Dem Protestsänger zu Ehren
Bob Dylan wird 70 und Augsburg feiert mit
Von Frank Heindl
70? Bob Dylan? Völlig unmöglich! Oder doch? Geboren wurde der Folk-Barde am 24.5.1941. 2011 minus 1941 macht – genau: 70. Also doch!
Man mag ihn geliebt und verehrt, gehasst und verachtet haben – auf jeden Fall kommt seit gut 50 Jahren keiner mehr an Dylan vorbei, der sich mit Pop im weitesten Sinn beschäftigt. Also auch nicht das Augsburger Büro für Popkultur von Richard Goerlich, der von sich unumwunden zugibt, er habe lange Jahre mit Dylan rein gar nichts anfangen können: „Das war für mich der Typ mit der knarzigen Stimme und den schlechten Refrains.“ Für Punks, meint Goerlich, sei der wohl eher eine „schlüssige Figur“ gewesen. Trotzdem: An Dylan kam auch Goerlich nicht vorbei, näherte sich dem „Typ“ eben nicht über die Musik, sondern eher „politisch und über die Texte.“ Ergebnis: „Heute schätze ich sein Werk sehr.“
So sehr, dass in Goerlichs Büro die Idee entstand, nach dem John-Lennon-Memorial im vergangenen Jahr nun auch Dylans Siebzigsten zu feiern. Am kommenden Dienstag, 24. Mai heißt es „Happy Birthday Bob“: Drei Tage lang begeht Augsburg die „Dylan Days“. Für die Veranstaltung kooperieren mehrere städtische Einrichtungen: Neben dem Popbüro engagieren sich auch Timo Kösters Friedensbüro sowie Udo Legner von der Fachstelle Schulentwicklung im Bildungsreferat. Und von „außen“ ist auch Peter Bommas vom Kulturpark West dabei und sogar der Lehrstuhl für Amerikanistik an der Uni Augsburg gestaltet mit.
„Together through life“ – mit Dylan gingen viele durchs Leben
Profilverlust befürchten die Akteure bei dieser referats- und spartenübergreifenden Aktion keineswegs. Dylans „Blowing in the wind“ sei schließlich „eine Art pazifistische Hymne“, betont Timo Köster, und zur Klientel der städtischen Friedensarbeit gehöre auch das Dylan-Publikum quer durch die Generationen. Für Udo Legner ist die Beziehung zu Dylan sehr viel direkter: Er ist zwar ein paar Jährchen jünger, ist aber ebenfalls am 24. Mai geboren, fügt ironisch hinzu, er habe diesen Zufall „immer ein bisschen als Verpflichtung gesehen“ und erinnert daran, dass Dylans vorletzte Platte „together through life“ geheißen hat – gemeinsam mit Dylan durchs Leben gegangen seien sehr viele. Peter Bommas schließlich gibt unumwunden zu, er sei geradezu „sozialisiert mit Dylan“ und betont, Dylan sei der am öftesten gecoverte Musiker der letzten 50 Jahre – mithin perfekt geeignet für ein generationenübergreifendes Projekt. Kulturreferent Peter Grab ist der einzige bei der Pressekonferenz, der dann doch auch noch darauf hinweist, dass Dylan neben seinen Eigenschaften als Popstar, Poet, Sänger, Musiker und Maler eben auch noch eine weitere wichtige Rolle hatte: diejenige einer „Ikone der Bürgerrechts- und Protestbewegung.“
Protestsong mit Kitschfaktor
Wer ihn seit dieser Zeit kennt, seit jenen Platten, die die unprätentiöse (und, zugegeben: seit jeher knarzige) Stimme weltweit bekannt gemacht haben, seit „Blowing in the wind“ und einer Menge Titel mehr, die bis heute einen heftigen Kitschfaktor dazugewonnen haben – wer Dylans Karriere seither mit verfolgt hat, musste einiges an Ups und Downs einstecken. Erstmals verprellte Dylan seine Fangemeinde, als er 1965 auf „Bringing it all back home“ elektrisch verstärkte Instrumente einsetzte, die Folkmusic in den Augen der Puristen verriet, dafür aber den Folkrock erfand. Noch schlimmer kam’s, als er sich 1979 als wiedererweckter Christ zu erkennen gab. Ideologisch ist er seither nur noch schwer zu verorten – Konzerte vor dem Papst und in China haben ihm zudem den Ruf eines unkritischen Mitläufers beschert.
Jede Menge Entwicklung also, jede Menge Diskussionsstoff und daraus resultierend jede Menge Möglichkeiten, Dylan zu feiern und zu hinterfragen. Ab kommenden Dienstag wird das geschehen: In Dylan-Workshops für Schüler, im Dylan Teach-In (einer Lehrerfortbildung mit dem US-amerikanischen „Dylanologen“ John Dean), im Dylan-Film, einer Dylan-Ausstellung in der Krad-Halle, einem Dylan-Konzert („Zimmermann“ spielt Coverversionen), im Dylan-Talk und der Dylan-Jukebox – an verschiedenen Veranstaltungsorten in der Stadt. Zum Schluss, am Donnerstag, 26. Mai, endet alles dort, wo es für die meisten mit Dylan mal angefangen hat: am Lagerfeuer. „Dylan unplugged“ heißt die Veranstaltung, auf dem Grillplatz an der Krad-Halle werden Dylansongs geklampft.
» Programm-Flyer (pdf 239 kB, via kulturparkwest.de)
Zur oben stehenden Grafik: Das Design für Plakate und Flyer stammt von der Grafikdesignerin Nontira Kigle, die auch schon fürs John-Lennon-Memorial und die Jean-Stein-Kneipe gearbeitet hat.