Der Oberbürgermeister im großen DAZ-Interview (5)
Teil 1 des großen Interviews mit OB Dr. Kurt Gribl beschäftigte sich vorgestern mit den großen Wirtschaftsthemen der Stadt wie dem Klinikum, der Messe und dem Regio-Schienentakt. Im zweiten Teil des Interviews spricht der OB zur Neuen Stadtbücherei, zu Augsburgs Image und zum Thema Bürgernähe, bewertet die Arbeit der Opposition und zieht ein Fazit seiner bisherigen Amtszeit.
OB Kurt Gribl und die DAZ-Herausgeber Bruno Stubenrauch und Siegfried Zagler (v.l.)
Seite 5: Zu wenig Bücher in der neuen Stadtbücherei
DAZ: Herr Gribl, jetzt sind wir bei der nächsten – und das sagen wir jetzt mit einem ironischen Unterton “Baustelle” – der Stadtbücherei. Wir sind recht häufig dort und uns fällt wie vielen anderen auf, dass der Bücherbestand immer geringer wird und bei Nachfrage haben wir festgestellt, dass der alte Etat für den Bestand bei der alten Bibliothek mit weniger Platz bei 200.000 Euro lag. Nun liegt der neue Etat bei einem wesentlich größeren Haus bei 180.000 Euro. Das ist natürlich wirklich ein Witz.
Gribl: Stimmt, das ist ein Witz.
DAZ: Da kann man natürlich ganz ketzerisch sagen: Wozu hat man eine Bücherei mit soviel Geld erstellt, gebaut per Bürgerauftrag sozusagen, wenn es jetzt darin kaum Bücher gibt. Da muss sich was ändern, oder sehen Sie das anders?
Gribl: Ich teile die Auffassung voll und ganz, möchte aber keine Hoffnungen nähren, dass sich das in Kürze ändern wird. Es handelt sich dabei um eine Frage der Ressourcenverfügbarkeit und der Ressourcenverteilung. Es ist einfach nicht möglich, dass wir alles in ein Projekt stecken und dafür andere vollständig auf der Strecke bleiben. Sie wissen ja selber, dass wir überall wo wir auch hinfassen Unzulänglichkeiten haben. Stichwort Stadtarchiv zum Beispiel, wo wir Wasser im Keller oder Käfer in den Büchern haben und Dergleichen mehr. Wir haben schlicht und einfach nicht das Geld, um in die Bücherei mehr zu investieren. Ich halte es auch ein stückweit für undankbar, wenn man diesen gewaltigen Schritt vollzogen hat und gleich danach nach mehr schreit – und zwar sofort. Wenn Sie sich ein Haus kaufen und es neu beziehen, dann kann es sein, dass sie zunächst mit dem alten Mobiliar einziehen und sich nach einiger Zeit erst neue Möbel leisten. So banal sind die Dinge.
DAZ: Gut, es wird sich also in der nächsten Zeit daran nichts ändern, so hört sich das zumindest an, da es der Haushalt nicht hergibt.
Gribl: 2010 wird haushaltsrechtlich eine Qual, wie wir sie noch nie seit Gründung der Bundesrepublik aushalten mussten. Wir werden Mühe haben, mit unseren verfügbaren Mitteln überhaupt die Pflichtaufgaben abzudecken und es ist gar nicht daran zu denken, nice to have-Projekte zu machen und in den Haushalt einzustellen zu wollen.
DAZ: Die Stadtbücherei gehört für uns zur Grundversorgung, deshalb muss man schon nachhaken, es hat ja etwas mit lokaler Verteilungspolitik zu tun. Das Projekt ku.spo kostet die Stadt 200.000 Euro, vielleicht werden 100.000 Euro durch Sponsoren gedeckt. Geld wird ausgegeben für die Kampagne “Lebe mich”, die ja nicht unbedingt notwendig ist. Die Frage müsste zwar an Herrn Grab gehen …
Gribl: Ich beantworte die Frage gerne. Es ist, wie Sie richtig sagten, eine Frage der Mittelverteilung. Jeder, der Interessen vertritt, stellt die Frage, warum gebt ihr nicht mir Geld, sondern den anderen. Ich kann Ihnen das aus der Diskussion heraus sagen, die ich vor kurzer Zeit mit den Tagesmüttern geführt habe, die natürlich auch in die Richtung argumentieren, “wozu wir so eine unverschämt teuere Stadtbücherei brauchen, wenn es uns nicht gelingt, die Kinder in einem früheren Stadium ordentlich zu erziehen und zu betreuen und wir Tagesmütter auf der Strecke bleiben”. Das ist eine ganz grundsätzliche Auseinandersetzung, aber man muss dann auch die Gründe anschauen.
DAZ: Niemand will den Tagesmüttern Geld für die Stadtbücherei wegnehmen!
Gribl: Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?
DAZ: Nun, nehmen wir uns doch mal ku.spo vor!
Gribl: Die Stadtbücherei hat eine breite Akzeptanz, aber sie bedient nicht die gesamte Bevölkerung und es gibt keine Berechtigung, alles nur in eine Teilsparte zu stecken. Wir sind dazu da, für die Gesamtbevölkerung Angebote zu formulieren und mit ku.spo erreichen Sie eben andere Bereiche und Zielgruppen, die genauso ihre Berechtigung haben. ku.spo verfolgt zum Beispiel auch das Ziel, durch die Einbindung von Jugendlichen und Kindern in Sport und Kultur Werte zu vermitteln, um sie überhaupt erst an solche Bereiche heranzuführen.
