Der Herausgeber saß selbst mit Corinna Harfouch auf dem Podium des Theaterfoyers und moderierte kenntnisreich, was die Schauspielerin ausdrucksstark und mit viel Humor zum besten gab. Hauptsächlich Anekdotisches, wie die Erinnerungen der Dora Mannheim, die von dem selbstbewussten jungen Dichter genauso überrumpelt wurde wie viele andere Frauen (soweit man das aus seiner Biographie weiß), deren Erinnerung an die kurze Affäre sich jedoch recht postiv anhört. Köstlich die Erinnerungen der Schauspielerin Shelley Winters an den schlecht rasierten „Hausmeister“ im grünen Overall, der einen starken deutschen Akzent hatte und den sie deshalb zu ihren deutsch sprechenden jüdischen Eltern einlud, worauf er als „Mr. Brechtstein“ mit ihrem Vater regelmäßig Binokel spielte. Die wahre Identität des Schriftstellers erschloss sich der Schauspielerin erst sehr viel später. Diese amüsanten Begegnungen ließen den Geburtstagsabend für das Publikum kurzweilig werden. Das bereits 2009 erschienene Buch, aus dem die Lesung erfolgte, bietet dagegen viel mehr, durchaus Widersprüchliches und nicht nur Schmeichelhaftes, über Bertolt Brecht. Da die Restauflage vollständig an die Buchhandlung am Obstmarkt ging, ist es nun exklusiv in Augsburg zu haben. „Begegnungen mit Brecht“ ist aber auch Teil einer Reihe des Herausgebers Wizisla, die neueste Erscheinung daraus widmet sich Begegnungen mit Walter Benjamin. Deshalb las Corinna Harfouch zu Beginn der Veranstaltung Texte zu Benjamin – unter anderem auch von Bertolt Brecht, in dessen Buch sich umgekehrt auch Äußerungen von Walter Benjamin finden lassen. Wenn es Intention des Abends war, zum 118. Geburtstag des Dichters die Neugier auf ihn wach zu halten, dann ist das mit dem überraschenden Blickwinkel des Gegenübers durchaus gelungen. So ganz nebenbei zelebrierte Gastgeberin Juliane Votteler ihre Verbundenheit (und die ihres Hauses) mit Kurt Idrizovic, den sie „gerne hier hat“. Ein kleiner Seitenhieb auf den Sanierungskritiker? Den Brechtfreunden und „Geburtstagsgästen“ im ausverkauften Foyer war das egal, sie genossen den Abend.