Die Arbeit an der Brecht-Basis
Das Augsburger Fakstheater macht B.B. an den Schulen bekannt
Von Frank Heindl
Um zwanzig vor acht geht’s los in Bergheim: Karla Andrä und Josef Holzhauser besteigen ihren roten Opel Vivaro. Hinten im Laderaum stapeln sich Metallträger, schwarze Vorhänge, ein stilisierter Pflaumenbaum, ein paar Musikinstrumente, Bühnenkleidung. Die beiden, bekannt als das Augsburger „Fakstheater“, sind unterwegs nach Neusäß, wo sie heute Schülern der Grund- und Hauptschule am Eichenwald ihr Stück „Der Pflaumenbaum“ vorspielen wollen. Brecht für Schüler steht auf dem Programm. Während das Festival mit Stars aus ganz Deutschland und großen Gala-Events Publikum anziehen will, verrichten die beiden ihre Kärrnerarbeit an der Basis.
Um halb elf geht’s los. Andrä und Holzhauser waren frühzeitig da, weil sie die Situation vor Ort nicht kannten. Nun ist alles zu ihrer Zufriedenheit aufgebaut. Mit den schwarzen Samtvorhängen haben sie eine Art Bühne geschaffen in der Schulaula – davor stehen Reihen von Turnbänken aus der Sporthalle, besetzt mit Schülern von jeweils zwei vierten bis sechsten Klassen. Konrektorin Anita Rechten heißt sie alle willkommen – nun ertönen Trommel und Trompete, zu den Klängen von „Maikäfer flieg“ betreten Musiker und Schauspielerin die Bühne.
Liebevoll und aufmerksam inszeniert
Das Fakstheater ist in Augsburg bestens bekannt. Andrä/Holzhauser haben sich darauf spezialisiert, aus teils selbst komponierten, teils fetzig arrangierten Kinderliedern hinreißende Programme zu gestalten – nicht nur zum großen Vergnügen der Kinder, sondern meistens auch der Eltern. Diese Programmatik hat sich das Paar sozusagen auf den Leib geschneidert: Karla Andrä ist ausgebildete Schauspielerin, Josef Holzhauser studierter Musiker. Andrä hat in Leipzig das Theaterschauspiel erlernt, war danach in den Ensembles des Dresdner Staatstheaters und der Dresdner Landesbühne, bis sie 1987 im Ensemble des Augsburger Stadttheaters landete. Dort schied sie 1992 aus, um zusammen mit Josef Holzhauser das Fakstheater zu gründen. Holzhauser ist Musiker, den Augsburgern aus vielen Jazzbands bekannt, den Theaterbesuchern als Gitarrist in der erfolgreichen „Swing Alive“-Produktion des Stadttheaters, auf dem Opernball am vergangenen Samstag war er Mitglied von „Daniel Eberhards Hot Five“ und zupfte sich von abends zehn bis morgens um fünf die Finger wund. Er ist Komponist und Arrangeur der vielen Faks-Kindermelodien, die auch auf CD beliebt sind, etwa der wunderbaren „Dickmadam“ oder den „Sieben Koffern voll Musik“. Liebevoll und aufmerksam inszeniertes Kindertheater mit viel Musik – das funktioniert, das machen die beiden mit viel Können und viel Erfolg.
Jetzt also Brecht:
Zwei Knaben stiegen auf eine Leiter.
Der obere war etwas gescheiter.
Der untere war etwas dumm.
Auf einmal fiel die Leiter um.
Ein bisschen verblüfft sind die Kinder schon – der erwachsene Hörer womöglich auch, wenn er Brechts Kindergedichte nicht kennt. Man muss nicht in jeder Strophe des Kinderalphabets nach dem ganz tiefen Sinn suchen – manche haben’s auf jeden Fall in sich: Später wird noch die Strophe über dem Adolf Hitler seinen Bart folgen und was das Wörtchen „eventuell“ bedeutet und was der arme Mann zum reichen Mann sagt und wie das Luischen einen ganzen Gartenteich vollheulte – die Verse vom Ertränken der Katzen und auch die vom Dichter und Denker und Deutschland, dem Henker, werden vor so jungem Publikum natürlich ausgelassen.
Der Fisch Fasch kriegt was auf den Asch
Karla Andrä rezitiert mal hart skandierend, mal verträumt lockend, singt mal lauthals und mal schüchtern, mal verschmitzt und auch mal ziemlich wütend, schneidet zur Illustration Gegenstände aus buntem Papier und hängt sie poetisch an den aus Brettern gezimmerten Pflaumenbaum, an dem auch schon Trommel und Trompete aufbewahrt werden und die vielen Buchstaben, aus denen man Worte zusammensetzen kann: Bett und Brett, rot und tot, Bertolt und Brecht. Viel zu lachen haben die Kinder dann beim „Fisch Fasch“, denn was zeigt der den Leuten? Genau: „seinen weißen Asch.“ Und den bekommt er am Ende heftig versohlt.
„Bomber soll man nicht kennen“
Da sind wir aber schon weit fortgeschritten im Leben des armen B.B. Karla Andrä hat viel erzählt: Dass er, 1898 in Augsburg geboren, bereits als Kind gedichtet hat, dass er sehr fleißig war, dass er fliehen musste vor den Nazis, dass er in Amerika vom Kriegsende erfuhr und nach 14 Jahren zurückkam – und dass es da Grund zur Freude gab und viel Arbeit. Dass die Leute wieder aufbauten und was Brecht den Kindern wünschte: „Die Häuser sollen nicht brennen. Bomber sollt man nicht kennen.“
Nicht mal 60 Jahre alt sei Brecht geworden, erfahren sie am Schluss – aber das ist ja uralt für Kinder. Sie wollen lieber nochmal das Lied von Schwamm singen, tosend laut hallt es durch die Aula, und auch das Bein der Konrektorin wippt freudig mit. Dann gibt’s Applaus, und kurz danach wird schon wieder die Bühne abgebaut. Zum nächsten Mal ist der „Pflaumenbaum“ am 7.2. im Kulturhaus abraxas (Sommestraße) zu sehen und zu hören – als Benefizveranstaltung für die Erdbebenopfer in Haiti. Das ist mitten in der Zeit des Brechtfestivals. Ein bisschen schade für die beiden Akteure: Zwischen all den Stars und Galavorstellungen war kein Platz fürs Fakstheater. Weder im Programm noch sonst irgendwo wird darauf hingewiesen. Die Kärrnerarbeit an der Basis, das Nachwuchstraining sozusagen, passiert vor Ort – kräftezehrend, ausdauernd, ohne Glamour, rund ums Jahr. Der Bert Brecht hat einst ein Lied zu singen gewusst vom viel besungene Byzanz, das nicht nur Paläste hatte für seine Bewohner …
» andraerecords.de
» textwilltoene.de
» fakstheater.de