DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Sonntag, 12.01.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

„Das Vorgehen der jetzigen Stadtregierung gefährdet den Bahnhofsumbau am meisten“

DAZ-Interview mit Stefan Kiefer, Teil 1: die SPD, der Königsplatz, das Theater.

Es war einer der heißesten Tage in der zurückliegenden Woche. Stefan Kiefer war sofort einverstanden, das große Sommer-Interview in die Kahnfahrt zu verlegen. Der Fraktionschef der SPD kam gut gelaunt mit dem Fahrrad am hellen Nachmittag. Als man sich verabschiedete, kündigte das gefilterte Licht der Dämmerung etwas Abkühlung an.

Dr. Stefan Kiefer im Gespäch mit den DAZ-Herausgebern Bruno Stubenrauch (links) und Siegfried Zagler (rechts)

Keiner der Beteiligten konnte es am Ende so richtig fassen, dass man sich soeben fünf Stunden am Stück über die Tiefen und Untiefen der Augsburger Lokalpolitik unterhalten hat. Das „Interview“ hatte sich im Lauf des Nachmittags zu einem spannenden Gespräch entwickelt. Trotz der teilweise schwierigen und kritischen Fragen der DAZ war die Marathonsitzung in der Kahnfahrt stets von einem freundschaftlichen Ton geprägt. Stefan Kiefer ist seit der verlorenen Kommunalwahl 2008 der Fraktionsvorsitzende der Rathaus-SPD und hat sich in den letzten Jahren in der Augsburger Lokalpolitik zu einem politischen Schwergewicht entwickelt. Kiefer gilt als „der designierteste“ unter den möglichen OB-Kandidaten der SPD für 2014.

DAZ: Herr Kiefer, das Führungsgremium der Augsburger SPD wurde auf der Unterbezirksversammlung am 17. April gewählt. Es hat 23 Mitglieder und besteht aus der Vorsitzenden Ulrike Bahr, drei Stellvertretenden Vorsitzenden, Schatzmeister, Schriftführer, dreizehn Beisitzer und den vier Sprechern der „klassischen Arbeitsgemeinschaften“, wie es auf der SPD-Homepage heißt. Auffällig ist, dass trotz des hohen Anteils vieler Augsburger mit Migrationshintergrund in der SPD-Führung niemand davon vertreten ist. Bei der Wahl der Stellvertreter fiel Yalcin Hüseyin durch. Nach außen wirkt das auf den ersten Blick so, als wäre das Thema Migration bei der Augsburger SPD noch nicht angekommen. Sehen Sie diesbezüglich keine Defizite?

Kiefer: Nein, für die SPD sind die Teilhabe von Neubürgern am gesellschaftlichen Leben und das Aufbrechen verkrusteter Vetterleswirtschaften Urthemen ihrer Erfahrungs- und Organisationsgeschichte. Deshalb ist sie auch aufgeschlossen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund. Wir würden z.B. nie für einen Kandidaten besonders damit werben, dass sein Vorteil darin besteht, sein ganzes Leben allein in Augsburg verbracht zu haben; aber es sollte auch nicht umgekehrt ein Zwang zur Wahl einer Person bestehen, weil sie nicht hier geboren ist.

Sehen Sie es als positives Beispiel unverkrampften Umgangs mit diesem Thema an, dass bei uns ein Hüseyin Yalcin wie selbstverständlich für den Parteivize kandidieren, aber auch genauso verlieren kann. Er war einer von 8 Kandidaten für dieses Amt und hatte daher schon statistisch geringe Erfolgschancen – neben einem kandidierenden Landtagsabgeordneten und Fraktionsvorsitzenden. Ich hatte Hüseyin gebeten, wie andere Kandidaten für das Stellvertreteramt auch, hilfsweise als Beisitzer zu kandidieren, aber das wollte er nicht. Deshalb sitzt nun scheinbar niemand mit Migrationshintergrund im Parteivorstand, ein zufälliges Ergebnis. Übrigens ist auch bei der CSU und bei den Grünen kein „Migrant“ im Parteivorstand.

„Bei der FDP gab es schon einmal dreimal so viele Mitglieder wie heute“

DAZ: In den letzten 20 Jahren hat die Augsburger SPD zirka die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Die aktuelle Mitgliederzahl liegt bei zirka 1500. Tendenz wohl eher weiterhin fallend. Damit liegen Sie sogar ein wenig über dem Bundestrend. Die Zahl ist bundesweit von einer Million 1980 auf aktuell zirka 570.000 Mitglieder geschrumpft. Woran liegt aus ihrer Sicht die dramatische Entwicklung?

Kiefer: Vorab ist klar zu stellen: der Mitgliederstand stagniert seit geraumer Zeit, auch in Augsburg, es geht aber auch nicht signifikant nach oben. Diese Entwicklung erfreut uns nicht. Sie ist aber auch keine reine SPD-Entwicklung. Bei CDU und CSU, den anderen klassischen Volksparteien, haben sie dieselbe Entwicklung. Bei der FDP gab es schon einmal dreimal so viele Mitglieder wie heute und auch die Grünen hatten in der Vergangenheit mehr Mitglieder als heute. Für den Mitgliederschwund in der SPD gibt es viele Gründe: politische Konkurrenz (1980 gab es weder die Linke noch die Grünen mit dieser Bedeutung), eine generell sinkende Bereitschaft in der Bevölkerung, sich dauerhaft für eine Partei zu engagieren, aber natürlich auch die Konsequenz aus politischen Entscheidungen. Gerade die AGENDA 2010 hat uns Mitglieder gekostet. Für am gewichtigsten halte ich den Umstand, dass sich die traditionellen Bindungen auflösen – die des klassischen Arbeiterumfelds zuerst, aber auch die in konservativen Nischen, wie zum Beispiel den Kirchen. Wir sind in dieser soziologischen Entwicklung – leider – nur schon weiter als die C-Parteien.

