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Samstag, 23.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Die Maximilianstraße ist der Stolz der Stadt

Warum man die Stadt zu einer Sperrzeitverlängerung zwingen muss

Von Siegfried Zagler

Maxfest: bis 2011 Plattform für Turboprofite für die ansässige „Ballermann-Gastronomie“

Anwohner der Maximilianstraße haben beim Verwaltungsgericht Augsburg die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro beantragt, um die Stadt zu zwingen, innerhalb von vier Wochen eine Entscheidung entsprechend des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. März 2012 zu treffen. – Durch das Urteil des Augsburger Verwaltungsgerichtes ist die Stadt verpflichtet worden, binnen sechs Monaten erneut über weitere geeignete Maßnahmen des aktiven Schallschutzes einschließlich der generellen Sperrzeitregelung zu entscheiden. Nach Rechtsauffassung der Klägergemeinschaft Maximilianstraße hat die Stadt Augsburg dies nicht getan: „Obwohl seit Rechtskraft des Urteils sechs Monate vergangen sind, hat die Stadt keine Entscheidung getroffen“, so die Klägergemeinschaft.

Wirkungsloser Aktionismus der Politik

Augsburgs Ordnungsreferent Volker Ullrich sieht das anders. Die Stadt habe bereits nach zwei Monaten Maßnahmen verabschiedet und somit auf das Urteil reagiert. Ein zusätzlicher Nachtbus fahre ab 4 Uhr morgens und die Taxistände seien bereits räumlich entzerrt worden. Außerdem haben Gespräche mit den Gastronomen stattgefunden. Diese sollen gebeten worden sein, nicht erst um 5 Uhr, sondern bereits um 4 Uhr zu schließen. Die Abgabe alkoholischer Getränke ab 24 Uhr nach draußen sei untersagt. Ab Sommer werde der Ordnungsdienst verstärkt und das Tempolimit auf 20 km/h reduziert. Man müsse erst abwarten, ob diese Maßnahmen greifen, so Ullrich, der eine erneute Sperrzeitregelung in Augsburg vermeiden möchte, weil diese zu einer unsicheren Rechtslage führe und zweitens restriktive Sperrzeitregelungen nicht mehr zum Lebensgefühl einer Großstadt passen würden. Die Situation Stadt versus Klägergemeinschaft Maximilianstraße lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Die meisten Anwohner der Maximilianstraße fühlen sich von der Politik seit vielen Jahren nicht ernst genommen und haben ein tiefes Misstrauen gegenüber einem im besten Fall gut gemeinten aber wirkungslosen Aktionismus der lokalen Politikakteure entwickelt, deren politische „Steuerung“ aus Sicht der Kläger nicht über Lippenbekenntnisse oder halbherzige Maßnahmen hinaus geht.

Die Überforderung der Städte

Seit 2005 gilt in Bayern eine neue Sperrzeitregelung. Nach § 18 Gaststättengesetz in Verbindung mit § 8 der Bayerischen Verordnung zur Ausführung des Gaststättengesetzes beginnt die allgemeine Sperrzeit in Bayern um 5 Uhr und endet um 6 Uhr. Die meisten bayerische Städte sind mit dieser Regelung überfordert, da sie weder auf die damit verbundene Zunahme der Gewaltdelikte noch die Klagen der um Nachtruhe kämpfenden Bürgerschaft angemessen zu reagieren in der Lage sind. Bamberg, Regensburg und Erlangen haben deshalb die Reißleine gezogen und wieder verlängerte Sperrzeiten eingeführt – mit zielführenden Konsequenzen, also einer drastischen Abnahme der Gewaltdelikte und einer befriedeten Bürgerschaft, die sich wieder ernst genommen fühlt. Und natürlich existiert in diesen Studentenstädten nach wie vor ein quicklebendiges Nachtleben.

Die Stadt Nürnberg bemüht sich seit Jahren um eine neue bayerische Verordnung. Der Freistaat solle wieder auf die Regelung vor 2005 zurückgreifen, was bedeuten würde, dass am Wochenende um 3 Uhr und unter der Woche um 2 Uhr Zapfenstreich wäre. Ohne Erfolg, weil in München die FDP mauert.

Die Augsburger Schieflage

Nur in Augsburg gibt es in Sachen Wiedereinführung einer Sperrzeitregelung nicht die Bohne einer politischen Aktivität. In der Brechtstadt konzentrieren sich die Umtriebe der Spaßgesellschaft hauptsächlich auf die Maximilianstraße, die nächtens eine Art Bühne für eine am Alkoholrausch orientierte „Ballermann-Kultur“ geworden ist. Auch wenn dies „nur“ in drei Nächten pro Woche der Fall ist, ist im Augsburger Stadtrat diesbezüglich eine bemerkenswerte politische Schieflage entstanden. Die politische Kaste in Augsburg schätzt offensichtlich das Recht auf Party und Alkoholexzesse höher ein als das Recht auf Nachtruhe und Sicherheit. Die Maximilianstraße ist in Augsburg eine Art Schutzraum für „intensive Konsumgastronomie“ geworden, was zum Beispiel auch darin zum Ausdruck kommt, dass für die in der Maximilianstraße ansässige Gastronomie bis 24 Uhr Außenbewirtschaftung gestattet ist, während für die restliche Stadt die Biergartenregelung (22 Uhr) oder die erweiterte Version für Außengastronomie (23 Uhr) gilt. Oder auch darin zum Ausdruck kommt, dass bis 2011 von der CIA auf der Maximilianstraße eben genau für die ansässige „Ballermann-Gastronomie“ mit den Maxfesten eine Art „Plattform für Turboprofite“ geschaffen und gepflegt wurde. In Augsburg steht die Sperrzeitverlängerung als einzige wirksame Maßnahme gegen die Exzesse eines entfesselten Partymobs bei keiner Partei auf der Agenda, obwohl es unter Insidern keine zwei Meinungen darüber gibt, dass eine Sperrzeitverlängerung im Umfeld der Maximilianstraße früher als bisher zu einer deutlichen Reduzierung der Lärmemissionen führen würde. Dass es zu dieser fraktionsübergreifenden Schieflage kommen konnte, könnte damit zu tun haben, dass die jungen Stadträte die Problematik aus dem Überschwang ihrer Jugendlichkeit heraus betrachten und bagatellisieren und die älteren Stadträte zu ängstlich geworden sind, um in dieser Angelegenheit gestaltend zu wirken.

