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Mittwoch, 08.05.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Der Streit um die Filmtage

Warum mit Peter Grab keine Wahl mehr zu gewinnen ist

Von Siegfried Zagler





Der Schreiber dieser Zeilen war am Rande einer Kulturausschusssitzung im vergangenen Jahr zufällig in der Nähe, als CSU-Fraktionschef Bernd Kränzle Brecht-Festival-Leiter Joachim Lang abbürstete, weil dieser im Vorfeld der Sitzung Kulturreferent Peter Grab in Sachen Biennale Grünes Licht gab. Das Brecht-Festival hätte nur noch im zweijährigen Turnus stattfinden sollen und Lang wäre damit einverstanden gewesen. „Du gehst jetzt da rein und sagst klipp und klar, dass das für dich nicht Frage kommt“, so Kränzle zu Festivalleiter Lang, der damals meinte, er hätte keine Wahl, da er davon ausging, Grab würde sein Brecht-Festival nach drei Jahren eher komplett streichen als jedes Jahr stattfinden lassen. Nach Informationen der DAZ war Dr. Joachim Lang nicht der einzige Festivalleiter, der dem Biennale-Konzept bereits zugestimmt hatte.

Biennale-Konzept: Zuerst war die CSU dagegen …

Peter Grab hatte sein Biennale-Konzept möglicherweise besser vorbereitet, als man nach dem Desaster annehmen konnte. Selbst die CSU soll, so Grab zur DAZ, zunächst Zustimmung signalisiert haben. Augsburgs mächtigster Kulturpolitiker Bernd Kränzle vertrat jedoch sehr schnell und wenig zurückhaltend die Auffassung, dass das Biennale-Konzept politisch nicht darstellbar sei und wegen eines geringen Spareffektes viel wertvolles Porzellan und lang gewachsene städtische Festival-Strukturen zerdeppert würden. Kränzle setzte sich zusammen mit der CSU und der Opposition und den Kulturschaffenden dafür ein, dass Peter Grabs Biennale-Konzept wieder in der Schublade verschwand. Das war im Spätsommer 2011.

… und dann dafür

Der aktuelle Streit um die Fortführung der Filmtage zeigt, dass Kränzle seitens der Regierungskoalition die Lage damals richtig einschätzte. Das Gerücht, dass Kulturreferent Grab mit dem Koalitionsbruch gedroht haben soll, falls die CSU seinem zweiten Festival-Sparkonzept nicht zustimme, erscheint zumindest plausibel. Wie könnte man sonst den merkwürdigen CSU-Umschwung erklären? Mit der Modifikation, dass die Festivalleiter ihre Veranstaltungen bei Bedarf mit niedrigerem Budget auch jährlich durchführen dürfen? Mit der Modifikation, dass sich die Stadt beim Erwerb so genannter „Drittmittel“ behilflich zeigen müsse? Mit der geringeren Kürzungssumme? Oder einfach damit, dass Grab das Brecht-Festival verlängerte und weiterhin bis 2015 jährlich und ungeschoren stattfinden lässt? Die Frage, warum die CSU sich zirka acht Monate später beinahe willenlos in Grabs Sparvorlage fügte und das Festivalsparkonzept II goutierte, bleibt also ein offenes Rätsel der Augsburger Kulturpolitik, zumal Grab und Kränzle gegenüber der DAZ mehrmals beteuerten, dass die Koalitionsfrage bezüglich der Biennale-Pläne nicht im Raum stand.

Dass die Filmtage nun doch stattfinden sollen, hat mit Kränzle zu tun

"Keine Grundlage mehr für die Fortführung": Ausriss aus der Homepage der Filmtage 2012

"Keine Grundlage mehr für die Fortführung": Ausriss aus der Homepage der Filmtage 2012


Auf der letzten Stadtratssitzung wurde Grabs neues Festival-Sparpaket mit der Zustimmung der CSU beschlossen. Erste Reaktion: Das Filmbüro kündigte auf seiner Homepage an, die Filmtage einzustellen: „Die nochmalige Kürzung bietet inhaltlich, organisatorisch und finanziell keine Grundlage für die weitere Fortführung der Filmtage.“ (DAZ berichtete) – Peter Grab fragte am 11. Juni schriftlich nach, ob es dabei bleibe und machte anschließend den Fehler, über die möglicherweise freiwerdenden Mittel der Filmtage öffentlich und laut nachzudenken, noch bevor das Antwortschreiben der Filmtage-Macher im Kulturreferat eintraf. Dort heißt es nämlich, dass sich die Organisatoren nicht verweigern werden und die Filmtage fortgeführt werden sollen, womit Franz Fischer und Harald Mundig ihrer Verlautbarung auf der Filmtage-Homepage widersprechen. Beide Schreiben sind in einem Ton verfasst, der ahnen lässt, dass die Gräben zwischen Kulturreferat und Filmbüro nicht mehr zu überbrücken sind. Dass Fischer und Mundig nun doch weitermachen wollen, hat mit der diplomatischen Mission von Bernd Kränzle zu tun. Kränzle will in München dafür sorgen, dass die zuständige Förderstelle den bayerischen Förderanteil für 2013 verdoppelt, was zwar bedeuten würde, dass es 2014 keine Mittel mehr vom Freistaat geben würde, dazwischen lägen jedoch Landtags- und Kommunalwahlen, weshalb dann möglicherweise ein ganz anderes Blatt gespielt werden könnte.