DAZ: Könnte man in Augsburg dem Trend nicht entgegenwirken, wenn man die Bürger mit Migrationshintergrund mit ins Boot nehmen könnte?

„Viele SPD-Mitglieder mit Migrationshintergrund sitzen nicht nur im SPD-Boot, sondern rudern auch kräftig mit“

Kiefer: Ja, das ist eine konsequente Weiterentwicklung, die auch bereits stattfindet, wenn auch nicht so schnell, wie wir uns das wünschen.

"Wer unser System akzeptiert, muss auch das Recht haben, einen Bürgermeister oder einen Stadtrat zu wählen."

"Wer unser System akzeptiert, muss auch das Recht haben, einen Bürgermeister oder einen Stadtrat zu wählen."


Sehen wir uns hierzu andere Parameter als den Parteivorstand an: In unseren 21 Ortsvereinen sind mehrere Menschen mit Migrationshintergrund in den Vorständen, einige auch stellvertretende Vorsitzende. In der letzten Stadtratsperiode hatten wir zwei Stadträte, die Kinder sogenannter „Gastarbeiter“ sind. Im Ortsverein Antonsviertel sind in den letzten 2 Jahren ca. 40 Menschen türkischer Herkunft in die SPD eingetreten und haben die Mitgliederanzahl dort verdoppelt. Das Fachforum Migration arbeitet hervorragend und bietet erstklassige Veranstaltungen zu diesem Themenblock. Wie viele unserer Mitglieder Migrationshintergrund haben – und in welchem Umfang – kann ich nicht sagen, weil wir das nicht in unserer Mitgliederliste aufführen. Sie sehen, viele SPD-Mitglieder, vor allem auch die mit Migrationshintergrund sitzen nicht nur im SPD-Boot, sondern rudern auch kräftig mit.

Problematisch ist aber nach wie vor, dass die konservativen Parteien bewusst das Wahlrecht für „Ausländer“, wie sie sagen, nicht verändern, und so Migranten mit Politikinteresse von politischer Teilhabe abzuhalten. Wer unser gesellschaftliches und politisches System akzeptiert, hierzu auch noch durch Steuerzahlungen und Sozialversicherungsbeiträge mitwirkt, muss auch das Recht haben, einen Bürgermeister oder einen Stadtrat zu wählen. Ob er dies dann auch tut, ist seine ganz persönliche Entscheidung, denn längst nicht alle Menschen mit Migrationshintergrund suchen den Einstieg in die Untiefen der Politik. Aber er sollte wie jeder andere Bürger auch zumindest die Chance dazu haben. Die SPD Augsburg bemüht sich aber auch in besonderem Maße auf Migrantenorganisationen zuzugehen, denn wir wollen in der Tat gerne noch mehr Mitglieder im Boot haben.

DAZ: Die Augsburger SPD ist ebenfalls überaltert und richtig überzeugender Nachwuchs ist uns bisher auch nicht aufgefallen.

Kiefer: Dann freue ich mich, wenn wir darüber reden können, um Irrtümer auszuräumen. Richtig ist, dass das Durchschnittsalter der SPD zunimmt – wie das der gesamten Bevölkerung in Deutschland und auch der anderen Volksparteien. „Überalterung“ halte ich da für einen denkbar unglücklichen Begriff. – Nachwuchs ist da, allerdings in geringerer Zahl als früher. Wie Sie unseren Nachwuchs einschätzen – wo fängt der altersmäßig an und wo hört er auf? – müssen Sie für sich entscheiden. In meinem Hauptverantwortungsbereich, der SPD-Fraktion im Stadtrat, achte ich darauf, dass jeder, unabhängig vom Alter, eine Aufgabe hat. Hierzu nehmen wir das Sprecher-Amt sehr ernst.

"Dann freue ich mich, wenn wir darüber reden können, um Irrtümer auszuräumen" - Stefan Kiefer, Siegfried Zagler

"Dann freue ich mich, wenn wir darüber reden können, um Irrtümer auszuräumen" - Stefan Kiefer, Siegfried Zagler


Darüber hinaus bin ich stolz auf unsere Jusos und arbeite auch gerne mit ihnen zusammen. In einer ganzen Reihe von Ortsvereinen wurde der Stabwechsel in die nächste Generation vollzogen, z.B. im Hochfeld, in Göggingen, im Univiertel, im Textilviertel, in der Innenstadt und in Oberhausen. Das Führungspersonal in der gesamten SPD Augsburg hat sich in den letzten Jahren massiv verjüngt (Landtagsabgeordnete, gesamter Parteivorsitz, Fraktionsspitze); ich selbst bin z.B. der jüngste Fraktionsvorsitzende im Stadtrat. Leider ist es uns speziell im Stadtrat nicht gelungen, wieder kontinuierlich neuen Nachwuchs nachzuziehen; da haben aber auch die Wähler ein entscheidendes Votum abgegeben. Junge erfahrene Leute wie Ines Bertozzi haben es leider nicht geschafft, Nico Kanelakis und Martin Hinterbrandner haben auch aus beruflichen Gründen nicht weiter machen können. Der Stadtjungendringvorsitzende Raphael Brandmiller wurde leider trotz seiner Bekanntheit nicht in den Stadtrat gewählt. Dafür war neben der Listenreihung auch die Gesamtstimmung für die SPD letztes Mal zu schlecht. Hier ist nicht alles planbar.

