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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Der Spaß am eigenen Untergang

Warum die geplante Erhöhung der Aufwandsentschädigung für Stadträte die Lust am Untergang offenbart

Kommentar von Siegfried Zagler

Nehmen wir mal an, eine private Firma wird von einem Unternehmensberater dahingehend beraten, dass sie sparen muss, ohne ihre Mitarbeiter zu demotivieren. Dann erhöht die Firma die Gehälter der oberen Abteilungsleiter und finanziert diese Erhöhung damit, dass sie bei den unteren Abteilungsleitern die Gehälter kürzt, sogar soweit kürzt, dass man am Ende tatsächlich Einsparungen zu verbuchen hat. Wäre das eine gute Firmenpolitik? Wie würden die Menschen im Büro und in den Produktionshallen der Firma diese Maßnahme bewerten? Wie würden die Kunden der Firma diese Firmenpolitik aufnehmen? Man muss den Gedanken nicht weiter verfolgen, da in der privaten Wirtschaft eine solche Maßnahme nicht vorstellbar ist.

Fraktionsvorsitzende sind keine Abteilungsleiter, sie bekommen auf städtischer Ebene kein Gehalt, sondern Aufwandsentschädigung. Das „Kollegialorgan Stadtrat“ ist keine Firma und die Bürger dieser Stadt sind weder Büroarbeiter noch Kunden des Stadtrats. Und dennoch taugt der Vergleich mit der Privatwirtschaft, weil das Vorhaben der Regierungskoalition ähnlich selbstmörderisch ist.

Es reicht nicht aus, mit dem Schaumstoff-Totschläger aller Leitartikler namens „Politikverdrossenheit“ Richtung Rathaus zu ledern und es wäre albern und zu aufgeregt, mit einem Megaphon „Selbstbedienungsmentalität“ in den dunklen Wald zu rufen. Die Sache ist viel schlimmer. Sie bedeutet für die Augsburger SPD einen weiteren großen Schritt auf ihrem zielstrebigen Weg zur Selbstauslöschung. Nur eine Frage plausibilisiert diese These. Wenn man den Betrag ihres Vorgängers zum Maßstab nimmt, wird Margarete Heinrich, die aktuelle Fraktionschefin der SPD, am morgigen Donnerstag im Stadtrat einer Beschlussvorlage zustimmen, die eine fast 20prozentige Zunahme ihrer Aufwandsentschädigung vorsieht. Stefan Kiefer führte bis zum 16. März eine 19köpfige SPD-Fraktion mit zirka 2.650 Euro Aufwandsentschädigung an. Frau Heinrich hat es mit einer 13köpfigen Stadtratsfraktion zu tun, und ihr würden 3.172 Euro zustehen, falls sich die Beschlussvorlage der Regierungskoalition im Stadtrat durchsetzen sollte.

Nach der Logik der Beschlussvorlage würde Heinrich für weniger Arbeit mehr Geld bekommen. Nun die Frage: Wie kann eine SPD-Politikerin unter dieser Prämisse in der aktuellen Situation eine einmalige 20prozentige Zunahme ihrer Bezüge einem Gewerkschafter erklären?

Für Bernd Kränzle gilt das Gleiche: Die geplanten Beschlüsse sind ohne jedes politische Gespür verfasst worden. Bernd Kränzle würde als CSU-Fraktionschef seine Bezüge im Vergleich zur vorhergehenden Stadtratsperiode um 26 Prozent erhöhen.

Man muss sich fragen, ob die Regierungskoalition im Augsburger Stadtrat angesichts ihrer komfortablen Mehrheit bereits nach wenigen Monaten vollkommen die Bodenhaftung verloren hat. Eine Fraktion ist eine Fraktion und ein Fraktionsvorsteher ist ein Fraktionsvorsteher. In keiner anderen Stadt im Freistaat wird in Sachen Aufwandsentschädigung dergestalt extrem nach Größe der Fraktionen unterschieden. Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl sagte kürzlich im Presseclub, dass es vielleicht in dieser politischen Konstellation möglich sei, dass alle zusammen mehr Spaß an ihrer Arbeit haben. Wenn es „in dieser Konstellation“ möglich ist, dass man sich – ohne große Not und Abschiedsbrief – selbst erschießt, dann muss Kurt Gribl den Spaß am eigenen Untergang gemeint haben.