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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Deutschland vs. Argentinien, kurz vor dem Spiel

„Verlängerung und Elfmeterschießen!“ Das ist das Horrorszenario kurz vor dem Spiel. Getippt wurde dieser Verlauf von vier ernst zu nehmenden Zukunftsexperten nicht, sondern weisgesagt.

Von Siegfried Zagler



Dass nichts zufällig passiert, sondern alles mit einem unbekannten Plan zu tun hat, gehört zu den gängigen Welterklärungsmodellen spiritueller Organisationen, wozu man die uns bekannten Religionen selbstverständlich dazu zählen darf. Zufall ist ein Erklärungsmodell für fanatasielose Zeitgenossen, also muss eine geheime Logik eines unbekannten Strippenziehers vier völlig verschiedene Persönlichkeiten an einen bisher kaum bekannten Ort des Friedens geführt haben. Es handelt sich dabei um vier Wortarbeiter, die sonst wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben, obwohl sie ähnlichen Beschäftigungen nachgehen, nämlich die Welt auf ihre Weise abzubilden. Der Ort: Brückenstraße, Ecke Bleichstraße vor der kleinen griechischen Kneipe kreuzten sich am heutigen Sonntagnachmittag die Wege von Silvano Tuiach, Michael Hörmann, Arno Löb und meiner Wenigkeit. Und siehe da, man ließ es auf eine kurze Begegnung ankommen und sprach über Fußball.

"Es ist nur wichtig, dass wir eins mehr schießen": Hermann Köhler

"Es ist nur wichtig, dass wir eins mehr schießen": Hermann Köhler


Tuiach machte keinen Hehl aus seinen seherischen Fähigkeiten, sah kurz nach oben und sah einen Elfmeter für Deutschland in der 72. Minute. Der gefoulte Spieler, der Verursacher, der Schütze war nicht auszumachen, aber das Tor. Also ein 1:0 für Deutschland, so Tuiach, der somit eine Duplizität zum Endspiel 1990 am wolkenverhangenen Himmel des heutigen Nachmittag sah. Michael Hörmann wollte in der aufgekratzten Runde nichts riskieren und tippte auf ein Standardergebnis: 2:1 für Deutschland. Arno Löb, der von Fußball ungefähr so viel versteht wie Bundestrainer Jogi Löw, nämlich nichts, sah alles klar und deutlich vor sich: „Ich sehe ein Unentschieden mit Verlängerung und Elfmeterschießen mit ungewissem Ausgang. Der ungewisse Ausgang steht jedenfalls sicher fest“, so Löb, der dem Verfasser dieser Zeilen bei diesem zufälligen Symposium berichtete, dass er sich überlege, ob er eine neue Haller-Biografie schreiben soll, da er auf neues und interessantes Material gestoßen sei. Löb steht mit seiner Prognose auf dem gleichen zarten Hügel der Erkenntnis wie Kurt Idrizovic, der ebenfalls eine Verlängerung mit Elfmeterschießen und einem ungewissen Ausgang deutlich auf uns zukommen sieht.

Eva Weber

Eva Weber Hand in Hand mit Udo Legner


Man könnte diese unerträgliche Analogie des in die Zukunftsehens als wichtigtuerische Schrulle abtun, hätte mein Vater nicht die gleiche schmerzvolle Vision vor Augen: „Neuer hält den entscheidenen Strafstoß im Elfmeterschießen, mehr kann ich aus meiner blinden Glaskugel nicht herauslesen“, so der achtzigjährige Prophet und ehemalige Topstürmer der TSG Lechhausen drei Stunden vor Spielbeginn. Für den SPD-Landtags­abgeordneten und frisch gewählten Vorsitzenden der schwäbischen SPD, Linus Förster, gibt es dazu keine Alternative: „Es wird ein Spiel ohne Höhepunkte geben und am Ende entscheidet es im Elfmeterschießen Manuel Neuer mit einer Glanzparade“, so Förster. Andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben sogar größere Grausamkeiten parat: Ann Marie Aguirre, die letzte Pariser Kommunardin und Lebensgefährtin von DAZ-Autor Udo Legner, ist sich sicher, dass die Argentinier das Spiel mit 2:1 gewinnen. Die CSU-Stadträtin Claudia Haselmeier weiß es besser: „Es ist genau andersrum; Deutschland gewinnt 2:1“, so Haselmeier, der man nachsagt, eine gute Schafkopfspielerin zu sein, die bei einem engen Wenz immer wisse, wo die Unter stehen.

"Neuer hält den entscheidenen Strafstoß im Elfmeterschießen": Linus Förster

"Neuer hält den entscheidenen Strafstoß im Elfmeterschießen": Linus Förster


Ins gleiche Horn stößt Bildungsreferent Hermann Köhler: „2:1 für Deutschland, vielleicht fallen auch mehr Tore, aber es ist nur wichtig, dass wir am Ende eins mehr haben.“ Weniger differenziert gab sich Karl Heinz Englet: „Argentinien gewinnt 3:1, aber keine Sorge, bisher lag ich mit meinen Tipps immer falsch“, so der ehemalige Kanu-Weltmeister. Für Zweckpessimismus dieser Art hat der Fraktionschef der Augsburger CSU kein Verständnis: „Ist Englet unter Wasser? Deutschland gewinnt 2:0, ganz unspektakulär und souverän“, so Bernd Kränzle. Eva Weber, zweite Bürgermeisterin der Stadt, sieht ähnlich sorgenfrei in die Zukunft: „3:1!“, so Weber zur DAZ auf Anfrage. Mit dieser Einschätzung geht die Finanzreferentin nicht nur mit ihrem Bürgermeisterkollegen und SPD-Sozialreferenten Stefan Kiefer konform („3:1 für Deutschland“), sondern auch mit einem der größten Fußballexperten dieser Stadt Hand in Hand: Udo Legner tippte ebenfalls ein „klares 3:1“. Richard Goerlich lässt sich auch nicht auf etwas Dramatisches ein. „Deutschland gewinnt 4:1, Argentinien ist überschätzt“, so der Club-Gastronom und Edel-Blogger, der zusammen mit der neuen kulturpolitischen Sprecherin der Augsburger SPD in Sachen Endspiel auf der Welle mit der breitesten Schaumkrone reitet: „4:1 für Deutschland“, so Gabi Thoma kurz und bündig auf Anfrage zur DAZ.