Ordnungsreferent Ullrich ist in ernsthaften Schwierigkeiten

Augsburgs 38jähriger Ordnungsreferent ist weder jung und dumm noch alt und ängstlich. Er sieht die Probleme der Maximilianstraße und bagatellisiert sie nicht. Er vergleicht Augsburg mit anderen Städten in Bayern, differenziert und hält dagegen, dass zum Beispiel eine Sperrzeitverlängerung für die ganze Stadt zu gelten hätte, nicht nur für die Maximilianstraße. Und er weist darauf hin, dass das städtische Maßnahmenpaket in seiner Gänze durchaus die Qualität besitze, die Situation deutlich zu beruhigen. Man müsse es aber erst wirken lassen, so Ullrich, der sich in seiner Eigenschaft als Ordnungsreferent bezüglich der Maximilianstraße in ernsthaften Schwierigkeiten befindet.

Auf der einen Seite das Großstadt-Gerede von einem „urbanen Lebensgefühl“, auf der anderen Seite die strategische Überlegung, dass man in Sachen Sperrzeitverlängerung nicht nur mit dem Geruch des Provinziellen zu kämpfen hätte, sondern auch mit einer empörten Augsburger Allgemeinen und einer reagierenden Wählerschaft. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass Ullrich so zwar nicht redet und wohl auch nicht denkt, sehr wohl aber die Argumente beider Denkungsarten verinnerlicht hat. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang auch, dass es vor der Ullrich-Ära zwar eine Serie von Runden Tischen und jede Menge guter Absichten gab, aber im Sinne der Anwohner zu wenig geschehen ist. Ullrich versucht nun, die Situation mit breit angelegten Maßnahmenpaketen zu entschärfen. Die Anwohner der Maximilianstraße trauen diesen Maßnahmen nicht über den Weg und wollen auch nicht abwarten, ob sie wirken. Zu oft wurden sie von der Augsburger Politik enttäuscht.

Nichts ist provinzieller als die Gastronomie der Maximilianstraße

Ullrich hat zwar – im Gegensatz zur Mehrheit der im Stadtrat sitzenden Politiker – erkannt, dass die Maxfeste in der bisherigen Form die Maximilianstraße im tieferen Sinn als Partymeile festlegen und definieren, und somit zur kulturellen Verslumung der Maximilianstraße beigetragen haben, aber er argumentiert in dieser Angelegenheit nicht offensiv kulturpolitisch, sondern eher restriktiv nach innen, also mehr in Richtung Sicherheit auf der Verwaltungsebene seines Referats. In seiner Ägide werde es keine großräumigen Sauf- und Fressfeste mehr auf der Maximilianstraße geben, so Ullrich zur DAZ. Dumm ist nur, dass Ullrichs Amtszeit als Ordnungsreferent wohl im September zu Ende geht, dass CIA-Chef Heinz Stinglwagner wieder von einem großräumigen Maxfest träumt und die Augsburger Allgemeine diesen abseitigen Faden gerne aufnimmt. In der Stadt Augsburg ist nichts provinzieller als die Gastronomie und das Nachtleben im Schutzraum der Maximilianstraße. Die Maxfeste stellen eine Verdichtung dieser Party-Gastronomie dar.

Es ist davon auszugehen, dass Volker Schafitel klug genug ist, als OB-Kandidat der Freien Wähler die kulturelle Nutzung der Maximilianstraße zum Wahlkampfthema zu machen. Schafitel ist ein Verfechter einer Sperrzeitregelung, die eine politische Steuerung der Gastronomie im Sinne der Anwohner zulässt. Die Maximilianstraße ist der Stolz der Stadt. Mit einem klaren Konzept könnte man bei der Wählerschaft punkten, und zwar nicht nur bei den Anwohnern. Volker Ullrich wird als Ordnungsreferent die Probleme bis zu seinem wahrscheinlichen Wechsel nach Berlin nicht gelöst haben. Der Klägergemeinschaft ist nicht nur aus diesem Grund ein langer Atem und Erfolg zu wünschen.

Zum Schluss noch die Bemerkung, dass man einer Stadtregierung, besser: dem gesamten Stadtrat und insbesondere einem Ordnungsreferent nicht mehr als ein Armutszeugnis ausstellen kann, wenn sich Bürger dieser Stadt ihr Menschenrecht auf Nachtruhe und somit auf körperlicher Unversehrtheit vor Gericht erstreiten müssen.