DAZ: Wenn Sie sagen – Stichwort Bürgernähe – die Stadtbücherei sei ein Projekt der Bürger, und ohne das Bürgerbegehren von Herrn Idrizovic und anderen engagierten Bürgern gäbe es die Stadtbücherei nicht, dann hat der Büchermangel auch eine brisante politische Note. Die DAZ hat mit Kurt Idrizovic gesprochen. Er sagt, das gehe halt nicht so weiter und es fehle ihm auch die Schnittstelle zu den Schulen. Sie werden das vermutlich wissen.
Gribl: Ja, ich höre das aus den Lesekreisen, aber da arbeiten wir bereits dran. Wie gesagt, wir können nicht alles aus dem Ärmel schütteln und es ist mir sehr wichtig, dass das nicht falsch verstanden wird. Ich stelle ja die Notwendigkeit einer Ausweitung des Büchereibestands überhaupt nicht in Abrede und was machbar ist, muss auch gemacht werden. Aber im Augenblick ist es nicht machbar! Es ist einfach der Verteilungskampf um die Mittel. Richtig ist, dass viele Bürger beim Thema Bücherei viel erreicht und viel bekommen haben. Sie haben damit die Grundlage für eine Weiterentwicklung geschaffen.
DAZ: Für das Public Viewing zur Fußball-WM 2010 sind zum Beispiel 150.000 Euro städtische Gelder im Gespräch …
Gribl: Gut, dass Sie dieses durchaus strittige Thema ansprechen. Ich habe jüngst bei der Diskussion mit der CIA den Standpunkt vertreten, dass die Stadt Augsburg den notwendigen Beitrag von 150.000 Euro für Public Viewing 2010 nicht erbringen kann. Es gibt eben Dinge, die sind unpopulär. Ich habe auch Spaß gehabt bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr. Aber ich kann auch ohne Public Viewing leben. Wenn es möglich wäre, würde ich es den Augsburger Bürgern ja gerne ermöglichen, aber das ist jetzt so ein Punkt wo ich letztendlich „Stop“ sage und wir uns dafür entscheiden, etwas Neues zu machen.
DAZ: Im Rosenaustadion?
Gribl: Ich habe mir einen Kostenvergleich vortragen lassen. Die Kosten sind im Rosenaustadion wie auf dem Rathausplatz nahezu identisch. Nein, es geht darum, ob die Stadt Augsburg neben dem Sponsorenanteil 150.000 Euro aufbringt, um Public Viewing zu ermöglichen. Da sage ich: nice to have, ich würde es sehr gerne machen, aber es ist nach dem Stand der Dinge nicht zu verantworten.
DAZ: Wir haken dennoch noch einmal nach. Die Bücherei kostet die Stadt im Jahr eine Million, da sie über die WBG finanziert wurde, ohne Baukosten und Vorleistungen seitens der Stadt. Über welchen Zeitraum zahlt die Stadt eigentlich ab?
Gribl: Das kann ich nicht sagen, ich denke 20 Jahre, aber ich habe keine Details.
DAZ: Nun, wenn man 20 Jahre lang eine Million Euro im Jahr dafür ausgibt, dass es die Bücherei als neues Haus gibt, dann fallen doch ein paar zehntausend Euro mehr pro Jahr für den Bestand nicht ins Gewicht. Das ist ja so als … Es lässt sich ja gar kein Beispiel dafür finden.
Gribl: Doch! Ich sage ihnen ein Beispiel – Sie mieten sich eine Penthousewohnung und wollen einen Lebensstil führen, der dazu passt. Weil aber die Miete für das Penthouse so teuer ist, können Sie es sich nicht leisten, auch in den zum Penthouse passenden Klamotten herumzulaufen. Sie haben schlicht die Kohle nicht dafür. Vielleicht wäre es aber eine gute Empfehlung, sich auch einmal über das Penthouse zu freuen, oder?
DAZ: Okay, dann doch noch ein Beispiel: Sie bauen sich eine Garage für ein größeres Auto, aber weil die Garage so teuer wurde, können Sie sich das große Auto nicht leisten.
Gribl: Aber ich kann mein altes Auto reinstellen – das ist auch schon mal super.
DAZ: Für das alte Auto hätten Sie aber doch keine Garage gebraucht.
Gribl: Dann halten wir doch mal fest: Die Ausstattung im Medienbereich ist jetzt erheblich besser und umfangreicher als vorher. Immerhin haben wir den Ausstattungsetat nicht auf Null gefahren und 180.000 Euro sind ja wohl kein Pappenstiel. Das ist ja fast so, als wenn Sie jemandem ein Geschenk machen und der Beschenkte beklagt sich sofort darüber, dass er doch kein sechsteiliges sondern ein zwölfteiliges Service gewollt hätte. Eine solche Haltung hat doch recht undankbare Züge.
DAZ: Man ist halt als kontinuierlicher Nutzer der alten Stadtbücherei deshalb so unzufrieden, weil man sich in der alten Stadtbücherei jederzeit ein Buch seiner Wahl aussuchen konnte. Wenn es nicht im Bestand war, dann war es eben nicht im Bestand. Die Wahrscheinlichkeit, dass man jetzt zu „seinem“ Buch kommt, ist seit der Eröffnung der neuen Stadtbücherei geringer geworden, und das ist doch absurd. Man ist ja als alter Nutzer der Stadtbücherei quasi ein armer Hund geworden, weil es jetzt eine neue Stadtbücherei gibt. So kann man es ja auch sehen.
Gribl: Und Sie können Sie jetzt aufstampfen wie ein kleines Kind und sagen: „ich will aber unbedingt“. Und ich sage: es ist aber jetzt nicht möglich – unabhängig davon, dass auch ich es für notwendig erachte, dass das Angebot mit der Zeit ausgebaut und erweitert wird.
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