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Donnerstag, 18.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Die größten Schwächen liegen bei den Referenten“

SPD-Fraktionschef Stefan Kiefer stellt sich im zweiten Teil des großen DAZ-Sommer-Interviews den Fragen zum Stadtbad, zur Haushaltsdebatte und erörtert die Chancen, die Schwächen sowie den politischen Stil der Rathausregierung. Der sagenumwobene „Plan B“ kommt ebenfalls zur Sprache: „Es gab keine Gespräche mit der CSU, ich wüsste auch gar nicht, mit wem ich dort verlässlich sprechen könnte“.

Gespräch an der Kahnfahrt: Dr. Stefan Kiefer mit den DAZ-Herausgebern Bruno Stubenrauch (links) und Siegfried Zagler (rechts)

DAZ: Herr Kiefer, das Stadtbad hat die SPD in der Opposition so richtig in Form gebracht. Die Augsburger Sozialdemokraten haben sich – kaum waren die Absichten von Hermann Weber öffentlich bekannt – sofort vehement gegen die Verkaufspläne der Stadtregierung gestemmt und haben auch das Bürgerbegehren befeuert und mit Logistik unterstützt. Der städtische Haushaltsentwurf wurde von der SPD letztendlich wegen der offenen Frage um das Stadtbad abgelehnt. Gribl hat nicht zuletzt aufgrund der Druck-Kulisse reagiert. Das Resultat ist bekannt. Warum hat sich die SPD in dieser Angelegenheit damals so vehement engagiert?

Kiefer: Beim Stadtbad ging es nicht nur um irgendein Gebäude, sondern um ein einmaliges Geschenk an die Stadt Augsburg, das Architektur, Sport und Gesundheit, persönliche Kontakte und Erinnerungen vieler wie kaum ein anderer Ort in dieser Stadt in sich vereinigt. Daran hängen die Leute. Und wir brauchen diese Badefläche, gerade in der Innenstadt, wo die Wege sonst am weitesten wären zu den Alternativen.

DAZ: Die Stadtregierung wollte das Alte Stadtbad nicht zumachen, sondern den Erhalt sichern, wie es hieß, deshalb die offene Frage nach einem anderen Träger, nach einer privaten Nutzungsform.

Kiefer: Ja, das behauptete sie. Aber der gesunde Menschenverstand ließ einen an den Überlegungen von CSU und Pro Augsburg doch erheblich zweifeln. Wer soll das defizitäre Bad ohne Veränderungen oder ohne städtischen Zuschuss gewinnbringend für die Öffentlichkeit offen halten? Aber selbst wenn das alles gestimmt hätte: Ich konnte die Stadtregierung nicht verstehen, weshalb sie auf die Idee kam, dieses Kleinod in Frage zu stellen und dann auch noch mit dem Schicksal des Haushalts zu verbinden. Der OB hat der Bürgerschaft ja quasi symbolisch am Stadtbad weismachen wollen, dass ein Umdenken erforderlich sei, weil sonst die Stadt am Ruin stünde. Das war eine völlig in die Irre geleitete Argumentation.

DAZ: Mit dem Schicksal des Haushalts zu verbinden? – Der städtische Haushaltsentwurf wurde doch von der SPD im Kern wegen der offenen Frage um das Stadtbad abgelehnt.

„Ich wäre vom Kämmerer sehr enttäuscht, wenn er den Verkauf ins Gespräch bringen würde, ohne vorher mit potenziellen Käufern im Gespräch gewesen zu sein“

"Wer soll das defizitäre Bad ohne Veränderungen oder ohne städtischen Zuschuss gewinnbringend für die Öffentlichkeit offen halten?"

"Wer soll das defizitäre Bad ohne Veränderungen oder ohne städtischen Zuschuss gewinnbringend für die Öffentlichkeit offen halten?"


