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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

… denn sie wissen nicht, was sie tun

Arbeitskreis „Urbane Kulturen“ will die Stadt hinterfragen

Von Siegfried Zagler

Vergangene Woche stellte Richard Goerlich im Kulturausschuss einen Arbeitskreis vor, der von seinen Mitgliedern sehr ernst genommen wird. Nach der Präsentation wussten die Stadträte allerdings nicht viel mehr, als dass es eben diesen Arbeitskreis „Urbane Kulturen“ gibt. Welche Zielsetzungen er verfolgt und warum er gebildet wurde, blieb nach Goerlichs unstrukturiertem Vortrag für den Kulturausschuss und die anwesenden Journalisten weiterhin verborgen. Grund genug, der Sache ein wenig auf die Spur zu kommen.

"Projekte gibt es zuviele in Augsburg": Richard Goerlich

"Projekte gibt es zuviele in Augsburg": Richard Goerlich


Seit eineinhalb Jahren existiert er bereits. Im sechswöchigen Turnus treffen sich ein knappes Dutzend städtische Netzwerker unter dem Vorsitz des Popkulturbeauftragten Richard Goerlich, um einen „Think Tank“ zu bilden, also eine Art Denkfabrik, die drei Dinge produzieren soll: „Kompetenzerwerb, Kompetenztransfer sowie Kompetenzbündelung“, so Hansi Ruile in einem längeren Gespräch zur DAZ. Dabei gehe es nicht konkret um Projektentwicklung, sondern um eine Hinterfragung bestehender Projekte.

„Projekte gibt es zu viele in Augsburg“, so Richard Goerlich, der den konkreten Nutzen des illustren Zirkels auch darin sieht, dass es gelte, die Sinnhaftigkeit bestehender Projekte zu hinterfragen, und zwar hauptsächlich unter dem Aspekt, „was diese Projekte für Augsburg tun“. Die altvorderen Teilnehmer der Runde sehen das ähnlich. Nach dem Regierungswechsel im Frühjahr 2008 habe man dem neuen Kulturreferent Peter Grab vorgeschlagen, den organisierten „Fachkräfteaustausch“, wie der Arbeitskreis unter dem Regenbogen hieß, fortzusetzen. Grab war einverstanden und beauftragte Richard Goerlich mit der Organisation des Zirkels.

“Politik braucht Empfehlungen”

Unter Goerlichs Leitung soll sich – so die Idee – aus diesem Kreis heraus eine Vernetzung mit den sozialen Strukturen der Stadt entwickeln, eine Vernetzung, die es ermöglichen solle, soziale wie kulturelle Kompetenz in die Stadtgesellschaft hinein zu weben. Nur so könne man eine moderne urbane Kulturpolitik entwickeln. Ob diese Aufgabenstellung von Kulturreferent Grab komme? „Nein, aber Politik braucht Empfehlungen“, so Ruile, der zusammen mit Peter Bommas, Matthias Garte, Timo Köster, Ute Legner, Julia Hüter, Richard Goerlich und anderen einen Diskurs darüber führen will, welchen Stellenwert kulturelle Bildung in Augsburg hat, da man „zur Kenntnis nehmen muss, dass kulturelle Bildung ein zentraler Punkt bei der Vermittlung von Kompetenz ist“. Es sei offensichtlich, so Ruile, dass sich, was sich verändert habe, nicht nur übers Lesen begreifen lasse.

“Es hat sich soviel verändert, dass man sich bemühen muss, die Stadt neu zu verstehen”

"Was sich verändert hat, lässt sich nicht nur übers Lesen begreifen": Hansi Ruile

"Was sich verändert hat, lässt sich nicht nur übers Lesen begreifen": Hansi Ruile


„Angesichts demografischer Veränderungen, dem Wertewandel der heutigen Gesellschaft und der kulturellen Globalisierung im Zusammenhang mit weltweit agierenden (Jugend-)Kulturen und deren jeweiligen lokalen Strategien ist eine Neubewertung kultureller und sozialer Arbeit nötig“, so wird die selbstdefinierte Aufgabenstellung des Arbeitskreises in dem vorgelegten Handout beschrieben. Die Neubewertung soll wiederum zu „klaren Begrifflichkeiten“ führen, die für die kulturelle und soziale Arbeit ein theoretisches Raster bilden. Ein theoretisches Raster für die sozialen und kulturellen Einrichtungen der Stadt, die längst nicht mehr so genau wissen was sie tun? Ruile nickt bedächtig und sagt erstaunlich radikale wie kluge Dinge, die er aber nicht zitiert haben will. In den letzten Jahrzehnten habe sich in Augsburg soviel verändert, dass man sich darum bemühen müsse, die Stadt neu zu verstehen. Städtische Kulturpolitik könne sich nur Ziele setzen, wenn sie wisse und begreife, was in der Stadt geschieht.

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer vielleicht, dass nicht der geringste Zweifel darüber besteht, dass Ruile mit seiner Bestandsanalyse der nicht vorhandenen Kompetenz in nicht wenigen städtischen Kultureinrichtungen nicht nur recht hat, sondern ein Tabu anrührt. Wäre dieses Tabu überwindbar, könnte man zum Beispiel sehr schnell zu der Einsicht kommen, dass es nicht zielführend ist – im Sinne moderner urbaner Kulturpolitik – olle Kabarett-Kamellen mit öffentlichen Geldern zu subventionieren.