DAZ: „Mitgliederschwund, Vertrauensverlust, programmatische Leere, Nachwuchsmangel“, so hat die die ZEIT vor einigen Jahren die „vier Plagen“ der Bundes-SPD beschrieben. Das Wachsen der Grünen und nun der Linken ging immer auf Kosten der SPD. Ob die SPD-Probleme tatsächlich so sehr am kommunalen Wahlrecht und der demographischen Entwicklung verbunden sind, kann man zumindest mit einem Fragezeichen versehen. Es fehle an einem „politischen Versprechen“, so war auch die Wahlrede von Ulrike Bahrs Kontrahent um den Vorsitz, Florian Freund, am 17. April zu verstehen. In Augsburg liegen die „politischen Versprechen“ auf der Straße, könnte man meinen. Stichwort Stadtbad: Der erwogene Verkauf des Stadtbades hat die Augsburger SPD mobilisiert, jedenfalls war sie sehr präsent. Aber lassen Sie uns zuerst über die offensichtliche Defizite sprechen. Ulrike Bahr hat das „politische Versprechen“ gegeben die Sozialpolitik wieder in den Fokus der lokalen SPD zu stellen. Stichwort Armutskonferenz: „Sozialcard“ beziehungsweise „Mobilcard“ für zirka 28.000 Augsburger. Sozialreferent Weinkamm (CSU) hat gesagt, dass er dies wegen den hohen Kosten ablehne. Dabei sind die angeführten Kosten von zirka 10 Millionen Euro nicht wirklich seriös berechnet. Wo bleibt das Versprechen von Frau Bahr?

„Es lohnt sich genauer hinzusehen, anstatt platten Sprüchen zu folgen“

Basisarbeit in lokalen Fachforen: Ulrike Bahr

Basisarbeit in lokalen Fachforen: Ulrike Bahr


Kiefer: Ich kenne Ulli Bahr seit über 15 Jahren – sie steht für soziale Themen in dieser Stadt wie wenig andere. So hat sie auch in der Partei die ersten Veranstaltungen zu sozialen Themen wie zum Beispiel das „Sparpaket“ der Bundesregierung und dessen fehlende soziale Ausgewogenheit aufgegriffen. Als langjährige Vorsitzende der Einzelgewerkschaft GEW ist sie im Arbeitnehmerbereich ebenso aktiv wie in Bildungsfragen; das bürgerschaftliche Engagement im „Bündnis für Augsburg“ hat sie unter dem ehemaligen Sozialreferenten der SPD, Dr. Konrad Hummel intensiv begleitet; das Fachforum Migration hat in ihr eine verlässliche „Überzeugungstäterin“ als Partnerin, und, und, und. Bei dieser Vita hat sie ihr politisches Versprechen zur Sozialpolitik schon mit ihrer Kandidatur eingelöst.

DAZ: So kann man es natürlich auch sehen, aber Bahrs Wahl liegt drei Monate zurück und nun stehen aktuell konkrete soziale Themen auf der Tagesordnung.

Kiefer: Bei der von Ihnen konkret genannten Frage nach einer „Mobilcard“ für Empfänger von Arbeitslosengeld II hat die SPD unter Führung von Ulli Bahr verlangt, dass die Idee einer Mobilcard nicht einfach aus vermeintlich vordergründigen Kostengründen in der Schublade verschwindet, sondern vielmehr intensiv nachgeprüft wird, welche Kosten entstehen und welche Vorteile es für die Betroffenen hat – die für eine Reihe von nachgewiesenen Fahrten ohnehin eine Erstattung durch die ARGE erhalten. Es lohnt sich also genauer hinzusehen, anstatt platten Sprüchen zu folgen, egal in welche Richtung. Aber ich gebe Ihnen völlig recht: Die Mobilcard als ein mögliches Instrument der Armutsbekämpfung darf nicht leichtfertig ad acta gelegt werden, wenn man die Teilhabe aller am öffentlichen Leben ernst nimmt.

DAZ: Ein anderes Defizit, das auf der Unterbezirksversammlung am 17. April zur Sprache kam: Die interne Kommunikation funktioniere nicht gut. Die Ortsvereine fühlten sich zur sehr vom Vorstand und der Fraktion abgekoppelt. Ulrike Bahr hat Verbesserung versprochen. Hat sich aus ihrer Sicht seitdem etwas verändert?

Kiefer: Eine Folge dieses Versprechens ist, den Unterbezirksausschuss häufiger, und nicht nur zu organisatorischen Fragen, einzuberufen. Das war eine häufig gestellte Forderung und die wurde sofort erfüllt. Es wird noch weitere Schritte geben, wobei auch jetzt schon alle Abgeordneten und die Stadtratsfraktion die Mitglieder mit Newslettern und Terminübersichten versorgen.



DAZ: Lassen Sie uns einen harten Schnitt machen und zum Kö-Umbau wechseln, der in den zurückliegenden Wochen das dominierende Thema war. War es nicht riskant, am 10. Juni gegen die Planungsvorlage der Rathausregierung zu stimmen? Haben Sie damit nicht den Hauptbahnhof-Umbau und somit die Mobilitätsdrehscheibe des Regenbogens insgesamt gefährdet?

„Wir kamen zu dem Ergebnis, dass die jetzige Planung mehr Probleme schafft als sie löst“

Kiefer: Nein. Ich habe mir erlaubt – wie es eigentlich vom Gesetz her vorgesehen ist – mit meiner Fraktion über den „Billigungs- und Auslegungsbeschluss zum Bebauungsplan 500“ im Rahmen einer Abwägung der Vor- und Nachteile zu entscheiden. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass die jetzige Planung mehr Probleme schafft als sie löst und der zentrale Vorteil eines autofreien Zugangs der Tramgäste vom Kö zur Fußgängerzone zu teuer erkauft ist. Hätte die CSU keine Mehrheit gehabt, hätte sie mit uns die schon vor einem Jahr geforderte Alternative Zwischenlösung verfolgt. Wenn sie die jetzige CSU-Planung umsetzen kann, wird sie es tun. – Nach meiner Einschätzung der Gesamtsituation in der Stadt ist es gerade das Vorgehen der jetzigen Stadtregierung und die Planung der CSU, die den Bahnhofsumbau am meisten gefährdet.

