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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Das Theater muss aufpassen, dass es nicht mit der kleinen Oberschicht des traditionellen Bürgertums zusammen ausstirbt“

Meinhard Motzko im DAZ-Interview über die Zukunft des Theaters



Meinhard Motzko ist Sozialwissenschaftler, lebt in Bremen und begleitet seit 1985 öffentliche Einrichtungen bei der Konzept- und Organisationsentwicklung. Ein Schwerpunkt seiner Aktivitäten ist die interkulturelle Ausrichtung von Kultureinrichtungen aller Art. Einzelne Projekte führten ihn neben dem gesamten deutschsprachigen Bereich bis in die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, Zentralasien und China. Motzko hat große Erfahrung bezüglich Zielvorgaben im subventionierten Theaterbereich. „Eine schonungslose Analyse der Einnahmenseite und der Kostentreiber“, so Meinhard Motzko auf die Frage, was zuerst geschehen müsse, damit das Augsburger Stadttheater innerhalb seines Budgetrahmens zu wirtschaften in der Lage ist. Das gekürzte Interview erscheint mit der heutigen Ausgabe aus aktuellem Anlass zum zweiten Mal.

DAZ: Herr Motzko, was würden Sie zuerst tun, wenn Sie von der Stadt Augsburg den Auftrag bekämen, das städtische Theater dazu zu bringen, im Rahmen seines Budgets zu bleiben?

Meinhard Motzko (Foto: praxisinstitut.de)

Meinhard Motzko (Foto: praxisinstitut.de)


Motzko: Ohne den Einblick in die Hintergründe der Kostensituation des Theaters kann ich da nur relativ allgemein antworten: Als Erstes muss sicher ein „Kassensturz“ her. Damit meine ich nicht die „Kasse“ als solches, sondern eine schonungslose Analyse der Einnahmeseite und der Kostentreiber. Wenn zirka 17 Millionen Euro für das Personal aufgewendet werden und „nur“ ca. 2 Millionen Euro für die Inszenierungen und den Spielbetrieb, frage ich mich schon, ob da nicht ein „öffentlicher Beamtenbetrieb“ entstanden ist. Mit allen Folgen für die Kostenentwicklung, die wir aus diversen Verwaltungen kennen. Unabhängig von den Gründen für diese sicherlich langjährige Entwicklung könnte man ja mal überlegen, die Organisationsform des Theaters zu überdenken.

DAZ: Klingt ein bisschen sehr allgemein. Das Stadttheater Augsburg ist ein städtischer Eigenbetrieb, dessen Rahmenbedingungen quer durch den Stadtrat noch als unantastbar gelten.

Motzko: Ich kenne die formale Konstruktion des „Eigenbetriebs“ der Stadt Augsburg zu wenig, aber ich habe die Vermutung, dass hier Rahmenbedingungen gelten, die das Theater beispielsweise an Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, unflexiblen Arbeitszeitregelungen und vermutlich auch teure Altersteilzeitregelungen binden, die einem innovativen Kulturbetrieb entgegenstehen.

DAZ: Das ist wohl die Realität, die vom Personalrat verteidigt und wie ein wertvoller Schatz gehütet wird.

Motzko: Mag sein, aber nach meiner Kenntnis gehören die Schauspieler an Theatern oft zu den am schlechtesten bezahlten Personen mit den am schlechtesten abgesicherten Verträgen.

DAZ: Damit liegen Sie wohl auch richtig.

Schlechter gestellt als das Backline-Personal? Schauspielerinnen Olga Nasfeter, Judith Bohle, Sarah Bonitz.

Schlechter gestellt als das Backline-Personal? Schauspielerinnen Olga Nasfeter, Judith Bohle, Sarah Bonitz.


Motzko: Das kann doch nicht sein: Die Garanten der künstlerischen Ausdrucksformen werden schlechter gestellt als das „Backline-Personal“. Ich kenne kaum ein Theater, das nicht über diese unflexiblen Zwänge, vor allem für das „Backline-Personal“ stöhnt. Vielleicht muss man das Theater erst mal aus diesem Korsett befreien und dann mit einem Festbetragszuschuss ausstatten, mit dem das Theater dann auch auskommen muss. Das kann das Theater aber sicher nur, wenn es bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen mehr Freiheit erhält.

