Die „Russen“ aus Ingolstadt werden weniger
Der Schanzer Kosakenchor hat Nachwuchsprobleme
von Irina Rutz
Wer die „bayerischen Kosaken“ zum ersten Mal hört, kann es kaum glauben: Deutsche, möchte man denken, können unmöglich mit solcher Inbrunst russische Volkslieder singen. Aber sie können es doch! Josef Bauch hat den Ingolstädter „Schanzer Kosakenchor“ gegründet – und seit nunmehr 40 Jahren kosten seine Sänger den unerschöpflichen Reichtum russischer Volkslieder und liturgischer Gesänge aus, zuletzt am vergangenen Samstag in der Königsbrunner Kirche Maria unterm Kreuz.
„Gegründet habe ich den Chor einfach aus Liebe zur russischen Musik, sagt Josef Bauch. „Die war damals durch Interpreten wie Iwan Rebroff und den Don Kosakenchor ‚Sergei Jaroff‘ weit verbreitet.“ Der weltweit konzertierende Don Kosakenchor war das große Vorbild der Ingolstädter. Und weil ihre Stadt den Beinamen „Die Schanz“ trug, nannten sie ihren Chor einfach „Schanzer Kosaken“. Zu Anfang waren es nur zwölf Sänger, in den besten Zeiten zählte man 30 Mitglieder, derzeit sind es 22. Der jüngste ist 54, das älteste 73 – alle sind sie Amateure, die viele Jahre gebraucht haben, um ihr Können so zu verfeinern, dass jedes Lied sauber und natürlich wie ein klarer Bergbach klingt.
Mit seinem kompletten Repertoire könnte der Chor leicht ein vierstündiges Programm füllen. Doch nicht nur auf das sängerische Können kommt es an: Alle Lieder werden ohne Notenblätter gesungen, und auch die Choreografie spielt eine große Rolle – auch darin wird das russische „Original“ nachgeahmt. Die Auftritte sind bis ins kleinste Detail geplant, nichts wird dem Zufall überlassen. Höchstens die Zugabe, ohne die das Publikum den Chor nie von der Bühne lässt: die ist spontan.
Die Schanzer Kosaken haben mittlerweile eine große Fangemeinde. Überraschenderweise sind sehr viele junge Leute darunter. Eine junge Frau aus Bobingen ist geradezu enthusiastisch: „Die Konzertkarte hat meine Mutter mir zum Geburtstag geschenkt – und es war unbeschreiblich schön – ein Stück vom Himmel!“.
Über das ungewöhnlichste Erlebnis erzählt der Chorleiter Josef Bauch noch heute mit Tränen in den Augen: „Eigentlich können westliche Ensembles nie im Säulensaal des Kreml in Moskau spielen. Aber wir haben dort mit dem russischen Rundfunkchor ein großartiges Konzert gegeben.“ Und dieses Konzert wird noch heute einmal im Jahr im russischen Fernsehen gezeigt. Nebenbei unterstützen die Schanzer Kosaken übrigens mit einem Teil ihrer Einnahmen Straßenkinder in Moskau.
Ein großes Problem allerdings ist der Nachwuchs: Es gibt kaum Interessenten, die gut genug singen und gleichzeitig Lust haben, Russisch zu lernen. Josef Bauch ist da pragmatisch: „Wir machen das so lange, wie wir gute Stimmen haben und die Natur uns gesund hält – und dann gibt es den Chor eben nicht mehr“. Derzeit macht der Kosakenchor übrigens eine schöpferische Pause. In den vergangenen zwölf Monaten gab es sieben große Konzerte – nun will man „ein paar neue Lieder lernen“ – und 2010 geht es wieder auf Konzerttournee.
» Schanzer Kosakenchor, Hörprobe zum Herunterladen (mp3-Format, 677 kB)
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