Das Stadttheater-Ensemble zieht ins Grandhotel
Am Samstag eine „theatrale Installation“ im Rahmen des Friedensfestes
Von Frank Heindl
Schauspieler des Stadttheaters machen sich selbständig: Am kommenden Samstag präsentiert ein Großteil der Ensemblemitglieder im Rahmen des Friedensfestes ein „Stationentheater“ im „Grandhotel Cosmopolis“. Auf Initiative der Schauspielerin Judith Bohle haben sich auch Regieassistenten und Dramaturgen zu diesem „Theater außerhalb des Theaters“ zusammengefunden – aus Engagement für das Grandhotel und seine Bewohner, aber auch aus Interesse für die Stadt, in der sie leben.
Wer in diesen Tagen mit Judith Bohle spricht, den springt die Begeisterung förmlich an: Die 28-jährige Schauspielerin hat in den vergangenen Wochen noch härter als sonst gearbeitet – wie alle anderen am Projekt Beteiligten auch. Neben dem regulären Probenprogramm am Stadttheater haben sie ein Stück kreiert, das, so Dramaturg Tobias Vogt, „alles andere als perfekt sein soll.“ Das Ergebnis wird ein „Stationentheater“ sein, eine „theatrale Rauminstallation“, durch die am kommenden Samstagabend das Publikum „geschleust“ werden soll – und einen Teil dessen erleben und erfahren, was die Theaterleute sich in den vergangenen Wochen erarbeitet haben.
Denn leicht haben sie sich ihr Engagement für die alternative Flüchtlings- und Künstlerunterkunft im Springergässchen nicht gemacht: Sie haben sich Vorträge angehört (zum Beispiel beim Flüchtlingsverein „Tür an Tür“), haben mit Bewohnern – Flüchtlingen und Künstlern – gesprochen, mit den Initiatoren des Grandhotels, die ihr Experiment im Herzen der Stadt als eine „soziale Skulptur“ sehen, aber auch mit ehemaligen Bewohnern des Altenheims der Diakonie. Von diesen Gesprächen und Recherchen wird im Stück vieles zu spüren sein – wenngleich Dramaturg Vogt den Abend auf keinen Fall als „Doku-Projekt“ verstanden sehen will. Dazu hätte zum Einen die Vorbereitungszeit nicht gereicht, zum Anderen gehe es darum, in den zehn bespielten Zimmern eben nicht ein Stück „aus einem Guss“ zu zeigen, sondern verschiedene Ansätze und persönliche Annäherungen an ein komplexes Thema zwischen Stadtkultur, globaler Politik und individuellen Schicksalen. Was genau dabei herauskomme, das vermochte Tobias Vogt noch am vergangenen Samstag nicht zu sagen: „Wir sind ja an vielen Stellen auch selbst noch gespannt.“ Eine „Versuchsanordnung“ nennt Judith Bohle das Projekt, in der es auch darum gehe, auf Missstände zu deuten, „aber nicht mit dem moralischen Finger.“
Viel Stress, viel Spaß und gar kein Frust
Stressig sei das Projekt natürlich, gibt Barbara Bily zu, betont aber, es habe beim Projekt im Grandhotel bisher keinen einzigen „frustigen“ Moment für sie gegeben. Die 30-jährige Assistentin von Augsburgs Schauspieldirektor Markus Trabusch, die derzeit auch noch als Dramaturgin für ein Elfriede-Jelinek-Stück in der kommenden Saison arbeitet, findet die Arbeitsatmosphäre im Grandhotel faszinierend: „Alle machen alles“, schwärmt sie und findet es „unproblematisch, wenn man sich abends um zehn noch zusammensetzt und arbeitet.“ Schließlich wisse man ja auch, dass das Projekt bald zu Ende sei.
Doch dieses Ende sehnt derzeit kein Beteiligter herbei. Der große Spaß, den alle Beteiligten haben, rührt auch aus den neuen und im normalen Schauspielerleben seltenen Gelegenheiten, andere Tätigkeitsfelder zu testen. „Man kann sich ein wenig ausprobieren“, sagt Tobias Vogt – er hat einen kleinen Text geschrieben, den ein Schauspieler aufführen wird. Judith Bohle schwärmt, sie habe seit ihrer Studienzeit „nie ein Projekt so weit entwickelt und auch umgesetzt.“ Zwar ist dieses Projekt in keiner Weise ans Stadttheater gebunden, aber die Teilnehmer freuen sich sehr, wie „unproblematisch“ und teilweise sogar „begeistert“ die Unterstützung einzelner Gewerke – zum Beispiel der Requisite und der Kulisse – sei.
Was ist inszeniert, was ist „echt“?
Einen Flügel im zweiten Stock des Grandhotels – ein ehemaliges Altersheim der Diakonie im Domviertel – haben die Theaterleute eigenhändig entrümpelt und mit Besen, Schrubber und Putzeimer auf Hochglanz gebracht. Weder vom Stück, noch vom Konzept verraten sie allzu viel: Das Publikum wird am Samstagabend gruppenweise in Abständen von etwa 20 Minuten den Korridor betreten und von dort aus die Räume links und rechts des langen Flurs erkunden. Dort werden inszenierte, aber auch „echte“ Gespräche stattfinden, in manchen Zimmern wird man Fragen stellen und diskutieren können, man wird Bewohner treffen, die von Schauspielern gespielt werden, aber auch solche, die wirklich im Grandhotel leben oder früher dort gelebt haben, man wird theatral organisierte, aber auch improvisierte Situationen erleben, und wenn dabei eine gewisse Verwirrung entstehen sollte, wäre das ganz im Sinne der Akteure.
Begegnen wird man dabei auch so gut wie dem gesamten Ensemble des Stadttheaters – wer weiß, wie knauserig Schauspieler bezahlt werden und welche unkommoden Arbeitszeiten sie haben, kann einschätzen, wie hoch der Grad an persönlichem Engagement einzuschätzen ist. Eberhard Peiker und Tjark Bernau sind ebenso dabei wie Ulrich Rechenbach, Lea Salfeld und Ute Fiedler, um einige zu nennen. Und auch ein „Überraschungsgast“ wird angekündigt. Wer von den Schauspielern fehle, betont Dramaturg Vogt, habe mit Bedauern und aus terminlichen Gründen abgesagt.
Anschließend werden die Teilnehmer dann natürlich in „ihr“ Theater zurückkehren. Eine „Baracke“, wie der Regisseur Thomas Ostermeier sie in Berlin aus dem Deutschen Theater entwickelt hat, werde es in Augsburg sicher nicht geben, betont Tobias Vogt auf Nachfrage. Und auch an ein Folgeprojekt werde im Moment nicht gedacht – dazu sei ja auch gar keine Zeit. „Vorstellbar wäre das aber schon“, schiebt er anschließend nach, und natürlich wäre es die größte Belohnung, wenn das Stück „den Leuten gefallen würde, und wenn die Betreiber des Grandhotels anschließend sagen würden: kommt doch mal wieder!“
„Ein Platz an der Sonne – Leben im Grandhotel“. Theatrale Rauminstallation. Samstag, 28.7. um 19.30 Uhr im Grandhotel Cosmopolis, Springergässchen 5.