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Freitag, 07.03.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Der Schrecken des Krieges – zurückgekehrt

„Im Keller“ von Karl Kunz zeigt die Augsburger „Bombennacht“

Von Frank Heindl

In der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1944 wurde die historische Innenstadt von Augsburg durch alliierte Bombenangriffe weitgehend zerstört. 66 Jahre ist es nun her, dass die Rückeroberung Europas durch vor allem russische, amerikanische, britische und französische Verbände im Land der Kriegsverursacher ankam – auch in Augsburg. Unsägliches, auf der ganzen Welt angerichtetes Leid kehrte sich nun gegen die Deutschen. In Augsburg war einer der Betroffenen der Maler Karl Kunz. In jener Bombennacht ging sein Lebenswerk endgültig zugrunde, nachdem ihm schon vorher die Nazis das Malen verboten hatte – 30 Gemälde und fünf Holzskulpturen blieben ihm nach der Bombennacht. Schon ein Jahr später, im April 1945, verarbeitete er das Schreckenserlebnis jener Nacht in einem Gemälde: „Bombennacht“ wird es im Volksmund genannt, obwohl Kunz es viel allgemeiner mit „Im Keller“ betitelte. Am vergangenen Freitag kehrte das Gemälde nach Augsburg zurück.

Im Schaezlerpalais wird man das Bild in Zukunft und auf unbefristete Zeit sehen können. Kulturreferent Peter Grab übergab es am Freitag der Öffentlichkeit – es hängt im „Liebertzimmer“ und wird eingerahmt von zwei weiteren Kunz-Werken: „Liebespaar“ und „Stigmatisierte“. Das Werk gehört, so Dr. Christoph Trepesch, der Leiter der Augsburger Kunstsammlungen, in den Zusammenhang der „großen Kriegsauseinandersetzungen der 30er Jahre“ – sofort denkt man an Picassos „Guernica“, das zum Symbol für das irrsinnige Wüten der Kriege und Bürgerkriege in Europa geworden ist. Trepeschs Stellvertreter Dr. Thomas Elsen sieht in dem „für Augsburg zentralen Werk“ eine „ungeheure Verdichtung von Figuren und Gegenständen“, die es ermögliche, sich in die „Dramatik“ und das „Existenzielle“ der Situation hineinzuversetzen.

In der Tat glaubt der Betrachter den Schrecken zu spüren, der vor 66 Jahren im Keller jenes Hauses in der Jakobervorstadt geherrscht haben muss, als alliierte Bomber die Umgebung in Schutt und Asche legten. Angstvoll Aufgerissene Münder sieht man, einen Kinderwagen, eine herrenlose Brille, ein Mann mit Hut, von der Seite zu sehen, sitzt aufrecht wirkt gefasst – und doch kann diese „Fassung“ nur Verkrampfung, Panik, Angst kaschieren. Ein anderer hält sich die flache Hand vors Gesicht, das wie eine Totenmaske wirkt, im hilflosen Versuch sich zu verstecken.

Ein weiterer Gefangener im Keller will eine eine schreiende Frau schützen, trösten, umfasst sie mit knochig-hagerer Hand, auch sein Gesicht holzschnitthaft zunächst einfach im kubistischen Sinne von Kunz‘ Malstil, darüber hinaus aber auch im Sinne der Bildaussage, das die im Keller hilflos Schutzsuchenden zur wehrlosen, anonymen Masse der Opfer verschmilzt, nicht mehr individuell in ihrem Schicksal, sondern unterschiedslos zum gemeinsamen Schicksal zusammengepfercht. Kulturreferent Peter Grab hatte durchaus Recht mit seinem einleitenden Satz, mit diesem Bild sei nicht nur ein wichtiges Werk von Karl Kunz, sondern auch „der Schrecken des Krieges nach Augsburg zurückgekehrt.“