Der zweite Augsburger Begabungstag
Eine Nachlese zum 2. Augsburger Begabungstag
Von Udo Legner
Ein Hauch von Helsinki war beim zweiten Begabungstag im Augsburger Rathaus zu verspüren. Ganz auf Linie der neuesten Reformen im finnischen Schulsystem, das wegen der wiederholten Spitzenplätze bei den Pisa-Studien der vergangenen Jahre als weltweit führend gilt, warb Margret Rasfeld, die Hauptrednerin des Begabungstags und Mitbegründerin der Initiative Schule im Aufbruch für eine Abkehr vom traditionellen Fächerkanon. Sie plädierte für die Implementierung interdisziplinären Arbeitens in Projekten und verwies auf die vielen positiven Erfahrungen, die mit dieser innovativen Lernkultur an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum gemacht wurden.
Viele der 250 Teilnehmer des Bildungstags rieben sich die Augen und staunten nicht schlecht, als ihnen von Margret Rasfeld und zwei mitgereisten Schülern vorgeschwärmt wurde, wie motivierend sie fächerübergreifenden Projektunterricht erlebt hatten, der an der Berliner Schule jeden Donnerstag ganztägig fest im Stundenplan verankert ist. – „Herausforderungen“ – so nennen sich an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum die erlebnispädagogischen Module, bei denen alle Schüler zwischen 12 und 14 Jahren Schuljahr für Schuljahr für drei Wochen der Schule den Rücken kehren, um gemeinsam mit den begleitenden Lehrkräften neue Erfahrungen zu sammeln – sei es auf einer Bergwanderung, bei einer Bootstour oder in einer sozialen Einrichtung. In der Oberstufe steht für alle Schüler ein dreimonatiger Aufenthalt in einem englischsprachigen Land verpflichtend im Schulprogramm.
Mut zur Vision und zum ergebnisoffenen Prozess, Sinn statt Verwaltungshandeln, Partizipation auf Augenhöhe – dies seien die Maximen, an denen sich eine zeitgemäße Schulkultur auszurichten habe – ganz im Sinne der Agenda 21, wo dies (23. Kapitel ) längst formuliert ist: „Es ist zwingend erforderlich, dass Jugendliche aus allen Teilen der Welt auf allen für sie relevanten Ebenen aktiv an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden, weil dies ihr heutiges Leben beeinflusst und Auswirkungen auf ihre Zukunft hat.“
Schools change slower than churches
Den Einwurf aus dem Publikum, dass Schulen sich bekanntlich langsamer als Kirchen änderten (Ross, Stanford University), konterte die Referentin Rasfeld mit dem Hinweis, dass die Lehrer es landauf und landab leid wären, sich weiterhin mit halbherzigen Reförmchen abspeisen zu lassen und sich nach dem großen Wurf, nämlich einer Bildungsreform sehnten, die diesen Namen auch verdiene. Auch bei Wirtschaftsunternehmen würden die Stimmen inzwischen immer lauter, die eine neue Lernkultur fordern. Schließlich werde es bereits in zehn Jahren 50 Prozent der heutigen Berufe nicht mehr geben. Dennoch funktioniere 80 Prozent des heutigen Unterrichts noch immer über Arbeitsblätter mit vorgegebenen Richtig- oder Falsch-Antworten, und dies in einer Welt, wo es längst keine einfache Antwort mehr gebe.
Fazit des 2. Augsburger Begabungsgtags: Was nötig ist, sind kreative Gestalter, die eine nachhaltige Welt schaffen!
Dass dies möglich ist, davon zeugten die Ergebnisse aus den Workshops. Am eindrucksvollsten wohl der bunt zusammengewürfelte Soundpainting-Kurs mit Ceren Oran (3 Violinen, 1 Bratsche, 1 Gitarre, 1 Klavier, 1 Flöte, 1 Oboe, 1 Klarinette, 1 Saxophon und eine Tuba), dem nach nur zweimaligem Proben eine begeisternde Aufführung vor dem Begabungstag-Publikum gelang. Den zehn teilnehmenden Schülern wurde mit dieser Improvisations-Erfahrung spielerisch vermittelt, wie nachhaltig und vielfältig Musik sein kann und dass das Musizieren vom Notenblatt nur eine von vielen, vielen Varianten ist.