Das Brechtfestival muss neu gedacht werden
Das Brechtfestival tritt auf der Stelle und braucht eine Pause. Es muss neu gedacht werden, bevor es endgültig den Bach runter geht
Kommentar von Siegfried Zagler
Zu Beginn Tristesse aus dem Heiner-Müller-Fundus, natürlich verfremdet („Der Auftrag. Erinnerung an eine Revolution“), mit einer berühmten Schauspielerin und dem Text aus dem Off. Das besondere dabei: Die Stimme kommt von der Konserve und ist von Heiner Müller, die Schauspieler agieren stimmlos pantomimisch. Das Stück wurde von Jürgen Kuttner und Tom Kühnel produziert und hatte bereits 2015 auf den Ruhrfestspielen Premiere. Wer auf einem Brechtfestival zum Start einen Aufguss aus dem eigenen Repertoire serviert, hat vor allem eins: Chuzpe. Damit ist gleich zu Beginn das Festival als Nicht-Festival markiert.
Zum Schluss die Uraufführung des Staatstheaters Augsburg: Schwejk, ziemlich dünn und belanglos. Doch darum soll es nicht gehen. Denn selbst wenn Petras Schweijk-Studie gelungen, ja ein großartiges Stück geworden wäre, würde das nichts an der überholten Dramaturgie des Augsburger Brechtfestivals ändern. Zwischen den sogenannten Highlights zur Eröffnung und zum Finale gab es es zum gefühlten 100. Mal die lange Brechtnacht. Diesmal „richtig gut“, an einem passenden Ort mit schwerer Versorgungspanne. Und natürlich war zum 100. Mal der beliebte Poetry-Slam „echt gut“. Und endlich gab es wieder „richtige Stars aus Funk, Film und Fernsehen“ zu hören und zu sehen. Selbstverständlich finden sich (wie in jedem Jahr seit 2005) Perlen im Programm, doch auch darauf soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.
Kuttner und Kühnel hatten, anders kann man ihr beliebig zusammen getragenes Brechtfestival-Programm nicht deuten, keinen speziellen städtischen Auftrag. Ein bisschen Pop, ein bisschen Kunst und Musik, eine Handvoll lokale Player, ein bisschen Remmidemmi („Spektakel“) und ganz zum Schluss ein Eislerabend – und fertig ist die Laube: Das Brechtfestival 2020!
Um nicht missverstanden zu werden: Die K&K Brechtspiele, die vom Augsburger Publikum laut Kuttner nicht verstanden wurden, waren bestimmt nicht schlechter als die Wengenroth-Reihe der versprochenen Diskurse. Immerhin wurde die xte Aufführung der Maßnahme vermieden und immerhin haben wir gelernt: Brecht war doch ein Kommunist!
Das Brechtfestival 2020 bezeugte erneut die Einfallslosigkeit der Augsburger Kulturpolitik, der das Vermächtnis ihres berühmten Sohnes längst über den Kopf gewachsen scheint. Albert Ostermaier und Joachim Lang entwickelten Thesen zum Werk und zur Person. Mit ihnen kam der allzu lange von der Stadt kleingedachte Brecht als Weltstar aus dem Nichts der geistigen Verbannung zurück. An ihren Festivals konnte man sich reiben. Wengenroth, Kuttner und Co. versuchen sich an Brecht, indem sie ihn bunt bemalen, um anschließend zu gucken, ob das passt.
Das ist natürlich Zeitgeist, ist gut oder schlecht, eher schlecht, und ist immer der Versuch, einen Riesen zu verzwergen. Damit muss nun Schluss sein. Die Stadt Augsburg braucht in Sachen Brecht ein Moratorium und einen Neustart mit einem deutlich höheren Etat.