DAZ: Die aktuelle Verwaltungsplanung gefährdet den Bahnhofsumbau am meisten!? Das müssen Sie uns aber genauer erklären!

Kiefer: Zum einen hat die CSU die Bürgerschaft vor 3 Jahren mit dumpfen Sprüchen, an die sie sich jetzt nicht mehr erinnern wollen, gegen eine fertige, praktisch genehmigte und von Fachleuten in jahrelanger Arbeit erstellt Planung mobilisiert und damit erstmals den Bahnhofsumbau gestoppt. Mit Sprüchen wie „Bäume statt Pflaster“ und vor allem „Tunnel statt Chaos“ haben sie den Menschen weismachen wollen, dass im Rahmen eines Bahnhofsumbaus doch gleich noch die autogerechte Stadt der 70er Jahre verwirklicht werden sollte. Das steckt immer noch in vielen Köpfen, deshalb gingen die Menschen zur Wahlurne am 15. November 2007, vor allem in Hochzoll, wo es noch um die damals erhoffte Vierspurigkeit der Friedberger Straße ging.

Nun setzt die CSU alles auf die Verwirklichung des Gegenteils ihrer damaligen Sprüche, nunmehr der möglichst autobefreiten Stadt. Weniger Bäume, mehr Kosten und kein Tunnel. Was damals, 2007, die Menschen mobilisierte, wird die Menschen diesmal erst recht auf die Straße bringen, und z.B. über ein Tunnelbegehren dem Bahnhof den Todesstoß versetzen. Nur dass leider die Menschen mehr Grund haben als 2007 die Planung für den Kö abzulehnen, weil die Folgen der jetzigen CSU-Planung viel gravierender für die Stadt sind als nach der Planung des Jahres 2007.

DAZ: Sie meinen also, dass der CSU-Wahlkampf und die dann doch überraschende Entwicklung hin zur jetzigen Planung das Tunnelbegehren förmlich provoziert hat, und dieses Tunnelbegehren nun den Bahnhofsumbau gefährdet. Haben wir das so richtig verstanden?

Kiefer: Ja. Die Tunnelbefürworter sind sozusagen genau auf dem Gleis, das die CSU noch vor Kurzem, 2007, selbst eingeschlagen hat, das die CSU aber mittlerweile wieder verlassen hat. Zudem produziert die jetzige CSU-Planung schon allein aufgrund des gigantischen Umgriffs vom Theater rund um die Altstadt wesentlich mehr Gegnerschaft.

DAZ: Sie waren selbst im Preisgericht des Innenstadtwettbewerbs und haben den ersten Preis mitgetragen. Erste Grundsatzbeschlüsse im Stadtrat zur Umsetzung fielen mit der SPD einstimmig. Auch beim Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „Königsplatz und Augsburg-Boulevard“ stimmte die SPD noch mit. Wann ist für Sie das Verwaltungs-Projekt gekippt und warum?

"Zu teuer erkauft": Verwaltungslösung autofreier Kö

"Zu teuer erkauft": Verwaltungslösung autofreier Kö


Kiefer: Leider haben die Medien wichtige Meilensteine unseres Abstimmungsverhaltens nicht kommuniziert. Im Preisgericht konnte ich freilich für die meines Erachtens beste Idee unter den eingegangenen Vorschlägen stimmen. Das heißt aber nicht, dass diese Idee auch auf jeden Fall funktioniert und umgesetzt werden muss. Die SPD hat von Anfang an – speziell auch ich – in Interviews rund um die Präsentation der Ergebnisse des Ideenwettbewerbs darauf hingewiesen, dass erst geprüft werden muss, ob die Idee der Verlagerung des Individualverkehres von der Adenauerallee in die Schießgrabenstraße und damit auf die Kaiserhofkreuzung überhaupt funktioniert und welcher Aufwand mit welchen Folgen dafür betrieben werden muss. Die Überprüfung dieser Fragen haben wir zwar von Anfang an gefordert, nur mit den Antworten wurde seitens der Stadtratsmehrheit leider nie ehrlich umgegangen. So kursieren zum Beispiel unterschiedliche Zahlen zu Verkehrsmodellen, die Kosten für die Umsetzung des 1. Preises wurden uns erst drei Tage vor der letzten Entscheidung – nebenbei in einer allgemeinen Informationsveranstaltung am 7. Juni 2010 – mitgeteilt. Unser entsprechender Antrag wurde offiziell nie beantwortet.

„Gekippt“ ist unsere Würdigung der Idee des Preissiegers von 2009 eigentlich nie, da wir nie behauptet haben, dass diese Idee funktioniert und zwingend umgesetzt werden muss, wenn sie nicht oder nur unter vielen Opfern funktioniert. Aufgrund unserer jetzigen Erkenntnisse über die mit der Umsetzung der Idee verbundenen Schwierigkeiten und Folgeprobleme wie Schleichverkehre, zusätzliche Baumfällungen, zusätzlichen Verkehrsraum im Plangebiet, immense Baustellendauern und vor allem die gigantischen Mehrkosten von insgesamt 30 Millionen Euro – 10 Millionen Stadtwerke, 20 Millionen Stadt – kommen wir zu dem Ergebnis, dass die Befreiung der Adenauerallee auf 100 m Länge vom Individualverkehr diesen Aufwand nicht wert ist. Der einzig erkennbare Vorteil – nur noch Straßenbahnen, aber kein Autoverkehr mehr zwischen Haltestellendreieck und Fußgängerzone, ist viel zu teuer erkauft. Deswegen haben wir die jetzige Planung am 10. Juni 2010 abgelehnt. Allerdings haben wir auch einen besseren, da konfliktärmeren Gegenvorschlag unterbreitet.