DAZ: Können Sie das konkretisieren?

Motzko: Das könnte die Auslagerung ganzer Bereiche sein, der „Einkauf“ von Fremdleistungen bis hin zu ganzen Produktionen und vor allem eine andere interne Organisation der Betriebsabläufe. Wenn eine Produktion geplant wird, muss man der Dramaturgie und der Regie vor Beginn der jeweiligen Produktion sagen können, wie viele Stunden Licht, Bühnentechnik, Requiste, usw. für die jeweilige Produktion zur Verfügung stehen.

„Film ist auch Kunst“

DAZ: Wie beim Film. Dagegen wird jede Intendanz Sturm laufen und die Freiheit der Kunst voranstellen.

Motzko: Film ist auch Kunst. Und das Theater sollte auch mit einem wöchentlichen Controlling klarkommen, solange es vom Steuerzahler finanziert wird. Wer dann mit der kalkulierten Zeit nicht auskommt, wird vom Spielplan genommen. Das passiert dann vielleicht ein oder zwei Mal, dann wird das eine „erzieherische Wirkung“ haben. Das geht heute sogar in Theatern computergestützt. Fragen Sie mal im größten Haus in NRW nach, dem Schauspielhaus Düsseldorf. Dort steuert der geschäftsführende Direktor Manfred Weber, ein Mann mit umfangreicher Dramaturgie- und Intendanz-Erfahrung, nach solchen Grundsätzen das Personaleinsatzmanagement in seinem Haus.

DAZ: Das hört sich sehr betriebswirtschaftlich an. Wie würden Sie vorgehen, wenn Sie den Auftrag erhielten, die Zukunft des Augsburger Theaters langfristig zu sichern?

Motzko: Das ist zu allgemein gefragt. Einen solchen Auftrag kann es nicht geben. Was ist „langfristige Zukunft“?

Ein jüngeres Publikum für's Theater?  Mitglieder der Linksjugend demonstrierten für niedrigere Eintrittspreise

Ein jüngeres Publikum für's Theater? Mitglieder der Linksjugend demonstrierten im Juli 2012 für niedrigere Eintrittspreise


DAZ: Ein neues Publikum. Ein jüngeres Publikum fürs Theater begeistern und gewinnen. Aber gut, ich formuliere die Frage anders: Was muss die Stadt Augsburg Ihrer Ansicht nach tun, um den Fortbestand ihres Theaters langfristig zu sichern?

Motzko: Die Stadt als Träger muss Zielvorstellungen entwickeln, in welcher Weise das Theater die Stadtentwicklung mit befördern kann. Das Theater braucht einen Auftrag. Es gibt kaum einen anderen öffentlichen Förderbereich, der so wenig inhaltlich wie kostenmäßig gesteuert wird wie Theater, Opern und Musikhäuser aller Art. Zur Definition eines solchen Auftrags muss es eine breite gesellschaftliche Diskussion in der Stadt geben, an der neben den künstlerischen Einrichtungen auch die Stadtplanung, der Bildungs- und Sozialbereich, die Arbeitsmarktpolitik, undsoweiter beteiligt wird. Und natürlich die breite Bürgerschaft der Stadt, auch wenn die meistens nicht organisiert ist.

„Theater muss die Zukunft einer Stadt thematisieren“

DAZ: Wer soll diesen Diskurs, diese Debatte befeuern und führen? Die Politik?

Motzko: Auch. Aber das Theater muss damit anfangen, was zu selten geschieht. Wenn ein Theater in ständigem Dialog wenigstens mit den größten Bevölkerungsgruppen verankert ist, wird es bestimmt immer kontroverse Diskussionen über die jeweiligen künstlerischen Ausdrucksformen geben, aber nicht eine Diskussion über die Existenz eines Theaters. Theater muss die Zukunft einer Stadt thematisieren, Visionen von den Formen des Zusammenlebens und der Organisation ziviler Formen des urbanen Lebens.

DAZ: Das Theater müsste sich demnach auch selbst zum Thema machen, sich selbst hinterfragen?

