„…dass man mit einem Menschen beliebig viel machen kann“
Brechts Komödie „Mann ist Mann“ ab Sonntag bei Dierig
Von Frank Heindl
Ein bisschen naiv ist er schon, dieser Galy Gay. Und ein bisschen zu gutmütig. So kann es geschehen, dass er, eigentlich zum Fischkauf unterwegs – zunächst einen anderen Namen kriegt, später dann auch ein Gewehr, und am Ende zum Kriegshelden wird. Ein Mensch wird „umgebaut“, so nennt der Autor das und lässt seine Witwe Begbick erklären, der Herr Bertolt Brecht beweise damit, „dass man mit einem Menschen beliebig viel machen kann.“ Am Samstag hat „Mann ist Mann“ bei Dierig Premiere.
Was ist das Individuum, wie viel kann es ausrichten in der Welt der Massen, wie übermächtig ist die Gesellschaft der Klassen? Diese Fragen ziehen sich durchs gesamte Werk von BB, und einige seiner Antworten kann man in „Mann ist Mann“ finden, wo sich der Staat und sein Militär aus dem rechtschaffenen Galy Gay genau den willfährigen Opportunisten zusammenbasteln, den sie brauchen. Und der bei alldem doch bis zum Schluss glaubt, dass alles auch nach seinem Plan passiert. Doch das Ganze ist kein Lehrstück, kein dröges marxistisches Kolleg, sondern eine Komödie: „Es ist ein Lustspiel, und wir behaupten nichts anderes“, sagt Geeske Otten, Dramaturgin am Stadttheater, und betont, dass auch nach den vielen Änderungen, denen Brecht sein Stück im Lauf der Jahre unterzog, „immer noch ein Lustspiel übrig bleibt.“ Die Inszenierung gehe „von den ganz expliziten Wertungen weg“ und bewahre dem Stück jene Offenheit, die in der Erstfassung noch vorhanden war, dann aber reduziert worden sei durch die Änderungen, denen Brecht das Stück unterzog.
Mann ist Mann und Elefant ist Elefant
Der „Lustspielcharakter ohne den mahnenden Zeigefinger hat uns mehr interessiert”, sagt Otten. Für Spaß sorgen Running Gags wie der, dass die schlimmsten Befürchtungen der Protagonisten regelmäßig sofort wahr werden, aber auch die Verwendung von Tautologien, die schon der Titel ankündigt: „Mann ist Mann“, oder, an anderer Stelle, „Elefant ist Elefant“ – hier noch mit dem witzigen Nachsatz: „besonders, wenn er gekauft wird.“
Schauspieldirektor Markus Trabusch ist bei „Mann ist Mann“ als Regisseur eingesprungen für den erkrankten Freo Majer. „Das war happig für ihn“, erzählt Geeske Otten. Trabusch gilt zwar als Brecht-Kenner und dürfte inhaltlich schnell „drin“ gewesen sein – aber sein „eigentlicher“ Job wäre es im Moment, den Spielplan für die nächste Saison vorzubereiten und sich nach Ersatz für diejenigen Schauspieler umzusehen, die im Sommer Augsburg den Rücken kehren werden.
Natürlich wird es „episches Theater“ zu sehen geben: Die Augsburger Inszenierung spart die Brechtschen Verfremdungseffekte nicht aus, auch wenn diese mehr und mehr in die Jahre gekommen sind. Es wird Songs geben, es wird die direkte Publikumsansprache geben, beim Elefantenverkauf werden Schauspieler aus ihren Rollen treten, ein paar Sätze werden sogar in Versen gesprochen. Wozu solche Effekte heute noch dienen können? – Geeske Otten ist skeptisch, was die von Brecht intendierte Wirkung betrifft: „Dass der Zuschauer genau an diesen Stellen zu denken anfängt, glaube ich nicht“ – das heutige Publikum sei ein anderes Theater gewohnt als dasjenige, das Brecht kritisiert hat. Die Dramaturgin geht vielmehr davon aus, dass der Zuschauer nach wie vor Identifikationsmöglichkeiten braucht – und dass Brecht diese zu Genüge eingebaut hat.
Kein Einlass nach Beginn der Vorstellung
Natürlich war auch die „Mann ist Mann“-Premiere im ursprünglichen Spielplan bereits für den Theatercontainer vorgesehen, dessen Zukunft immer noch nicht gesichert ist. Nun spielt man also doch in Dierigs Fabrikhalle. Es gebe Stücke, sagt Geeske Otten, die durchaus davon profitierten, wenn der Theaterraum nicht vorgebe, wo Bühne, wo Zuschauerraum ist – „Mann ist Mann“ gehöre dazu. Bei Dierig wird der Zuschauer, sobald er durch die Eingangstür getreten ist, mitten auf der Bühne stehen – Achtung: Wer zu spät kommt, wird aus diesem Grund nicht mehr rein gelassen! Eine Aufzugstür, die dann genau im Blickfeld der Zuschauer liegt, hat man einfach ins Stück eingebaut – der Ort bleibt „eine abstrakte Bühne, die mit den Materialien vor Ort arbeitet.“
Trotzdem, mehr als eine „interessante Erfahrung“ will auch Otten im Pferseer Ersatzspielort nicht sehen: Die Vorteile des Außergewöhnlichen würde nach wie vor durch mancherlei Nachteile aufgewogen: „Da stehen Säulen im Weg, die kriegt man nicht weg. Die Beleuchtungsmöglichkeiten sind enorm eingeschränkt. Und es gibt keinen Aufenthaltsort fürs Publikum.“ Das Theater werde von Dierig „ganz toll“ unterstützt – „aber vieles geht eben einfach nicht.“ Eine Band wenigstens findet auch bei Dierig Platz – sie wird die Brecht-Songs begleiten und auch damit dazu beitragen, dass das Brechtpublikum neben allerhand zum Nachdenken vor allem seinen Spaß hat. Zum Beispiel auch an Brechts „Zwischenspiel für das Foyer“, das die Augsburger Inszenierung zum Teil mit aufnehmen wird und in dem es gleich zu Anfang heißt: „Wenn Sie nur etwas sehen wollen, was einen Sinn hat, dann müssen Sie auf das Pissoir gehen.“