Bernd Kränzle kämpft für den Fortbestand der Filmtage 2013 hinter den Kulissen, während Peter Grab auf offener Bühne davon ausgeht, dass die Filmtage von der Bildfläche der Augsburger Kulturlandschaft verschwinden. Soviel zum Sachstand. Kann einem Kulturreferenten etwas Schlimmeres passieren?

Grab hat sich mit seinen Festivalkonzepten selbst beschädigt

Wohl kaum – und damit ist hinreichend beschrieben, dass sich der Kulturreferent mit seinen Festivalkonzepten in erster Linie selbst beschädigt hat. Pro Augsburg hat den Vernichtungskommentar „ Kultureller Darwinismus“ von Nicole Prestle mit drei aufgeregten Statements begleitet. Offenbar spürt die Wählervereinigung, dass ihr Frontmann unverdrossen und ungeschützt in der Nähe eines Abgrunds Purzelbäume schlägt. Die Frage, die derzeit im Regierungslager kursiert, ist einfach gestellt, aber schwer zu beantworten: Wie soll man sich zu Peter Grab stellen? Besser: Wie geht man am professionellsten mit einem Referenten um, der zweimal im Monat durchs Dorf getrieben wird?

Bernd Kränzle ist bisher nicht als großer Förderer der Filmtage in Erscheinung getreten, er denkt an die Kommunalwahl 2014. Das ist legitim und typisch für Bernd Kränzle. Die spannendere Frage ist jedoch: Woran denkt eigentlich Peter Grab? Hatte ihm gegenüber die Regierungspartei CSU im Sommer letzten Jahres nicht deutlich genug den Standpunkt vertreten, dass man diese vergleichsweise geringfügigen Beträge aus politischen Gründen gar nicht einsparen muss? Dass es in der Kunst der Haushaltsführung liege, mit ein paar Umschichtungen in anderen Bereichen diese paar Zehntausend Euro Einsparungsmasse komplett aus dem Kulturbereich heraus zu halten? Kann man einen „eigenen“ Kulturreferenten schlechter aussehen lassen, als dies die Augsburger CSU gemacht hat? Der Kulturreferent will an städtischen Festivals sparen und der Regierungskoalitionär sagt, dass das nicht notwendig sei. Die Frage, ob es einen ähnlichen Vorgang jemals in der Geschichte Augsburgs oder einer anderen Stadt gegeben hat, muss erlaubt sein.

Grab will die Festivallandschaft erhalten, statt sie zu hinterfragen

Noch nie hat Peter Grab erklärt, dass er alles unternommen habe und wie ein Löwe dafür gekämpft habe, den Kulturbereich von Kürzungen zu verschonen, aber beim Kämmerer, bei seiner Fraktion und der CSU damit nicht durchgekommen sei. Bei Peter Grab ist stets sehr zurückhaltend von „Sparzwängen“ die Rede und von der Formel „in Zeiten knapper Kassen“.

Es soll hier nicht darum gehen, Kulturreferent Peter Grab so darzustellen, als gefährde er mit seinem unnötigen Spareifer die wundervoll wuchernde Augsburger Festival-Landschaft, der ein gestalterischer Eingriff ohnehin besser zu Gesicht stünde als ein ewig reflexartiges wie undifferenziertes Subventionieren der immer gleichen Formate und Personen, die möglicherweise mit ihren abgesicherten Pfründen die Fortführung der Stadt blockieren. Aber genau darum bemüht sich Peter Grab. Ihm geht es darum, die Augsburger Festivallandschaft in aller Breite zu erhalten, anstatt sie zu hinterfragen. Sparen ist auch Gestalten, aber nur wenn es offensiv politisch begründet wird und die Bürger dabei mitgenommen werden. Was in diesem Fall hieße, dass es für die Bürgerschaft nachvollziehbar sein sollte, wofür Peter Grab steht, wohin er die Stadt mit seiner Politik entwickeln will. Bei Peter Grab kommt alles unvermittelt und irgendwie leidenschaftslos daher, als ob ein Referent nur auf Sachzwänge zu reagieren habe.

Ein Pflock im Fleisch des Regierungslagers

„Spielt das Filmbüro nicht mit, dann werden die Steuergelder ohne langes Federlesen eben an die braven Mitspieler verteilt. Wo ist das Problem?“ So in etwa kann man sich Grabs Vorgehen vorstellen. Die Augsburger Allgemeine hat diese Geisteshaltung gegeißelt und die Augsburger Kulturpolitik als eine Politik ohne „jegliche Leitlinie“ bezeichnet und somit einen giftigen Pflock ins Fleisch des Regierungslagers getrieben. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich an diesem Urteil noch ein Jota ändert. Mit diesem Branding kann Peter Grab keine Wahl mehr gewinnen. Das ist keine Prognose, sondern eine Feststellung! Wo ist das Problem?