Kiefer: Der OB hat den geplanten Verkauf des Alten Stadtbads damit begründet, dass sich die Stadt die Bäderlandschaft und speziell dieses Bad nicht mehr leisten könnte. Um dies für jedermann sichtbar zu machen, hat sie den Haushaltsentwurf so aufgestellt, dass darin die Betriebs- und Personalkosten für das Alte Stadtbad nur noch bis Mai 2010, also bis zum vermeintlichen Verkauf enthalten waren. Unter anderem weil die CSU diesen Bestandteil nicht ändern wollte, haben wir den Haushalt abgelehnt. Anderenfalls hätten man uns vorgehalten – und ich kenne da ja die Argumentation von Herrn Kränzle bestens – die SPD habe dem Verkauf des Stadtbads im Rahmen des Haushalts ja bereits zugestimmt.

DAZ: Am 21. Februar 2010 wurden Sie zum Thema Kaufinteressenten für das Stadtbad in der Lokalpresse damit zitiert, Sie hätten von zwei Kaufinteressenten gehört, wobei einer ein Bekannter von Finanzreferent Hermann Weber sein soll. Weber selbst dementierte vier Tage später im TV, er würde keine Interessenten kennen. An wen müssten wir uns wenden, um Licht ins Dunkel zu bringen?

Kiefer: Ich habe diesen Hinweis von Dritten erhalten. Ob er stimmte, konnte ich nicht überprüfen. Aber ich hielt dies für absolut plausibel, da der 2. Bürgermeister im Grundstücksgeschäft aufgrund seiner früheren und jetzigen Tätigkeit – er war im Baugeschäft tätig und ist nun auch Liegenschaftsreferent – absolut versiert ist. Ich kenne ihn auch so, dass er sich bei jedem Grundstück oder Gebäude, über das diskutiert wird, sofort wieder in einen Architekten und Planer verwandelt, der am liebsten das Gebäude umplant. Augenfällig kam das Thema „Wellness-Oase“ in letzter Zeit nicht nur beim Alten Stadtbad ins Gespräch sondern auch bei anderen städtischen Grundstücken. Ich habe deshalb den Hinweis Dritter sehr ernst genommen und Herrn Weber dann auch direkt mit der Frage möglicher Kaufinteressenten konfrontiert. Dies hat er dann dementiert. Ob er wirklich keinen Kaufinteressenten kannte und ich falsch informiert wurde, weiß nur er.

DAZ: Wir wurden ebenfalls von einem Dritten – vermutlich war es die gleiche Person – über Kaufinteressenten informiert. Ein Bekannter von Weber sei dabei. Am Ölhöfle, der städtischen Liegenschaft neben dem Stadtbad, sei man in der Hauptsache interessiert, so unser Informant. Nachdem wir aber – den Kollegen der Augsburger Allgemeinen erging es wohl nicht anders – bei der Recherche nicht weiter kamen, haben wir uns entschlossen, diese Geschichte nicht weiter zu verfolgen. Finden Sie es nicht unseriös, einfach solche Geschichten ins Kraut schießen zu lassen? Ist alles, was der Regierung schadet, der Opposition recht und billig?

Kiefer: Nein, es gibt viele Themen, die an mich herangetragen werden, die ich aber dennoch nicht verfolge. Die Sache mit dem potenziellen Käufer war ein Puzzlestück bei diesem Thema, das ich m.E. in meiner Rolle als Opposition aufgreifen musste. Denn von selbst decken die Regierenden Schwachpunkte sicher nicht auf.

