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Sonntag, 10.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Der Fall Beckenbauer

Was sprach für Katar? Deutschlands Lichtgestalt im Zwielicht.

Kommentar von Siegfried Zagler



Die WM-Vergabe 2022 nach Katar ist kein Skandal im herkömmlichen Sinn, sondern eine Art FIFA-Selbstouting. Es handelt sich also um einen Vorgang, der belegt, dass die Selbstherrlichkeit und die Verkommenheit der FIFA  in unkontrollierbaren Höhen angekommen sind. Die FIFA bewegt sich in einer gesellschaftlichen Grauzone, deren negativen Merkmale mit Unmoral, Bestechlichkeit und arroganter Machtausübung gekennzeichnet sind. Katar wird von einer obskuren Monarchie regiert, der Fußball und seine Kultur haben dort kaum vorhandene Bedeutungsniveaus. Menschenrechte werden dort mit Füßen getreten. In Katar gibt es nur einen Sachverhalt, der sich in Verbindung mit Fußball bringen lässt: Geld.

Die 14 Mitglieder des FIFA-Exekutivausschusses, die am 2. Dezember 2010 in Zürich für Katar und somit gegen die USA stimmten, fühlten sich in der „Grauzone FIFA“  offenbar dergestalt geschützt, dass es sie kaum zu kratzen schien, als die FIFA nach der Bekanntgabe der Wahlentscheidung ohne langes Federlesen mit Korruptionsverdächtigungen überschüttet wurde. Zwei der 24 Mitglieder des Exekutiv-Komitees wurden von der Sunday Times namentlich beschuldigt, ihre Stimmen für die WM-Vergabe zum Kauf angeboten zu haben.

Die FIFA beauftragte eine Ethikkommission mit der Aufklärung der im Raum stehenden Verdächtigungen. Und nun die erste Überraschung: Die Kommission nahm ihre Arbeit ernst. Die Untersuchung ist vorläufig abgeschlossen. Franz Beckenbauer steht aktuell im Zwielicht. Beckenbauer, der damals dem Exekutivausschuss angehörte, hat sich nicht kooperativ gezeigt und die Ermittlungsfragen nicht beantwortet. Beckenbauers Begründung, er habe die Fragen nicht verstanden, klingt wie eine „faule Ausrede“, zumal FIFA-Chefermittler Michael Garcia zuletzt betonte, dass Beckenbauer die Fragen sowohl in Englisch als auch in Deutsch zugestellt bekam.

Bei der Causa Beckenbauer ist zu untersuchen, weshalb Beckenbauer kurz nach der Entscheidung für die WM in Russland (2018) und Katar (2022), an der er als wahlberechtigtes Mitglied des Exekutivausschuss im Dezember 2010 teilnahm, mit zwei Beraterverträgen ausgestattet wurde. Der eine machte ihn zum „Sportbotschafter“ des Verbandes Russischer Gasproduzenten, der andere verband ihn zwischen April 2011 bis März 2014 als „Berater und Botschafter“ mit der Hamburger E.R. Capital Holding, die eine Zusammenarbeit mit einem katarischen Investmentfonds im Schifffahrtsbereich suchte.

Die FIFA-Sperre und die damit verbundene Imageverfärbung sind für Franz Beckenbauer, der seit seinem Karriereende als Spieler ausschließlich davon lebt, Franz Beckenbauer zu sein, eine Art Berufsverbot, das den mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande dekorierten 68jährigen Ehrenpräsidenten des FC Bayern München hart treffen wird. Der Fall einer Lichtgestalt folgt einer eigenen, einer grausamen Dramaturgie. Der Fall Beckenbauer geht mit dem moralischen Verfall der FIFA einher, die sich einem dringend notwendigen Prozess der Selbstreinigung zu unterwerfen hat, und dabei einen „Ehrenmann“ (DFB-Präsident Niersbach) an den Pranger stellt. Der Fall Beckenbauer ist auch ein „Fall DFB“, solange Beckenbauer reflexartig vom DFB Rückendeckung bekommt. Die von der Ethikkommission voran getriebene Maßnahme, Beckenbauer mit einem Bannstrahl zu versehen, ist ein gutes Zeichen. Die FIFA will Aufklärung, so die Botschaft.

Wer nicht spricht, handelt meistens klug. Er belastet sich nicht selbst. Nichtsprechen ist wirksamer Selbstschutz. Dass dies für einen ausgewiesenen Plauderer wie Beckenbauer besonders gilt, muss an dieser Stelle nicht hervorgehoben werden. Die Frage, die die Öffentlichkeit interessiert, wird ohnehin keiner der 14-Katar-Befürworter in den Reihen des damaligen FIFA-Ausschusses beantworten können: Was sprach für Katar?