DAZ: Die SPD hat in der Sondersitzung am 10. Juni 2010 den Antrag eingebracht, den Individualverkehr von der Konrad-Adenauer-Allee Richtung Theater in eingeschränktem Umfang so lange aufrecht zu erhalten, bis entsprechende Verkehrsentlastungen gefunden sind. Können Sie uns diese Bypass-Lösung kurz erläutern?

„Alle Mitglieder der SPD-Fraktion drängen aber weiter auf den Bahnhofsumbau“

Kiefer: Ja. Dieser Antrag entspricht den Überlegungen, die wir bereits ein Jahr vorher, im Juli 2009, unserem Antrag auf ein stufenweises Vorgehen am Königsplatz zugrunde gelegt haben und er entspricht auch den Überlegungen, die andere wie IHK und Einzelhandelsverband angestellt haben. Es geht um folgende Überlegung:

Wettbewerbs-Kö

Wettbewerbs-Kö


Wie viel Verkehrsberuhigung in der Innenstadt lässt sich bereits jetzt umsetzen ohne die vorhin genannten Nachteile wie Schleichverkehre, Baustellendauer, Baumfällungen und Mehrkosten. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass dies durch eine eingeschränkte Aufrechterhaltung des Durchgangsverkehrs am Königsplatz am einfachsten möglich wäre. Das heißt, die sogenannte kurze Hermann-Straße fiele zwar bereits weg, die Adenauer-Allee bliebe aber mit 1 – 2 Verkehrsspuren, so wie dies im Verlauf der Adenauerallee und aufgrund des dann verbleibenden Verkehrsaufkommens dann nötig ist – offen. Dies würde bedeuten, dass das Haltestellendreieck nahezu so platziert würde, wie vorgesehen, nur nicht ganz so weit nach Osten verschoben, wie geplant. Die massiven Mehrkosten für Baumaßnahmen am Theodor-Heuss-Platz, den Kennedyplatz und an der Schießgrabenstraße könnten entfallen, denn dann wäre die Verkehrsführung mit der jetzigen Lage der Straßenbahnschienen am Theodor-Heuss-Platz weiterhin kompatibel, es bräuchte keine Verkehrsumlegung.

DAZ: Das erinnert uns aber sehr an den alte Regenbogenplanung, den politisch so umkämpfen „Wengert-Kö“.

Kiefer: Der Plan wäre, wenn Sie so wollen, ein Kompromiss zwischen der Ausgangsplanung und der jetzigen Planung – weniger Verkehrsbeziehungen als vorher, aber nicht ganz so stark eingeschränkt wie derzeit von der CSU vorgesehen. Das hatten eigentlich die Preisrichter auch ursprünglich vorgeschlagen. Da die standardisierte Bewertung für die Vorgängerplanung von 2007 weit besser war als für die jetzige Planung, gehe ich davon aus, dass unsere Zwischenvariante mit Sicherheit besser wäre als die CSU-Planungen; die Kosten wären allemal um ca. 25 Millionen niedriger.

DAZ: Wie lange sollte die Bypasslösung aufrecht erhalten bleiben?

Kiefer: Das kommt auf die Entwicklung des Gesamtverkehrs und der städtischen Infrastruktur an. Je schneller Menschen auf den ÖPNV umsteigen oder durch Entlastungen z.B. mit der vorgesehenen Bahnhofstangente entstehen, desto schneller wäre es möglich, tatsächlich, wie von den Wettbewerbsgewinnern geplant, den Restverkehr auf eine gegenläufige Schaezlerstraße zu verlegen. Dann aber ohne den gigantischen Aufwand und dann auch ohne die Verdrängung von Verkehr in Nebenstraßen oder in den Graben.

DAZ: Herr Schramm hat am 10. Juni beim Kö gegen die SPD bzw. für die Verwaltungsplanung gestimmt. Gab es in der SPD ähnlich schwierige Abstimmungsprozesse wie in der CSU, nur mit dem Unterschied, dass man davon öffentlich nichts mitbekommen hat?

Kiefer: Die SPD hat es sich mit ihrer mehrheitlichen Entscheidung am 10. Juni nicht leicht gemacht und diese auch rein nach sachlichen Überlegungen getroffen, gerade weil meine Partei vom ersten Tag an für den Umbau des Hauptbahnhofs und des Königsplatzes war und dafür im Ergebnis einen hohen Preis bezahlt hat.

"Stufenweises Vorgehen am Kö, um endlich den Bahnhofsumbau sicher zu stellen"

"Stufenweises Vorgehen am Kö, um endlich den Bahnhofsumbau sicher zu stellen"


Alle Mitglieder der SPD-Fraktion drängen aber weiter auf den Bahnhofsumbau und alle von uns erkennen die großen Schwierigkeiten der jetzigen CSU-Planung. Ich habe sie genannt. Wir waren uns einstimmig einig, dass wir unseren Gegenvorschlag – stufenweises Vorgehen am Kö, um endlich den Bahnhofsumbau sicher zu stellen – durch einen Bypass in der Adenauerallee unterbreiten. Die streitige Frage war nur, wie wir abstimmen, wenn unser Gegenvorschlag abgelehnt wird, wie es im Juli 2009 und wieder am 10. Juni 2010 geschehen ist. Im Juli 2009 sagten wir uns: Dann lasst die Verwaltung prüfen, vielleicht sind die damals noch befürchteten Nachteile der CSU-Planung gar nicht so gravierend, wie wir sie vermuten. Im Juni 2010 wussten wir: sie sind sogar noch viel schlimmer, als wir vermutet hatten; und es gab bereits Bestrebungen zu einem neuen Bürgerbegehren gegen die CSU-Planungen. Deshalb waren wir uns mit großer Mehrheit einig, – ich meine, in der Probeabstimmung gab es nur zwei Gegenstimmen – dass wir bei einer Ablehnung unseres Vorschlags die jetzige Planung ablehnen. Sie bringt uns dem Bahnhof nicht näher sondern nach Adam Riese sogar noch weiter davon weg. Sieghard Schramm war bei unserer internen Probeabstimmung nicht dabei und wollte meine letzte Einschätzung nicht teilen. Dies respektiere ich. Inhaltlich sind wir aber sehr sehr nahe beieinander.