Kaufinteressenten für's Stadtbad: "Hinweis von Dritten erhalten"

Kaufinteressenten für's Stadtbad: "Hinweis von Dritten erhalten"


Angenommen Sie glauben Herrn Weber, dass er noch mit keinem potenziellen Käufer über das Alte Stadtbad gesprochen habe: War es dann nicht noch viel unsinniger von der Stadtspitze, der Bürgerschaft bei diesem kniffligen Thema zu erklären, dass ein Verkauf des Stadtbads in Betracht gezogen wird? Ich muss sagen, ich wäre vom Kämmerer sehr enttäuscht, wenn er öffentlich den Verkauf einer defizitären städtischen Einrichtung ins Gespräch bringen würde, ohne vorher wenigstens mit potenziellen Käufern im Gespräch gewesen zu sein. Die Verwaltung soll doch realistische Vorschläge machen und keine Luftschlösser aufmalen. Welchen Sinn hatte es denn dann – ohne jeden Kaufinteressenten für das Alte Stadtbad – im Haushalt 2010 die Betriebs- und Personalkosten für das Stadtbad ab Mai auf Null zu stellen? Eine Schließung wollte der OB ja angeblich auch nicht. Wie, wenn nicht durch einen Verkauf, hätte die Stadt denn beim Stadtbad in dieser kurzen Zeit überhaupt in dieser Höhe Kosten reduzieren sollen? Für mich bleibt die Argumentation der Stadtspitze in Sachen Altes Stadtbad löchrig wie ein Schweizer Käse.

„Ist das „gefühlte Haushaltsloch“ nicht eine Erfindung von Ihnen?“

DAZ: In ihrer Rede zum Haushalt haben Sie von einem “gefühlten 80-Millionen-Loch” gesprochen, während Sie in ihrer Regierungsära reale 100-Millionen-Löcher zu stopfen hatten. Erklären Sie uns doch einmal in möglichst kurzer Form, was ein “gefühltes Loch“ ist und was ein „reales“ Haushaltsloch ist. Ketzerisch angemerkt: Ist das „gefühlte Haushaltsloch“ nicht eine Erfindung von Ihnen?

Kiefer: Nein. Bei der Haushaltsaufstellung – und um die ging es bei den Haushaltsberatungen für 2010 – bezog sich der Kämmerer immer wieder auf das Haushaltsjahr 2008, das finanzielle Spitzenjahr der Stadt – und machte daneben die Prognose für 2010 auf (2009 war bei der Haushaltsaufstellung noch nicht abgerechnet). Die Differenz zwischen Einnahmen im Jahr 2008 und voraussichtlichen Einnahmen in 2010 bezeichnete er als Haushaltsloch. Ich sage: Ein Loch kann nur entstehen, wo ich – in dieser Höhe – auch mit Einnahmen rechnen konnte; und Einnahmen wie im Spitzenjahr 2008 – dazu noch immense Schlüsselzuweisungen aufgrund des damals maßgeblichen schlechteren Jahres 2006 – konnte und durfte der Kämmerer für 2010 nicht erwarten, er kann nur vor üblichen Einnahmen und Zuweisungen ausgehen. Tut er das, hat er kein „Haushaltsloch“.

"Die CSU übernahm 2008 einen prallgefüllten Haushalt, sozusagen unmittelbar nach der Prämie und dem Weihnachtsgeld"

"Die CSU übernahm 2008 einen prallgefüllten Haushalt, sozusagen unmittelbar nach der Prämie und dem Weihnachtsgeld"


Ich nehme ein Beispiel: Sie sind Facharbeiter und verdienen normal monatlich mit Nachtzuschlägen etc. 3.000 Euro. Im November gibt’s Weihnachtsgeld, da bekommen Sie 4.500 Euro, aufgrund einer Prämie wegen guter Geschäfte vielleicht sogar 5.000 Euro, im Dezember wieder die üblichen 3.000 Euro. Im August ist jedoch überraschend Auftragsflaute, es gibt keine Nachtzuschläge, Kurzarbeit ist angesagt und Sie bekommen nur 2.000 Euro. – In diesem Beispiel haben Sie im August ein „Loch“ von 1.000 Euro, weil Sie aufgrund Ihres üblichen Verdienstes mit 1.000 Euro mehr rechnen durften. Da haben Sie Probleme, weil Sie Ihren Lebensunterhalt darauf abgestellt haben und die verbleibenden 2.000 Euro nicht reichen. Sie kämen aber doch nie auf die Idee, im Dezember von einem „Loch“ von 2.000 Euro zu reden, nur weil Sie da nicht schon wieder Weihnachtsgeld und freiwillige Prämie bekommen haben.

