Die Schönheit der seltenen Ereignisse
Die Vorstellung, dass etwas nicht Vorhandenes mit einer Zahl abgebildet werden kann, war die Erfindung der Null.
Von Siegfried Zagler
Ohne die Vorstellung der „Zahl Null“ hätte sich die Mathematik und vieles andere kaum weiter entwickeln können. Bei der Erfindung der Null handelt es sich ohne Wenn und Aber um die erste große Revolution – im Kopf, wo bekanntermaßen die wahren Abenteuer stattfinden. Martin Heidegger zum Beispiel hätte sich ohne diese Zahl, die im Grunde keine Zahl ist, sondern etwas Vorgestelltes, kaum das Nichts vorstellen können. Man müsse das menschliche Sein vom Nichts her denken, so das Heidegger-Credo, der im Schwarzwald so lange am Nichts und am Sein feilte, bis er Gut und Böse nicht mehr auseinander halten konnte. Von Martin Heidegger zu Huub Stevens ist es, man mag es kaum glauben, nur ein Katzensprung. Stevens kann sich das Fußballspiel nämlich vom Nichts her vorstellen. „Die Null muss stehen“, so der philosophische Kernsatz des holländischen Trainers, der sich von der offensiv ausgerichteten Fußballkultur der Niederlande („Fußball total“) in etwa so weit entfernt hat, wie der moderne Fußball von der Manndeckung.
In den siebziger und in den achtziger Jahren war ein 1:0-Sieg in Italien die höchste Form der Fußballkunst. Und plötzlich war auch das vorbei. Arrigo Sacchi und der AC Milan veränderten die Fußballwelt mit einer Idee, die in Deutschland als Konzeptfußball verstanden wurde. Der Gedanke, dass man nicht nur in der Defensive taktisch agieren müsse, sondern auch in der Offensive strikte Strategien zu verfolgen habe, war damals eine neue Welt, die aus dem Nichts der Null-zu-Null-Existenzialisten geboren schien. Womit wir endlich beim FC Augsburg sind, der nicht nur zwei Jahrzehnte im Nichts verschwunden war, bis er aus der Asche auferstanden zu einer festen Größe der Bundesliga avancierte, sondern auch eine neue Kategorie in der Bundesliga platzierte: Die Schönheit der seltenen Ereignisse. Damit sind Tore gemeint. Die Augsburger gehören zusammen mit dem SC Paderborn zu einer neuen Spezies des Profifußballs: „Die-Tor-Verweigerer“. Der FCA schoss in den letzten fünf Partien ein Tor. Bei diesem Tor handelte es sich um einen verwandelten Nachschuss eines nicht verwandelten Elfmeters. Krasser noch ist das bei den Paderbornern, die in den letzten sechs Partien kein Tor schossen und in den letzten elf Spielen gerade mal zwei Kisten machten. In 17 Spielen gelang dem SC Paderborn ein Sieg. Das letzte Tor zu Hause schossen die Paderborner kurz vor Weihnachten. Am heutigen Spieltag kreuzen die Paderborner zu Hause mit dem FCA die Klingen. Zählt man die Null-Tore-Spiele der beiden Klubs zusammen, dann kommen in letzten 16 Spielen drei geschossene Tore zusammen. Das ist Bundesliga-Negativ-Rekord. Nur ein 0:0 würde die Serie der Strafraum-Träumer fortsetzen. Viel mehr als einen feinen 1:0 Sieg darf man von beiden Mannschaften derzeit nicht erwarten. Das Spiel beginnt um 15.30 Uhr.