Motzko: Selbstverständlich gehört es auch dazu, dass das Theater selbst Interesse daran haben muss, die Struktur seiner Verankerung ständig zu überprüfen. Dazu gehört, zu allererst die Struktur des eigenen Publikums zu kennen und mit der Bevölkerungsstruktur im Einzugsgebiet der Stadt zu spiegeln.

DAZ: Das Theater soll sich Gedanken zu seinem Referenzrahmen machen?

Motzko: Natürlich! Jedes Theater muss einen „Referenzrahmen“ bestimmen. Ich nenne das einfacher „Einzugsgebiet“. Das muss man kennen und sich darauf beziehen. Leider ist es vielen Theatern wichtiger, im Feuilleton großer überregionaler Zeitungen oder in der Theater-Fachöffentlichkeit besprochen zu werden. Da kann ich aber auch beruhigen: Wer einen solchen Weg geht, wird auch in der Theaterwelt eine große Aufmerksamkeit genießen. Die Neugier ist überall groß, wie man es schafft, gerade die Bevölkerungsgruppen zu erreichen, für die Theater immer fremd geblieben ist.

„Vor allem aber fehlt eine Auftrags- und Zieldefinition!“

DAZ: „Es kann nicht sein, dass 100% der Bevölkerung öffentliche Einrichtungen finanzieren, die dann nur von einem Bruchteil genutzt werden. Kultureinrichtungen müssen auch Beiträge zu Problemlösungen erbringen. Sie müssen die Menschen mit anderen kulturellen Wurzeln, Hoffnungen und Ausdrucksformen erreichen und einbeziehen. Und wenn sie sich auf einzelne Zielgruppen beschränken wollen, einverstanden, aber dann muss das mit der örtlichen Politik auch öffentlich abgestimmt werden.“  Sie bezogen sich dabei auf die Stadtbücherei. Gilt das auch für das Theater?



Motzko: Ja, selbstverständlich. Das gilt für alle Bereiche, die mit öffentlichen Steuermitteln aller Bürger finanziert werden. Warum beansprucht die Kultur hier eine besondere Rolle? Die meisten Kultureinrichtungen müssen ja noch nicht einmal die Struktur ihres Publikums für den Geschäftsbericht offenlegen. Wenn die allgemeine Auslastung einigermaßen erreicht wird, reicht das meist schon. Selbst wenn sie mit dem zugewiesen Geld nicht auskommen wird nachfinanziert. Das ist ein Skandal.

DAZ: In Augsburg ist das Normalität. Langsam findet aber auch hier ein Umdenkungsprozess statt.

Motzko: Vor allem aber fehlt eine Auftrags- und Zieldefinition!

DAZ: Ist es nicht zu gefährlich, wenn sich die lokale Kulturpolitik, die in Augsburg bestenfalls konservative „Visionen“ pflegt, der Intendanz in den Spielplan reinreden darf? Wie halten Sie es mit der Freiheit der Kunst und bitte: Erklären Sie uns Ihre Vorstellung von „Auftrags- und Zieldefinition“.



„Zieh die Hosen an!“ Toomas Täht als Gefängniswärter Frosch in "Die Fledermaus" erntete empörte Zwischenrufe.

„Zieh die Hosen an!“ Toomas Täht als Gefängniswärter Frosch in "Die Fledermaus" erntete empörte Zwischenrufe.


Motzko: Die Freiheit der Kunst bezieht sich auf die künstlerischen Ausdrucksformen, kreativen Methoden und Umsetzungsformen. Das muss die Profession der Kunst- und Kultureinrichtungen bleiben. Da will ich gar nicht das „Mitreden“ anderer. Wenn überhaupt, passiert aber genau das, wenn eine Inszenierung den bürgerlichen Anstand – was immer das ist – verletzt. Dann gibt es Protest. Wenn Schauspieler nackt über die Bühne flitzen oder ein Schwein auf der Bühne geschlachtet wird, ist die Empörung groß. Wenn ein Theater aber nur 3% der Bevölkerung erreicht, scheint das niemanden zu stören. Darum geht es nicht nur mir, sondern zunehmend mehr Häusern: Es müssen Zielvorgaben zur Struktur des Publikums her und das Theater muss sich in die großen Diskussion der Zukunft der Städte unter den Bedingungen des demografischen Wandels einklinken. Und das Theater hat Aufgaben in der kulturellen Bildung zu erfüllen. Diese genauer zu definieren und in Kooperation mit anderen Einrichtungen der Bildungs- Sozial- und Arbeitsmarktpolitik vor Ort umzusetzen, das kann ich als ideeller Steuerzahler und so gesehen als „Eigentümer“ von Kunst- und Kultureinrichtungen schon verlangen. Mit welchen künstlerischen Ausdrucksformen das Theater dann agiert und experimentiert, da mische ich mich nicht ein. Das ist die „Freiheit der Kunst“.