So ähnlich ist es bei der Stadt. Die Einnahmen der Stadt liegen in der Regel bei ca. 700 Mio. Euro, davon ca. 120 Mio. Gewerbesteuer und 80 Mio. Einkommensteuer – nageln sie mich jetzt bitte auf die Million genau nicht fest. Das ist zwar einiges, aber relativ wenig im Vergleich zu anderen Städten. Darauf richtet die Stadt sich ein, indem sie sich nur soviel Personal und Investitionen leistet, wie sie bei diesen Einnahmen üblicherweise bezahlen kann.

In den Jahren 2002 bis 2004 brach aber die Gewerbesteuer aufgrund falscher steuerlicher Änderungen auf Bundesebene (50 % Abschreibungsmöglichkeit für unternehmerische Verluste im Ausland Dank Rot-Grün, die CSU wollte sogar 100 % Abschreibung!) von üblicherweise 120 Mio. Euro auf 60 Mio. Euro ein, der Rest blieb ungefähr gleich. Das drei Jahre hintereinander – bis das Gesetz wieder geändert wurde zugunsten der Kommunen – brachte uns ein unerwartetes Loch, wie bei der Kurzarbeit im Beispiel des Arbeitnehmers, von mindestens 100 Mio. Euro. Mit diesem Loch startete seinerzeit der Regenbogen 2002.

Die CSU hingegen übernahm 2008 einen prallgefüllten Haushalt, sozusagen unmittelbar nach der Prämie und dem Weihnachtsgeld. Die Gewerbesteuer schoss aufgrund konjunktureller Bestlage auf 170 Mio. Euro, über 50 Mio. Euro Überschuss haben wir den Nachfolgern übergeben. 2009, im Jahr, in dem die Finanzkrise langsam wirkte, sank die Gewerbesteuer auf ca. 120 Mio. – nicht in ein Loch, sondern auf den eher üblichen Stand. Das ist der Unterschied zu 2002.

DAZ: Wir haben in der Augsburger Allgemeinen gelesen, dass die Stadtregierung bei der Erstellung des 2010er Haushaltes prozentual unter der Empfehlung des Deutschen Städtetages geblieben sei. Woran soll man sich als kleiner Stadtkämmerer denn orientieren, wenn nicht daran? Woher sollte Weber wissen, dass die weltweite Finanzkrise im Anmarsch ist und zu dramatischen Einbrüchen in der Wirtschaft führt?

„Kränzles Redebeiträge geben nie unsere Argumente wieder“

Kiefer: Dass die Finanzkrise nicht nur im Anmarsch sondern im vollen Gange war, wusste Ende 2009 jeder, der lesen kann oder Radio hört oder fern sieht. Das muss erst recht der städtische Finanzchef berücksichtigen, sonst können wir einpacken. Die Empfehlung des Deutschen Städtetags ist eine pauschale Empfehlung, die nicht das Denken verbietet. Die Stadt Augsburg hat andere konjunkturelle Einbrüche in einer Absatzkrise zu verkraften als z.B. eine Stadt Coburg, die ihre Haupteinnahmen aus dem Versicherungsgewerbe bezieht. All das weiß vielleicht nicht der normale Bürger, aber all das weiß die Kämmerei und das muss der Hauptverantwortliche, der Kämmerer in seine Überlegungen einbeziehen.

