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Dienstag, 08.10.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Die Atmosphäre ist beflügelnd

DAZ-Interview mit John Kevin Edusei

Als Erster Kapellmeister dirigierte Kevin John Edusei zwei Konzerte im Bahnpark (siehe DAZ-Artikel). Zwischen den Konzerten gab er DAZ-Redakteur Frank Heindl am Montag ein telefonisches Interview.

DAZ: Herr Edusei, ich habe das gestrige Konzert im Bahnpark als sehr inspirierend empfunden. Geht das eigentlich den Musikern ähnlich oder ist das mit nervender Zusatzarbeit verbunden?

John Kevin Edusei, Erster Kapellmeister am Theater Augsburg

John Kevin Edusei, Erster Kapellmeister am Theater Augsburg


Edusei: Wir empfinden das natürlich auch so – genau deshalb wollten wir ja in den Bahnpark. Da wir ganz normal im Theater geprobt haben, war das auch nicht mit besonderen Mühen verbunden – ob die Musiker, die ja überall verstreut wohnen, nun ins Theater fahren oder zum Bahnpark, das ändert nichts. Aber die Atmosphäre, die Möglichkeit, Programmmusik im dazu passenden Rahmen zu machen, ist natürlich beflügelnd. Der Ort ist ein kreativer Baustein. Und Dirk Kaftan, der Generalmusikdirektor, hat mir vollkommen freie Hand gelassen, hat sich nur Schumanns „Rheinische“ als Endpunkt der Reise gewünscht, um auch das Schumann-Jahr mit drin zu haben.

DAZ: Am Sonntag sind einige Plätze freigeblieben – glauben Sie, dass das Publikum auf Dauer mitkommt, wenn die Philharmoniker an wechselnden Orten konzertieren?

Edusei: Das wird sich zeigen. Es ist für uns auch nicht einfach mit dieser Umbausituation – unser Publikum muss letztendlich mitziehen, weil wir ja gar nicht anders können. Es braucht wohl ein bisschen Zeit, bis sich neue Orte etablieren – wir glauben aber andererseits auch, dass wir so an neue Hörerschichten herankommen. Im Übrigen war das Konzert ja gut besucht – sehr viel mehr Leute hätten nicht reingepasst.

DAZ: Wer hat das Programm gemacht?

Edusei: Das Eröffnungsstück von John Adams kannte ich schon mit vierzehn und wollte es schon damals gerne machen, ich habe es auch schon in Salzburg dirigiert – aber nicht vor so einer tollen Kulisse. Auch „Pacific 231“ von Honegger habe ich früher schon dirigiert. Herr Kaftan und ich – wir lieben das, wir durchforsten alle möglichen Nachschlagewerke und Sammlungen, lassen uns Partituren schicken und freuen uns über unsere Funde …

DAZ: Die Lokhalle erfüllt akustisch nicht gerade alle Ansprüche – das Publikum schien mir das aber gerne hinzunehmen, weil es im Gegenzug dafür ein umwerfendes und passendes Ambiente bekommen hat. Könnte das ein Argument sein gegen die immer teureren Konzertsäle, die überall gebaut werden, deren Qualitäten aber nur ein kleiner Teil der Besucher auch zu schätzen weiß?

Edusei: Das würde ich nicht sagen – es gibt schon Konzertsäle, die einfach unschlagbar sind und jede Musik verwandeln, das hört nicht nur der Experte. Aber Sie haben natürlich insofern Recht, als wir etwas verlieren, wenn wir versuchen, etwas nachzuahmen, und dabei vergessen, das einzubinden, was wir vor der Haustür haben. In der Reihe Zukunftsmusik gibt es im nächsten Jahr ein Konzert mit Minimal Music im Glaspalast – das ist auch deshalb toll, weil Komponisten wie Reich und Glass ihre ersten Kompositionen ja auch in Museen aufgeführt haben. Wenn man eine Verbindung schafft zwischen der Musik und neuen Aufführungsorten, dann passt das.

» Von rasenden Loks und bitterer Erkenntnis