DAZ: Geben Sie bitte unseren Lesern ein konkretes Beispiel!?

Motzko: Das Schauspielhaus Bochum verpflichtet seine Schauspieler, einen bestimmten Teil ihrer Arbeitszeit mit Produktionen der Bürger vor Ort – meist schwierige Jugendliche – in den Stadtteilen zu verbringen. Wer das dann nicht will, muss eben woanders hingehen.

„Ob das Theater ein Drei-Sparten-Haus unbedingt braucht, überlasse ich dem Theater.“

DAZ: Mal abgesehen von der Frage, ob das den Jugendlichen in Bochum wirklich weiter hilft: Taugt das Theater als förderfähige Kunst in Ihrem Sinne überhaupt noch? Besser gefragt: Kann ein Drei-Sparten-Haus mit Ballett, Oper und Schauspiel im Global-Village und dessen Entsprechung im Web die Interessen und Probleme einer vielkulturellen Stadtgesellschaft abbilden?

Motzko: Ob das Theater ein Drei-Sparten-Haus unbedingt braucht, überlasse ich dem Theater. Das gehört in die Freiheit der künstlerischen Ausdrucksformen. Ich habe da persönlich manche Zweifel, vor allem wenn ich die rasante Ausbreitung von Online-Formen der Kunst und Kultur in den Blick nehme. Aber das überlasse ich der „Freiheit der Kunst“. Das Theater kann aus meiner Sicht aber nicht argumentieren, dass es nun mal keine Alternativen dazu gibt. Natürlich geht es auch mit einer Sparte. Und eigentlich ist die vierte Sparte, die „virtuelle Welt“ längst unverzichtbar geworden. Tanz, Musik und Schauspiel sind traditionell bewährte Formen der künstlerischen Ausdrucksformen. Das muss aber nicht heißen, dass es immer so bleiben muss. Unabhängig davon ließe sich das einzeln auch alles einkaufen. Und warum wird eine Theaterproduktion in Augsburg eigentlich nicht „live“ im Internet übertragen?

DAZ: Weil sich das Theater darum nicht kümmert. Glauben Sie wirklich, dass man damit ein anderes Milieu für das Theater gewinnen könnte?





Motzko: Man soll nicht glauben, dass die bisher nicht erreichten Milieus nur darauf warten, ins Theater eingeladen zu werden und dann auch gleich Abonnenten werden. Das braucht einen langen Atem und verlässliche und ernst gemeinte Programmanteile. Aber warum soll es nicht möglich sein, für die neuen Milieus feste Programmplätze einzurichten, die sich dann mit dem bisherigen „Premierenpublikum“ beziehungsweise den jetzigen Abonnenten nicht ins Gehege kommen.

DAZ: Entschuldigung! „Feste Programmplätze“, die sich mit dem „Premierenpublikum“ nicht ins Gehege kommen? Das verstehe ich nicht.

Motzko: Freitags oder samstags ab 0:00 Uhr. Aber regelmäßig! Und langfristig könnte sich das mischen, dann wäre das Aussterben des jetzigen Abonnentenpublikums auch keine so große Gefahr mehr. Die Rentner von morgen sind die 68er Generationen, die „APO-Opas“. Da steht sowieso eine Revolution in den Rentnergenerationen an.

DAZ: Sie arbeiten also darauf hin, dass Sie, wenn Sie in Rente gehen, ein Theater vorfinden, in das Sie auch gehen könnten?