Das Ärgerliche für die Stadt ist – außer dass die CSU und Pro Augsburg ihr finanzpolitischen Unvermögen mit der Mär eines 80-Mio.-Euro-Lochs begründen wollen – dass die Stadtregierung die Kasse von 2008 nicht vorsichtig zurück hielt für schlechtere Zeiten sondern das Geld teilweise zum Fenster hinauswarf in der Vermutung, alle Jahre gäbe es Weihnachtsgeld und Prämien…. Das büßt die Stadt jetzt.

DAZ: 2009? Das 80-Millionen-Loch entstand doch im 2010er Haushaltsplan. Oder nicht? Außerdem: Wie kann man als Stadt für „schlechtere Zeiten“, wie Sie sagen, „Geld zurückhalten“? Geht das überhaupt? Muss der städtische Haushalt nicht immer – also bestenfalls – ausgeglichen sein?

"Muss der städtische Haushalt nicht immer ausgeglichen sein?" - Bruno Stubenrauch, Stefan Kiefer

"Muss der städtische Haushalt nicht bestenfalls ausgeglichen sein?" - Bruno Stubenrauch, Stefan Kiefer


Kiefer: Ein Haushalt muss zur Beschlussfassung ausgeglichen sein, sonst kann er nicht genehmigt werden. Bei der Abrechnung des vollzogenen Haushaltes sieht er immer anders aus als geplant, das haben Pläne so an sich. Viele Haushaltspositionen sind nur Prognosen, vorsichtige oder optimistische. Es ist absolut legitim, wenn ein „Überschuss“ erwirtschaftet wird. Das passiert z.B. dann, wenn man die Einnahmen vorsichtiger kalkuliert hat, als sie tatsächlich fließen. Und solche „Überschüsse“ kann man beiseite legen oder verprassen. Letzteres ist 2009 geschehen.

Das gefühlte Haushaltsloch entstand auf dem Papier, wenn man die Ansätze für 2010 mit dem Bestjahr 2008 vergleicht. Nochmal – und das bestätigte der Kämmerer ja auch in seinem Halbjahresbericht für 2010 – die Einnahmen im Jahr 2010 sind – leider – ungefähr auf dem üblichen Niveau; die Ausgaben waren in dieser Zeit gerade im investiven Bereich jedoch enorm überdurchschnittlich, daher kommt ein Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben. Hier liegen die Ausgaben etwa 70 Millionen höher als „üblich“.

DAZ: Sie haben ihr No-Go zum Haushaltsentwurfs aber tatsächlich damit begründet, dass die Stadtregierung ihre Deckungsvorschläge zum H2 und anderen Künstlerprojekten sowie zu den Betriebskosten des Stadtbades abgelehnt hat. Bernd Kränzle hat das aufgrund der Unverhältnismäßigkeit bezüglich des Gesamtvolumens des städtischen Haushalts als “aberwitzig” bezeichnet.

Kiefer: Kränzles Redebeiträge geben naheliegender Weise nie unsere Argumente wieder. Wir haben sehr klar begründet, weshalb wir den Haushalt ablehnen: Massive Haushaltsrisiken, Kahlschlag an den Schulen und der geplante Verkauf des Stadtbads. Daneben hatten wir noch ein paar kleinere Positionen, die sich in der Größenordnung dessen bewegten, was sich CSU und Pro Augsburg noch „gönnten“. Wir wollten wenigstens einen Teil dieser Forderungen im Rahmen der Haushaltsberatungen erfüllt sehen – und haben auch Deckungsvorschläge gebracht. Dass uns die CSU in keinem einzigen Punkt entgegen kam, hat uns veranlasst, den Haushalt abzulehnen.

DAZ: In der Öffentlichkeit kam das aber so rüber, als wäre das Stadtbad der Aufhänger beziehungsweise das Leitmotiv der SPD für die Ablehnung des Haushaltes. Uns kam das seinerzeit so vor, als hätte damit die SPD ein populäres Argument gefunden, um den Haushalt ablehnen zu können. Die CSU hat – soweit wir uns erinnern können – bis auf einmal in der Regenbogenära stets ihrem Haushaltsplan zugestimmt.

