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Donnerstag, 18.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Der Clubb is a Debb“

Der FC Augsburg steht vor den beiden wichtigsten Spielen seiner Geschichte. Gegner ist der 1. FC Nürnberg. Heute Abend in Nürnberg und am Sonntag, 16. Mai in Augsburg wird um den Aufstieg ins Fußballoberhaus gespielt. Das Spiel heißt Fußball, womit gesagt sein soll, dass es sich in Wahrheit nicht um ein Spiel, sondern um eine wirklich wichtige Angelegenheit handelt.

Von Siegfried Zagler

Dem Club kann der FCA in keiner Hinsicht das Wasser reichen, und damit ist nicht nur der Glanz und das Elend der Geschichte der beiden von der eigenen Vergangenheit traumatisierten Vereine gemeint, sondern das Hier und Heute. Der Club hat die besseren Einzelspieler, das bessere Team, das fanatischere Publikum und hinreichend Erfahrung im Abstiegskampf. Bei den Buchmachern, ein Gewerbe, das stets schwarze Zahlen schreibt, weil es sich nüchtern von der Wahrscheinlichkeit nährt, ist der Club haushoher Favorit. – Und was spricht für den FCA? Abgesehen von dem schönen Herberger-Bonmot, dass der „Ball rund ist“, nichts. Es sei denn, man weiß, dass der Fußball nicht von der Wahrscheinlichkeit lebt, sondern von der Metaphysik. Also von etwas, das sich die tieferen Fußballversteher durch die bloße Addition der Wahrnehmung zusammenbasteln. „Der Clubb is a Debb“ – eine weitsichtige Floskel des Clubanhangs, die achselzuckend jene Ohnmacht zur Sprache bringt, die man als Club-Zugewandter seit 1969 empfindet, wenn sich die Spieler des Clubs auf dem Spielfeld selbst ein Bein stellen – oder vom Schicksal geschlagen werden, wie anno 1999, als es dem Club “gelang”, als Tabellenzwölfter am letzten Spieltag in die Abstiegszone zu stürzen.

“Nicht denken, einfach schießen”

Keiner steigt so glorreich ab wie der 1.FC Nürnberg. 1969 als amtierender Meister, 2008 als amtierender Pokalsieger. Wenn der 1. FC Nürnberg wieder wie gewohnt in den Schlussminuten um „eine Niederlage bettelt“ (Clubfan und Radioreporter Günther Koch), wird das den Spielern im Easycredit Stadion weniger übel genommen als andernorts. „Nicht denken, einfach schießen“, so die Fans der vom Schicksal der bitteren Niederlagen heimgesuchten Nürnberger. „Im Elend sind wir eben routiniert“, wie der inzwischen verstorbene Ex-Manager Edgar Geenen konstatierte. „Rekordmeister“ war man, als Adi Dasslers Schraubstollen noch der letzte Schrei waren, heute muss man sich am Valznerweiher mit dem zweifelhaften Ehrentitel „Rekordabsteiger“ herumplagen. 41 Jahre sind eine lange Zeit. Doch der Abstieg der 68er Meistermannschaft prägt bis auf den heutigen Tag das Image des Clubs, der sich in jenem ominösen Jahr vom Glanz der alten Tage für immer verabschiedete. Meistertrainer Max Merkel ließ damals Leistungsträger wie Franz Brungs, Karl-Heinz Ferschl oder Gustl Starek ziehen und trudelte mit einem neu formierten Team immer weiter in den Tabellenkeller. Als Merkel acht Spieltage vor Schluss den Laufpass bekam, war das Blatt nicht mehr zu wenden. Der „Debb“ war geboren und kickte von nun an als notorischer Verlierer von der Noris neun Jahre in der ballabgewandten Ödnis der Zweiten Liga. Franz Brungs ist heute noch davon überzeugt, dass damals alle Voraussetzungen gegeben waren, um auf „Jahre hinaus in Deutschland die Nummer eins zu bleiben.“ Eine Rolle also, die man dem FC Bayern aus Blödheit überlassen hat. Sieben Mal ist der Club in seiner Geschichte bisher aus der Bundesliga abgestiegen.

“Angst essen Seele auf”

Wäre der FCA in der Lage, eine weitere Wunde in das Buch der Verletzungen am Valznerweiher zu schreiben, wäre das – Buchmacher hin, Buchmacher her – keine Überraschung, denn bei den kommenden Partien kommt es zuerst auf die Form der Akteure an, und in dieser Angelegenheit leiden die Kontrahenten an den gleichen Stellen. Bei den Nürnbergern schwächelt – wie beim FCA – seit Wochen der Angriff, während die Abwehr um Kapitän Andreas Wolf und Publikumsliebling Pinola stabil steht. Mit den verletzten Breno und Dieckmann muss Club-Trainer Dieter Hecking allerdings auf zwei Aktivposten in der Defensive verzichten, darüber hinaus sind Tavares, Frantz und Bunjaku angeschlagen, von Mintal und Eigler geht in ihrer derzeitigen Verfassung keine Gefahr aus. Der FCA leidet unter dem Ausfall von Rafael und Sinkala, Thurk ist außer Form, Hain ist in wichtigen Spielen gehemmt und Szabics ist, seit er in Augsburg spielt, nicht mehr als ein Schatten aus vergangenen Tagen. In der Defensive steht der FCA ähnlich stabil wie der Club. Aus den aktuellen Formkurven der beiden Mannschaften lässt sich ein offener Schlagabtausch ausschließen. Das Spielgeschehen wird sich im Mittelfeld abspielen, und dort hat der Club mit dem ballsicheren und wendigen Gündogan und dem laufstarken und schussgewaltigen Ottl mehr spielerische Qualität als der FCA vorzuweisen, dessen schnellen Außen Traore und Ndjeng in der Rückwärtsbewegung aus diesem Grund eine wichtige Schlüsselrolle zukommen wird. In der Gesamteinschätzung bringt die junge Clubmannschaft allerdings einen schweren Malus in die Analyse ein: Der Mannschaft fehlt die „Aufbäumungsqualität“, wenn sie in Schwierigkeiten gerät. Statt Moral und Biss zu zeigen, verfällt die aktuelle Clubmannschaft in Agonie, wenn es nicht gut läuft. „Angst essen Seele auf“, das gilt nicht für den FCA, der – aus den Tiefen der Bayernliga kommend – nach 36 Jahren zum zweiten Mal vor dem Sprung ins Oberhaus steht und nichts zu verlieren hat. Das Spiel ist kein Spiel und der 1. FC Nürnberg ist ein Depp, daran sollte der FCA glauben.