Motzko (lacht): Mit den angesprochenen festen Programmplätzen gäbe es Zeitfenster und Programmprofile, die bisher sowieso nicht genutzt werden. Das dürfte niemanden der „Alteingesessenen“ stören, es gäbe milieuspezifische Angebote, die Auslastung steigt und man könnte gegenseitig voneinander lernen und gegenseitig „Frequenzbringer“ sein. Aber ich höre schon die Bedenken: „Unsere Techniker und Hausmeister sind dann im Urlaub“… „Die Versicherungsfragen sind nicht geklärt“ … „Was passiert, wenn was kaputt geht?“ – Das sind alles Killerphrasen. Wer das wirklich will, wird zu jeder Einzelfrage Lösungen finden.

DAZ: Gibt es das bereits irgendwo?

Motzko: Ich kenne kein Beispiel. Hochkultur und Breitenkultur bauen und zementieren – manchmal auch gegenseitig – Demarkationslinien. Warum nicht in Augsburg mit einem neuen Theater neu beginnen?

„Vergnügungsgärtlein einer kleinen Oberschicht“

DAZ: Ich denke, dass für ein dergestalt aufregendes Stadttheater unser kleines Städtchen eben zu klein ist, München zu nah und das Umland zu lahm. Das Augsburger Stadttheater war und ist ein „Vergnügungsgärtlein“ für eine bildungsorientierte Schicht. Daran ändern im Großen und Ganzen diverse Ausreißer wie „Die Weber“ oder „Rap for Peace“ wenig. Aber: Ist es denn so falsch, das zu pflegen und fortzuführen, was in einer globalisierten und beschleunigten Welt sonst möglicherweise verschwinden würde?

"Warum nicht in Augsburg mit einem neuen Theater neu beginnen?"

"Warum nicht in Augsburg mit einem neuen Theater neu beginnen?"


Motzko: Das eine schließt das andere nicht aus. Das „Vergnügungsgärtlein“ einer kleinen Oberschicht dominiert leider mit großem Abstand die Spielpläne der Theater. Da geht es dann fast immer um die gleiche Botschaft: „Geld allein macht nicht glücklich“. „Aber es beruhigt ungemein“, sagt dann der Volksmund, der nicht genug hat. Und meidet das Theater. Das Theater muss aufpassen, dass es nicht mit der kleinen Oberschicht des traditionellen Bürgertums zusammen ausstirbt wenn es ihm nicht gelingt, breitere Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Dazu gehört neben den Stücken selbst vor allem eine andere Aura des gesamten Theaterbetriebs: Weg von der Sekt- und Champagnerkultur mit weißen Tischdeckchen hin zu den vielfältigen Alltagskulturen der Bevölkerung. Eine Sanierung des Theaters ist dazu eine einmalige Gelegenheit. Man muss das nur wollen.

DAZ: Sie sind ein Fan von Shermin Langhoff ?

Motzko: Ich kann da meine Hoffnung nur stichwortartig ausdrücken – und die ist natürlich auch mit der Person Shermin Langhoff bestimmt begründet:

• Es werden neue Stücke in den Spielplan aufgenommen, die thematisch und von den künstlerischen Ausdrucksformen her die heutige (und visionär zukünftig mögliche) Alltagskultur in den Blick nimmt und Visionen einer zukünftigen Stadtgesellschaft thematisiert.

• Die Struktur des erreichten Publikums wird systematisch analysiert und für die strategische Entwicklung des Theaters ausgewertet.

• Die „Aura“ des gesamten Theaters wird der neuen Ausrichtung angepasst von der Garderobe über das Catering bis hin zu den Vorverkaufsstellen, der Kasse, den Vertriebswegen, der Öffentlichkeitsarbeit und vor allem dem Personal.

• Das Theater kooperiert systematisch mit Einrichtungen der Stadtgesellschaft, organisiert entsprechende Diskurse und übernimmt eigene Aufgaben in der kulturellen Bildung,

• und es kommt mit dem zur Verfügung stehenden Etat klar.

DAZ: Herr Motzko, vielen Dank für das Gespräch.

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Fragen: Siegfried Zagler