„Meine Fähigkeit zur Polemik hält sich in Grenzen“

Kiefer: Wir haben der CSU auch immer eine Möglichkeit gegeben, sich im Haushalt noch irgendwie wieder zu finden. Bei der jetzigen Stadtratsmehrheit handelt es sich üblicherweise um Diktate, die man abnicken darf oder es bleiben lassen kann. Besonders schlimm war es beim Haushalt für 2009; beim Haushalt für 2010 hatten wir gehofft, dass das Miteinander besser klappt.

„Meine Fähigkeit zur Polemik hält sich in Grenzen“

„Meine Fähigkeit zur Polemik hält sich in Grenzen“


Zentraler Aufhänger im Licht der Öffentlichkeit war für den Haushalt zweifellos das Alte Stadtbad, für das die Mehrheit aus CSU und Pro Augsburg die Haushaltsmittel ab Mai auf Null stellte, so wie wenn es zu dieser Zeit zwingend verkauft wäre. Das konnten und wollten wir nicht mitgehen. Mag sein, dass dieser Punkt für sich wirtschaftlich nicht entscheidend für den Gesamthaushalt war – aber für den Außenstehenden war es zentrales Thema. Und kein Mensch hätte verstanden, wenn die SPD einem Haushalt zugestimmt hätte, in dem der Stadtbadverkauf fest eingeplant ist.

„Aberwitzig“ war allein, das Gribl und Kränzle den Bürgern weismachen wollten, das Stadtbad mit einem Defizit von 500.000 Euro müsse Probleme in einem 750-Mio. Euro-Haushalt schließen. Ich meine sogar, die CSU wollte, dass wir den Haushalt ablehnen, sonst hätte sie uns nur beim Stadtbad und noch einem weiteren Thema entgegen kommen müssen. Wir verschließen nicht die Augen vor der Haushaltssituation der Stadt, deswegen erwarteten wir auch keine riesigen Änderungen in unserem Sinne. Das hatten wir der CSU auch klar gesagt. Aber die war wie so oft unbeweglich – bis die 10.000 Unterschriften beim Bürgerbegehren beisammen waren.

DAZ: Bereits bei den Beratungen zum Haushalt 2009 gab es Ärger. Türen flogen. Die Opposition, insbesondere die SPD warfen der CSU immer wieder mal unmöglichen Stil vor. Ist das nur die übliche Oppositionspolemik oder steckt mehr dahinter?

Kiefer: Meine Fähigkeit zur Polemik hält sich in Grenzen, mir wird gelegentlich sogar vorgeworfen, ich haue nicht genügend „drauf“. Ich treffe aber nur Aussagen, zu denen ich auch stehen kann.

Konkretes Beispiel zu 2009: Da kamen CSU und Pro Augsburg mit massiven Mehrausgaben und gleichzeitigen Grundsteuer- und Wasserpreiserhöhungen in die „Verhandlungen“. Die Grundsteuererhöhung 2005 meine ich war der Grund, weshalb die CSU damals – trotz großer städtischer Not – den Haushalt ablehnte. Wir wollten jedenfalls beim Haushalt für 2009 erst prüfen, ob die Steuererhöhungen überhaupt zur Haushaltsabdeckung notwendig sind, oder durch Ausgabensenkungen vermieden werden können. Die CSU verlangte jedoch schon bei der Tagesordnung, die Steuererhöhung vor den Beratungen über die Haushaltsinhalte zu beschließen, sozusagen als Blankoscheck für Mehrausgaben. Das zeigte offenkundig, dass alle Beratungen eine Farce werden würden. Der „OB für alle“ persönlich zog das Ding entsprechend regungslos durch. Deshalb ging damals Christa Stephan vorzeitig aus dem Ausschuss mit der Bemerkung, dass die Mehrheit gar keine Haushaltsberatungen wolle.