DAZ: Wenn Sie sagen, dass der aktuelle Plan des Königsplatzumbaus zu viel Gegnerschaft produziere und dabei die Interessen der Einzelhändler anführen, dann drängt sich doch die Frage auf, was die Einzelhändler wollen. Der „Wengert-Kö“ präferierte doch sehr den ÖNPV gegenüber dem Individualverkehr (IV). Sind Sie sicher, dass die Einzelhändler nicht auch gegen die Regenbogen-Mobilitätsdrehscheibe opponiert hätten?

„Ich habe mich da überhaupt nicht schlagen lassen; wir sind schlichtweg in der Minderheit“

"Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Variante kostengünstiger wäre"

"Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Variante kostengünstiger wäre"


Kiefer: Erstens war der Individualverkehr beim Wengert-Kö nahezu unberührt – ganz anders als jetzt, wo er drastisch reduziert werden muss, damit die Trams und der IV überhaupt vorankommen. Ob das funktioniert, glauben so richtig nur die Gutachter, die die Planung erarbeitet haben. Zweites bin ich mir sicher, dass die Einzelhändler – und nicht nur die – wenn sie die Wahl hätten zwischen „Wengert-Kö“ und „Gribl-Kö“ den „Wengert-Kö“ vorziehen würden. Solche Stimmen von Einzelhändlern habe ich auch schon gehört. Mag sein, dass die Einzelhändler mehr auf das Auto als Kundenbringer setzen als andere; deshalb waren sie für die Werbung der CSU aus dem Jahr 2007 für die autogerechte Stadt auch aufgeschlossen. Offiziell war aber sogar damals der Einzelhandelsverband für den „Wengert-Kö“. Allein die Baustellentätigkeit wäre nach dieser Planung auf wenige Wochen beschränkt gewesen anstelle einer Baustellendauer von 2 Jahren nach der Gribl-Planung.

DAZ: Der Bypass wurde von der Verwaltung damit gekontert, dass damit eine Verschlechterung des Ergebnisses der Standardisierten Bewertung einhergehen würde. Aber der sogenannte „Mitfall“, also der Endzustand der Mobilitätsdrehscheibe, der im übrigen erst nach Fertigstellung des Hauptbahnhofs eintreten würde, wäre doch beim SPD-Bypass der selbe wie bei der Verwaltungslösung. Haben Sie sich hier nicht unter Wert schlagen lassen?

Kiefer: Ich habe mich da überhaupt nicht schlagen lassen; wir sind schlichtweg in der Minderheit und können daher nicht durchsetzen, das aus unserer Sicht Notwendige und Vernünftige für die Stadt zu tun. Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Variante kostengünstiger wäre und daher auch die standardisierte Bewertung besser wäre als bei der CSU-Planung beziehungsweise beim „Gribl-Kö“, um Ihre Worte zu verwenden.

DAZ: Wenn es nun im Herbst zum in der Luft liegenden Ratsbegehren kommen sollte – und dazu wird es nach unserer Einschätzung kommen – dann haben Sie doch ein Problem. Gehen wir mal davon aus, dass bis dahin der SPD-Vorschlag und der Schafitel-Vorschlag endgültig unter den Tisch gefallen sind. Dann heißt es: Mobilitätsdrehscheibe oder Tunnel? Dann müsste es zum Schwur kommen. Die Augsburger SPD kann sich doch bei dieser epochemachenden Situation nicht heraushalten und gleichgültig zusehen was passiert. Der Tunnel würde doch nicht nur die CSU und die Stadtregierung zerschießen, sondern auch die Mobilitätsdrehscheibe, für die die SPD unter Wengert noch so gekämpft hat. Schafitel, Schönberg und Freunde haben sich für diesen Fall bereits jetzt deutlich für den Tunnel positioniert. Was macht in diesem Fall die SPD?

Kiefer: Nicht die SPD hat dann ein Problem, sondern die ganze Stadt, weil sie weiter auf den Bahnhofsumbau wartet. Die größten Probleme hat die CSU, die sich 2007 auf Kosten der Stadt verzockt hat. Sie hat vor 3 Jahren die Bürgerschaft mit der Werbung für die autogerechte Stadt auf den Plan gerufen um eine umsetzungsreife Planung zu verhindern; Zeit spielte angeblich keine Rolle. Nun sagt sie genau das Gegenteil. Da wird es schwierig den Bürgern zu erklären, dass ein Tunnel schadet und die Zeit knapp ist. Das kann auch die SPD nicht ändern, wenn hier viel Glaubwürdigkeit der Politik durch die CSU verspielt wurde.

Wir werden sehen, was kommt, der Ball liegt jedenfalls ganz klar beim Verursacher des Problems, dem OB und der CSU. Die SPD kann jedenfalls nicht die CSU-Planung wider besseres Wissen hochjubeln, weil eine andere Planung ebenso den Bahnhofsumbau gefährdet. Der Bahnhofsumbau braucht keinen autofreien Kö, er braucht nur Baurecht am Kö mit einer vernünftigen standardisierten Bewertung und so schnell wie möglich.

