“Die Differenzierung der Städte erfolgt über Kultur”
Auf der Podiumsveranstaltung “Kreative Stadt” der Augsburger Grünen am Dienstagabend im Zeughaus wurde die These, dass sich die Kulturwirtschaft zu einem zentralen Wirtschaftsbereich entwickelt habe, mit beeindruckenden Zahlen belegt.
Götz Beck, Geschäftsführer der Regio Augsburg Tourismus GmbH, überraschte Publikum wie Podiumsgäste mit erstaunlichem Zahlenwerk zum “groben Thema” Tourismus. Laut Beck gibt es im Tourismus seit längerer Zeit zwei Megatrends: Kulturreisen und Gesundheit. 49 Prozent der 18- bis 35-Jährigen unternehmen in Deutschland Kulturreisen. In Augsburg und der Region sorgen sie damit für einen jährlichen Bruttoumsatz von 820 Millionen Euro. Kulturtourismus sei nicht nur nachhaltiger Wirtschaftsfaktor, sondern auch standortsicher, wie Beck lakonisch anmerkte.
Auf Nachfrage der DAZ entschlüsselte Beck die Berechnungen des renommierten Instituts dwif-consulting, das die Erhebung durchführte. In Augsburg und der Region gebe es zirka eine Million Übernachtungen im Jahr. 86,50 Euro pro Übernachtung werde dafür ausgegeben. Insgesamt sind das zirka 93 Millionen Euro, die aber nur in Betrieben ab acht Betten eingenommen werden. In Betrieben mit weniger Betten werde demnach 353.000 Mal übernachtet. Für diese Dienstleistung geben die Touristen und Städtereisenden 47 Euro pro Übernachtung aus, insgesamt also 16 Millionen Euro. Womit ein Gesamtbetrag von 110 Millionen Euro zustande komme. Aus einer Millionen Übernachtungen im Jahr lassen sich, so Beck, 24,3 Millionen Tagesgäste ableiten. Tagesgäste sind Personen, die nach Augsburg oder in die Region reisen, um dort einzukaufen oder anderen Vergnügen nachzugehen, ohne dabei zu übernachten. Jeder Tagesgast gibt im Durchschnitt 29,20 Euro aus, wodurch ein Bruttoumsatz von zirka 709 Millionen Euro entstehe. Nimmt man nun die 110 Millionen durch die Übernachtungen eingenommen Euro hinzu, komme man auf die unglaubliche Zahl von zirka 820 Millionen Euro, die man in Augsburg und der Region über Besucher generiere.
Augsburg hat aufgrund seines kulturellen Reichtums viel zu bieten
Die Differenzierung der Städte erfolge über Kultur und nicht über geschickte Verkehrsführung, so Götz Beck, der wie immer euphorisch darauf hinwies, dass “Augsburg alle Potenziale hat, die man braucht”. Nicht nur weil Städtetourismus ein Megatrend sei, müsse man die kulturelle Themen klar besetzen, sondern auch deshalb, weil davon auch die Augsburger profitieren. “Wie viel Augsburger waren bereits in ‘Irdische Paradiese’?”, fragte Beck den Leiter der Städtischen Kunstsammlungen Dr. Christof Trepesch, der auf dem Podium zusammen mit Peter Bommas (Geschäftsführer Kulturpark-West) die Breite des Augsburger Kulturmanagements vertrat. Kultur stärke die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt. Und dies sei, so waren sich auf dem Podium alle einig, für das Stadtmarketing von großer Bedeutung, denn die Bürger der Stadt seien die besten Botschafter, die es geben kann. Die Kunstsammlungen Augsburg würden mit ihren Ausstellungen viel Wert darauf legen, die Identifikation mit der Stadt zu steigern. “Durch Ausstellungen wie Zarensilber oder jetzt Weltenglanz erfahren die Augsburger viel über ihre Stadt und merken einmal mehr, dass sie stolz auf die lange Geschichte dieser Stadt sein können”, so Trepesch. Damit die kulturelle Szene beweglich bleibe und nicht in Strukturen träge wird, wie der Stadtjugendring, müsse in vielen Bereichen eine größtmögliche Offenheit erhalten bleiben, so Peter Bommas, der sich darauf festlegte, dass nicht alles in betonierte Strukturen gegossen werden sollte. “Kultur lebt auch vom Wandel. Es muss ständig etwas Neues entstehen können, dazu braucht es Freiräume”, so Bommas.
In Augsburg arbeiten 20.000 Menschen für die Kulturwirtschaft
Ein zentraler Bereich für die Weiterentwicklung der Kultur ist kulturelle Bildung. Eva Leipprand (Die Grünen) legte Wert darauf, dass nur mit einer umfassenden kulturellen Bildung eine gesellschaftliche Spaltung verhindert werden könne. “Es muss allen ein Zugang zu kulturellen Angeboten offen stehen.” Wer veranlasst habe, dass die Augsburger Ortsschilder mit “Universitätsstadt” etikettiert wurden, wollte eine Besucherin wissen. Alt-OB Wengert habe sich dabei von einer Professorengruppe leiten lassen, gab Frau Leipprand redlich Auskunft, was den Grünen Landtagsabgeordneten Sepp Dürr aus der Reserve lockte. Diese Art der Selbstzuschreibung sei das sicherste Indiz dafür, dass eine Stadt noch nicht genügend Selbstwert entwickelt habe. “Universitätsstadt” habe nichts Signifikantes, nichts Besonderes, sondern sei ein Allerweltsprädikat und bedeute demnach nichts anderes als “Kleinkleckersdorf”. Immerhin arbeiten in “Kleinkleckersdorf Augsburg” 20.000 Menschen für die Kulturwirtschaft, Ingenieure und Architekten eingerechnet. Diese Zahl warf Karina Gruhler-Hirsch von der IHK in den Ring. Am Ende des spannenden Diskurses mit dem Überbau “Wohin wohl heute der neue Bill Gates ginge”, konnten sich die zehn Besucher per Handschlag vom sechsköpfigen Podium und Moderator Reiner Erben verabschieden.