Ich bin der festen Überzeugung, dass auf kommunaler Ebene die Uhren anders ticken müssten als in einem Bundes- oder Landesparlament. Alle Stadträte wollen ein Stück weit die Lebensverhältnisse vor Ort mitgestalten, deshalb sind sie angetreten. Man muss ihnen auch im Rahmen des Haushalts eine Mitsprachemöglichkeit einräumen. Eine Unterscheidung in Stadträte erster und zweiter Klasse sieht die Gemeindeordnung nicht vor.

DAZ: Klingt nun wieder sehr polemisch.

„Wenn sie nur das schaffen würden, hätten sie schon sehr viel vorzuweisen“

Kiefer: Vielleicht deshalb, weil Sie die Situation nicht persönlich erlebt haben. Ich kenne da viele andere Beispiele. Leider hat die Stadtpolitik diesen Umstand in den letzten 20 Jahren nicht mehr verinnerlicht. Wir erleben eine andauernde 31:30 Stadtratsmehrheit seit Menachers Zeiten. Da wird viel Energie verschwendet und viel blockiert. Das ist die Folge schwacher Mehrheiten – und einer Geisteshaltung der Mehrheit.

"Da wird viel Energie verschwendet und viel blockiert"

"Da wird viel Energie verschwendet und viel blockiert"


Ich habe nicht verstanden, weshalb zum Beispiel die Inhalte der Haushaltsberatungen schon im Vorfeld zu 100 % feststehen, ausgehandelt in einem Koalitionsausschuss von CSU und Pro Augsburg, und dann ein Kränzle von den Ausgeschlossenen „Verantwortungsübernahme“ verlangt. „Verantwortungsübernahme“ der SPD hieße dann, die Beschlüsse des Koalitionsausschusses von Pro Augsburg und CSU zu einhundert Prozent abzunicken, also auch z.B. den Verkauf des Alten Stadtbads.

Natürlich bin ich mir der Mehrheitsverhältnisse bewusst und fordere nicht eine anteilige Verfügung über die Haushaltsmittel entsprechend unserer Stimmenzahl. Ich wäre schon dankbar, wenn wenigstens der Vorsitzende des Gesamtstadtrats, der Oberbürgermeister, nicht immer wieder peinlichst darum bemüht wäre, Anträge der SPD zu umgehen, nicht zu behandeln oder gar als eigenen Antrag nur mit anderen Worten wiederzugeben. Das sind Erlebnisse des Umgangs miteinander, die einen als SPDler um 100 Jahre und als Grünen um 30 Jahre zurück werfen.

DAZ: Zum Abschluss leisten wir uns mal eine richtig schöne Frage: Was sehen Sie als größte Chance der jetzigen Stadtregierung?

Kiefer: Die größte Chance liegt darin, dass sie die sich ihr stellenden Aufgaben, also zum Beispiel die Umsetzung der Hauptbahnhofplanungen, die Modernisierung der städtischen Altenhilfe und des Zentralklinikums, den Neubau einer zweiten Spielstätte, die Bespielung eines Güterverkehrszentrums oder eines Science-Parks kontinuierlich, gewissenhaft und mit ein bisschen Glück umsetzt. Wenn sie nur das schaffen würde, hätte sie schon sehr viel vorzuweisen.

DAZ: Glück?

Kiefer: Glück hat sie beim Zentralklinikum insofern, dass der Freistaat nun, anders als bei Wengert, endlich positive Signale abgibt und die Fördermittel bei der Mobilitätsdrehscheibe trotz 3 Jahren Zeitverlust und wesentlich verschlechterter standardisierter Bewertung immer noch nicht verfallen sind.

DAZ: Das ist kein Glück, sondern politische Nähe zur Staatsregierung, also eher eine politische Stärke. Wo sehen Sie nun die Schwächen der Stadtregierung?