DAZ: Die Grünen haben – mit einigen Einwänden und Forderungen der Verwaltungsplanung zugestimmt. Ihr ehemaliger Koalitionspartner und Mitstreiter für die Mobilitätsdrehscheibe sieht jedenfalls in der jetzigen Planung auch eine große Chance für Augsburg. Außerdem wollen sie die Fördermittel für den Fortgang des Bahnhofsumbau nicht gefährden. Offensichtlich folgt ihrer Argumentation auch nicht ihr ehemaliger Partner. Herr Kiefer, noch ein Mal und konkret: Falls es zum Ratsbegehren kommen sollte, müssten Sie sich in dieser zugespitzten Situation nicht dann doch für die Verwaltungsplanung stark machen?

„Würde die SPD ein Ratsbegehren gegen den Tunnel unterstützen?“

Kiefer: Finden Sie nicht, dass Sie hier Ursache und Wirkung verdrehen? Die Tunnelidee wendet sich doch zu einem Gutteil wegen der gleichen Folgewirkungen gegen die jetzige Planung die wir auch sehen, allerdings ohne der Forderung nach einem Tunnel. Meine Fraktion wartet auf die Würdigung unseres Vorschlags, wie auch viele Menschen und Institutionen in dieser Stadt. Der Zug ist noch lange nicht abgefahren.

DAZ: Herr Kiefer, bei allem Respekt: Der Regenbogen hat einen Bürgerentscheid gegen den schnellen Bau des Wengert-Kö verloren. Die SPD hat im Kommunalwahlkampf – vermutlich auch deshalb – schwer Federn gelassen. Jetzt haben wir eine andere Regierung. Auch wenn es bei der CSU wegen der Verwaltungsplanung knirscht. Im konservativen Lager spielt ihr Vorschlag keine Rolle. Selbst wenn er inhaltlich als gut eingestuft werden sollte. Politisch kann die CSU die alte Planung nicht mehr hochleben lassen. Die Grünen konnten Sie mit dieser Idee auch nicht eintüten. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ihr Vorschlag, der so nah an der alten Regenbogenplanung andockt, politisch eine Chance hat. Beantworten Sie nun unsere Frage, ob die SPD ein mögliches Ratsbegehren gegen die Tunnel-Freunde unterstützen würde?

Kö-Bürgerentscheid: "76% der Wahlberechtigten war die Sache suspekt"

Kö-Bürgerentscheid 2007: "76% der Wahlberechtigten war die Sache suspekt"


Kiefer: Vorweg: Kommen Sie mir wegen der jetzigen Überlegungen, welche Lösung die beste ist oder vernünftigerweise umgesetzt werden müsste, nicht mit dem Ergebnis des Bürgerentscheids von 2007. Ich bin mir sicher: die SPD hat den Bürgerentscheid 2007 deshalb verloren, weil die CSU Teile der Bürgerschaft damals mit falschen und dummen Phrasen geködert hat. Im Ergebnis waren ca. 13% der Wähler der Meinung, dass erst ein Ideenwettbewerb durchgeführt werden muss, ehe der Kö umgebaut werden darf, 11% wollten die damalige Planung gleich umgesetzt wissen; 76% der Wahlberechtigten war die Sache suspekt, weil sie nicht wussten, wem sie Glauben schenken sollten. Wenn Sie bei den 13% Befürwortern des Wettbewerbs diejenigen berücksichtigen, die wegen der von der CSU versprochene Vierspurigkeit in Hochzoll – und dort war die mit Abstand größte Wahlbeteiligung – gegen die Planungen waren, die, die der CSU glaubten, dass der Kö ohne Gefahr für die Fördermittel bereits ein Jahr später fertig sei und dann noch die getäuschten Baumschützer („Bäume statt Pflaster“) und Tunnelbefürworter („Tunnel statt Chaos“), bleibt nicht mehr viel übrig. Bei Kenntnis der jetzigen Umstände wäre der Bürgerentscheid garantiert anders ausgefallen als damals.

DAZ: Ihre Einschätzung in Ehren, aber wie steht es nun mit der Beantwortung unserer Frage?

Kiefer: Die SPD kann sich nach meinem Dafürhalten mühelos gegen ein Tunnelbegehren aussprechen, sie muss sich da inhaltlich nicht verdrehen. Mit welchem personellen und organisatorischen Einsatz sie das tut, hängt von den möglichen Alternativen bei einem Ratsbegehren ab. Da fällt es mir aus den benannten Gründen schwer, den Menschen die Verwaltungslösung zu empfehlen, weil wir sie jetzt nicht umsetzen würden. Eines ist aber klar: was bei einem Bürgerentscheid oder einem Ratsbegehren unsererseits unternommen werden muss, müssen wir erst in unseren Gremien beraten. Das Ergebnis hängt entscheidend davon ab, was die Mehrheit im Stadtrat bietet. Ich meine, wenn die CSU eine breite Unterstützerfront gewinnen will, muss sie uns auch inhaltlich entgegen kommen.

DAZ: Eine andere Dauerbaustelle ist das Stadttheater geworden. Auch dort knirscht es an allen Ecken und Enden. Manchmal vermittelt Frau Votteler den Eindruck, Leib und Leben der Kunstschaffenden im Theater sei in Gefahr. Man müsse sich sorgen, dass irgendeine Behörde das Theater schließe. Peter Grab hat im Grunde alle Vorgängerregierungen dafür verantwortlich gemacht, indem er den Bauunterhalt der fürs Theater in den letzten Jahrzehnten nötig gewesen wäre, als viel zu niedrig eingestuft hat. Im aktuellen Wirtschaftsplan des Stadttheaters stehen für den Bauunterhalt zirka 1,2 Millionen Euro pro Jahr. Das hat Grab im Stadtrat mit den Stimmen der SPD gegen den Widerspruch von Finanzreferent Weber durchgesetzt. All die Jahre vorher betrug die Bauunterhaltsumme 200.000 Euro. Auch in der Regenbogenära. Haben Sie sich da etwas vorzuwerfen?

