„Das Festival hat in Bayern keine Konkurrenz“
Das 23. Django-Reinhard-Memorial war erneut ein Publikumsrenner
Von Frank Heindl
Kaum zu glauben, was für ein langes Leben dieses Wunderkind hat. 1928 verkrüppelte ein böser Unfall dem 18jährigen Sinto die linke Hand. Und auch noch 2015, 72 Jahre nach seinem Tod, wird Django Reinhardt gefeiert als einer der größten und einflussreichsten Gitarristen nicht nur des „Zigeuner-Jazz“, sondern des Jazz überhaupt. In Augsburg gibt es zu seinen Ehren das „Django Reinhardt Memorial“, das am Sonntag zum 23. Mal zu Ende ging – mal wieder ein „Riesenerfolg“, wie Bernhard Gierstl betont.
Der Begriff „uptempo“ ist eigentlich viel zu lahm für die Musik dieser Band: Die Zipflo Weirich Group am vergangenen Freitag im Parktheater (Foto: Hinrich Wulff).
Nachdem auf der Bühne des Parktheaters am Sonntagvormittag Zipflo Weirich mit seiner Band und seiner schwarzen Geige das Publikum mit einer Art Django-Swing begeistert hat, für den der Begriff „uptempo“ eigentlich schon viel zu lahm ist, nachdem also Dango-Standards und eigenen Stücke mit Soli von Geige und Gitarre im Affentempo gekrönt wurden und eine abgenudelte Nummer wie Gershwin’s „Summertime“ plötzlich mittels raffiniertem Arrangement und faszinierendem Funk-Rhythmus sich in etwas nahezu Unerhörtes verwandelt hatten, dass einem die Ohren schlackerten – nach alldem steht Organisator Bernhard Bierstl recht relaxt an einem der Biertische im Foyer und freut sich, dass einmal mehr alles bestens gelaufen ist.
Natürlich, gibt er zu, gibt es immer was zu verbessern. Aber, wendet er gleichzeitig ein, nun müsse man’s auch mal gut sein lassen und einfach feststellen, dass das Augsburger Django Reinhardt Memorial, bei Insidern auch kurz DRM genannt, ein Niveau erreicht habe, „das, was die künstlerische Qualität anbelangt, bei mindestens 90 Prozent dessen liegt, was man überhaupt schaffen kann.“ In der Tat ist es kein Zufall, dass das Parktheater sowohl am Freitag als auch am Samstag restlos ausverkauft war. Wenn nämlich Stars wie Biréli Lagrène auf der Bühne stehen, reisen die Fans sogar von weit her an. „Biri hat einen Wahnsinnsnamen“, freut sich Gierstl und war dann doch gar nicht so glücklich über den überwältigenden Andrang: Viele ticketlose Besucher erhielten kurzerhand Stehplätze, und so etwas sorgt gelegentlich für Unruhe im Konzertsaal – eine Unruhe, die der Bayerische Rundfunk nicht gerne hat. Der BR ist seit Jahren ein wichtiges ökonomisches Standbein der Veranstaltung – er schneidet jeweils mehrere Veranstaltungen mit. Tolle Werbung fürs DRM und natürlich eine willkommene Einnahmequelle. Aber: Der Sender hat hohe Qualitätsansprüche, Stühlerücken und Türgeklapper hören die BR-Techniker definitiv nicht gerne auf ihren Bändern. Gierstl sieht diese Qualitätsansprüche allerdings nicht als Schaden, sondern als Gewinn: „Diese Zusammenarbeit macht wirklich enorm Spaß!“, betont er.
Bei der künstlerischen Qualität „kaum mehr Luft nach oben“
Bei der künstlerischen Qualität des Festivals also gibt es „kaum mehr Luft nach oben, es sei denn, wir hätten dann nur noch Superstars.“ Das ist anders als in den Anfangstagen des Memorials – da waren noch finanzielle Kompromisse gefragt und damit ein auch ein künstlerisches Risiko, das sich immer wieder bestens auszahlte. Gierstl hat vielerlei Beispiele von Musikern, die er in Augsburg präsentierte und die oft wenig später eine große Karriere starteten: „Josho Stephan, den kannte doch kein Mensch, als der damals beim Memorial im ‚Striese‘ gespielt hat“ – heute gehört der Gitarrist zur Spitze, spielt auf seiner jüngsten CD mit eben jenem Biréli Lagrène zusammen, der am Freitag für Massenandrang im Parktheater sorgte.
„Vielleicht“, sinniert Gierstl, „war’s damals sogar spannender, mit den jungen, noch unbekannten Musikern.“ Andererseits, wendet er ein: Das eigentliche Kunststück war damals und ist heute immer noch die Finanzierung des DRM. Knappe Kassen gehören zum Geschäft, nur dass sich auch dieses Thema heute auf wesentlich höherem Niveau abspielt. Und um das sich mittlerweile glücklicherweise das Parktheater als Partner des Memorials kümmert. „Wir, der HotClubNews-Verein, sind nur noch mit geringen Beträgen dabei. Wir übernehmen mal Anreisekosten, wenn das Budget knapp wird, sorgen aber ansonsten vor allem fürs künstlerische Programm, für Werbung, Presse, Ehrenkarten und so weiter…“.
Viele Zuhörer sind selbst Musiker
1993 gab’s das DRM zum ersten Mal – es hat sich in den zurückliegenden 23 Jahren zum führenden Django-Event gemausert, und zwar nicht nur bayern-, sondern deutschlandweit: „Unser Festival hat in Bayern keine Konkurrenz. National gibt’s zwar ähnliche Veranstaltungen in Hildesheim und Koblenz – aber die haben längst nicht so eine lange Tradition wie wir.“ Von der einzigartigen Atmosphäre ganz zu schweigen, die sich das Augsburger Festival seit seinen Anfängen erhalten hat. Ins Parktheater kamen auch dieses Jahr nicht nur Zuhörer, sondern vor allem auch Musiker. „Wenn du in ein Konzert von Till Brönner gehst – da sind dann unter 500 Besuchern vielleicht auch zwanzig Trompeter. Aber bei uns hast du haufenweise Besucher, die selber Musiker und aktiv in der Gypsy-Szene sind.“ Und das eben macht das spezielle Flair aus: „Es sind hier im Parktheater jede Menge Leute, die kein einziges Konzert besuchen, aber immer da sind. Die sitzen in den Gängen und machen selber Musik, weil sie hier Gleichgesinnte treffen.“ Und zwar nicht nur Musiker, sondern auch Gitarrenbauer, deren Teilnahme von Anfang an festes Konzept des DJM war. „Die finden genau hier ihre Kunden“, freut sich Gierstl, „da hat sich ein richtig symbiotisches Verhältnis etabliert.“
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Vom 23. Django Reinhardt Memorial Augsburg berichtet der Bayerische Rundfunk in der Sendung „Jazztime“ jeweils um 23.05 Uhr am 15., 21. und 30. Juli. Wer eine Sendung verpasst, kann sie anschließend eine Woche lang als Podcast auf der BR-Website nachhören.
HotClubNews-Verein und Django Reinhard Memorial im Netz:
» www.hotclubnews.de
Frühere DAZ-Artikel über das Django-Reinhardt-Memorial:
» www.daz-augsburg.de/?p=3854
und
» www.daz-augsburg.de/?p=3919.