„Einen Plan B gibt es sicher trotzdem“

Kiefer: Die größten Schwächen liegen bei den Referenten und deren Zusammenspiel, die dafür sorgen, dass sehr sehr viel gerade nicht rund läuft, Beispiel zweite Schauspielstätte, eigentlich Gemeinschaftswerk dreier Referate, oder Beispiel Stadtbücherei, wo man vom Sozialreferenten kein Wort hört, Beispiel Science-Park, wo die wirtschaftliche Seite überhaupt nicht in die Gänge kommt. Fachliche Impulse kommen von den Referenten insgesamt betrachtet sehr wenig; man hat vielmehr den Eindruck, manche von ihnen befinden sich schon im geistigen Vorruhestand. Das alles merken auch die Referatsmitarbeiter und so wurschtelt jeder, mehr oder weniger motiviert, je nach Erfahrung in dem jeweiligen Ressort, vor sich hin.

"Die größten Schwächen liegen bei den Referenten und deren Zusammenspiel"

"Die größten Schwächen liegen bei den Referenten und deren Zusammenspiel"


Daneben habe ich immer wieder den Eindruck, dass viele in den beiden Regierungsfraktionen in ihrer Gesamtheit – nicht jeder einzelne Stadtrat für sich – noch eine sehr schwache Vorstellung davon haben, wie diese Stadt tickt, wo ihre Stärken und Schwächen sind und wo der dringende Handlungsbedarf liegt. Das ist vielleicht auch ein Grund, weshalb die Mehrheitsfraktion CSU in sich so zerstritten ist und so wenig Gemeinsamkeiten findet, für die es sich lohnt zu arbeiten.

Schließlich bedauere ich, dass der führende Kopf dieser Koalition, der OB, nach meiner Wahrnehmung auch nach zwei Jahren noch nicht verinnerlicht hat, wie wichtig es ist, für Mehrheiten zu werben, sei es im Stadtrat oder sei es in der Stadtgesellschaft. Deshalb hat er nun schon das dritte Bürgerbegehren an der Backe und deshalb sind viele Projekte entweder gefährdet oder sie kommen eben nicht so voran wie es sein sollte.

DAZ: Irgendwann im Herbst vergangenen Jahres gab es ein Gerücht über einen sogenannten „Plan B“. Plan B sah – grob gesagt – so aus, dass die CSU mit der SPD eine Koalition bilden wolle. Bernd Kränzle hat zwar dementiert, sich mit diesem Dementi aber Zeit gelassen. Gab es damals in diesem Zusammenhang Gespräche mit der CSU? Hätte die SPD überhaupt Interesse an einer Koalition mit der CSU?

Kiefer: Es gab keine Gespräche mit der CSU, ich wüsste auch gar nicht, mit wem ich dort verlässlich sprechen könnte. Einen Plan B gibt es sicher trotzdem. Es wäre ein Armutszeichen, wenn sich die Führung der CSU in ihrer jetzigen bescheidenen Lage nicht Gedanken über Alternativen machen würde. Was wir im Falle des Falles unternehmen würden, ist trotzdem eine sehr theoretische Frage. Neuwahlen stehen erst 2014 an. Selbst wenn der OB und die CSU sich von Pro Augsburg trennen sollten: die Referenten bleiben bis zum Ende, sie können nicht einfach wie die Minister von der Bundeskanzlerin entlassen werden. – Aber wir werden immer, in jeder Einzelfrage, überlegen, was wir für richtig halten, und da spielt es für uns keine Rolle, ob wir in der Opposition oder an der Regierung sind.

DAZ: Ein schönes Schlusswort. – Herr Kiefer, vielen Dank für das Gespräch.

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Teil 1 des DAZ-Interviews mit Stefan Kiefer:

» „Das Vorgehen der jetzigen Stadtregierung gefährdet den Bahnhofsumbau am meisten“