„Wir halten das Drei-Sparten-Haus als Leuchtturm für diese Stadt für unverzichtbar“

"Es geht noch heller": Theater-Spielplan 2010/11

"Es geht noch heller": Theater-Spielplan 2010/11


Kiefer: Ich weiß, dass jedenfalls der Regenbogen mit den geringen zur Verfügung stehenden Mitteln sehr gewissenhaft umgegangen ist. Die damaligen Beschlüsse zum Stadttheater kenne ich nur ansatzweise, weil ich damals weder Fraktionsvorsitzender noch Kulturausschussmitglied war. Ich weiß aber noch gut, dass wir damals mit der Theatersanierung begonnen haben, es ging um die Unterbodenmaschinerie und die Außenfassade; Millionen wurden investiert – zusätzlich zum niedrigen Bauunterhalt. Genauso wollte CSU-Weber auch weiterhin vorgehen. 2009 wäre der Bühnenturm an der Reihe gewesen, aber den hat bereits der Kulturreferent selbst mit seiner Mehrheit verschieben lassen, nicht der Regenbogen oder die SPD. Es überrascht mich immer wieder, dass der Kulturreferent sich nicht bereits vor Amtsantritt Gedanken über den Zustand der städtischen Gebäude gemacht hat. Leider muss die Stadt jetzt diese Wissenslücken büßen.

DAZ: Dafür, dass jetzt saniert werden muss, kann man den Kulturreferenten aber nicht schelten.

Kiefer: Dafür dass der Kulturreferent etwas unternimmt, werden wir ihn nie schelten; wenn er es nur täte; bei der Ersatzspielstätte zum Beispiel habe ich den Eindruck, dass ihn da eher andere tragen müssen.

DAZ: Na ja, sagen wir mal, dass der Kulturreferent am Anfang sehr zurückhaltend öffentlich kommuniziert hat. Im Grunde war er aber immer für den Container. Nicht zuletzt deshalb, weil sich Grab und Pro Augsburg schnell und deutlich auf den Container festgelegt haben, hat Karl Heinz Englet die Fraktion verlassen. Aber lassen Sie uns doch über die SPD sprechen. Ist die SPD ohne Wenn und Aber für ein Drei-Sparten-Haus?

Kiefer: Wir halten das Drei-Sparten-Haus als Leuchtturm für diese Stadt und Region für unverzichtbar. Wenn Augsburg ausstrahlen will ins Umland und überregional auffallen will, dann wird dies in erster Linie nur über die Kultur erfolgen, die sich besser planen lässt als sportliche Erfolge, die momentan auch ein guter Werbeträger für Augsburg sind.

DAZ: Wann waren Sie eigentlich zuletzt im Stadttheater?

Kiefer: Im Stadttheater war ich heuer dreimal, daneben auf der auswärtigen Aufführung der „Weber von Augsburg“ und zuletzt am 11. Juli in der Komödie, der dortigen letzten Vorstellung. Ich bin ein absoluter Theaterliebhaber und lese auch mal gern ein Theaterstück, bin aber aus familiären Gründen – drei Schulkinder – noch nicht so oft in der Lage, mit meiner Frau ins Theater zu gehen, wie wir uns das wünschen.

„Es ist doch gut, wenn sich SPD und CSU darüber einig sind, welche Rolle der Theaterbetrieb für die Stadt hat“

DAZ: Ohne jetzt über den Sinn und die Notwendigkeit eines Drei-Sparten-Theaters diskutieren zu wollen. Das Stadttheater belastet den Haushalt mit 13,5 Millionen Euro jährlich. Zirka 4 Millionen Euro soll die neue Interimsspielstätte kosten. Zirka 100 Millionen Euro sind für die Gesamtsanierung, Abriss, Neubau veranschlagt. Damit kann man ganze Stadtviertel sanieren. Dort, wo der Interimsspielstätten-Container stehen soll, soll später das neue Schauspielhaus gebaut werden. „Die Stadt ist sich ihrer Verantwortung für die Spielstätten wohl bewusst und wird sich dieser Herausforderung stellen“, wurde OB Gribl in einer städtischen Pressemitteilung zitiert. Priorität habe dabei die Realisierung der Interimsspielstätte. Die SPD ist in dieser Angelegenheit gänzlich auf Linie der Rathausregierung?

Kiefer: Auf der Linie der Rathausregierung und des federführenden Theaterbetriebs, möchte ich sagen. Aber es ist doch gut, wenn sich SPD und CSU darüber einig sind, welche Rolle der Theaterbetrieb für die Stadt hat. Ich denke da aber auch an die Musik, die Akteure die in dieser Stadt leben und ausstrahlen. – Wenn eine Kommune wie Augsburg kein Theater mehr stemmen kann, dann wird es sehr trübe um unsere Kulturlandschaft. Dieses Genre war immer auf Subvention angewiesen, früher der Höfe, heutzutage der demokratischen Gesellschaft. Ich kann mir zwar gut vorstellen, dass sich Theater inhaltlich wandelt und weiß, dass neben einem Schauspieltheater auch andere Bühnen wie zum Beispiel das „S’Ensemble“ zur kulturellen Vielfalt einer Großstadt beitragen, aber verzichten würde ich auf unser Theater nicht. Ich meine, das dürfen wir auch nicht.

DAZ: Herr Kiefer, vielen Dank für das Gespräch.