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Mittwoch, 23.04.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

„Da muss man fei gut aufgelegt sein!“

Festival: Politiker diskutieren Brecht

Von Frank Heindl



Thomas Goppel, bayerischer Ex-Kunstminister, wurde deutlich: Bei manchen Brechttexten, konstatierte er, da müsse man „fei gut aufgelegt sein.“ Doch, merkwürdig: Bei diesem Bonmot ging es gar nicht um den Politiker, den Ideologen, den Systemkritiker Bertolt Brecht. Gemeint war der Schwierigkeitsgrad seines Werkes, gemeint war die Anstrengung, die es macht, zu verstehen, was alles in seinen Dramen, Gedichten, theoretischen Schriften steckt.

Wenn der Ex-Generalsekretär der CSU zur genauen Brechtlektüre aufruft, wenn die Ex-Bundestagspräsidentin Vollmer von den Grünen das zeitgenössische Theater, wenn es nicht gerade Brecht spielt, als ein „im Wesentlichen zynisches und voyeuristisches“ verdammt, wenn der Ex-SPD-Führer Franz Maget als einsamer Rufer in der Wüste sich wieder „einen wie Brecht“ wünscht, einen, „der Furore macht und sagt, dass die gesellschaftlichen Bedingungen veränderbar sind“ – dann kommt man wohl nicht mehr an der Erkenntnis vorbei, dass sich an der Brechtrezeption hierzulande – und nicht nur in Augsburg – vieles geändert hat.

Brecht: elegisch, hellsichtig, globalisierungskritisch

Die drei genannten Politiker diskutierten am Sonntagabend im Augustanasaal mit dem Leiter des Brechtfestivals Joachim Lang und Hermann Beil, dem Chefdramaturgen des Berliner Ensembles, sowie dem Schauspieler Axel Milberg, den man von den Münchner Kammerspielen wie auch als Tatortkommissar kennt und der einige Brechttexte rezitierte. Falls es provokativ gemeint war, dass letzterer den Abend mit Brechts in Verse gefasster Adaption des Marx/Engelschen Kommunistischen Manifestes begann, dann ging der Schlag ins Leere. Denn Goppel konnte sich sogar vorstellen, diesen Text „im passenden Kontext“ in ein bayerisches Schulbuch aufzunehmen, Beil würde ihn Dieter Dorn für eine Bühnenfassung empfehlen, Vollmer fand ihn „elegisch“ und „hellsichtig“, sah darin einen „ganz tollen Text zur Globalisierung“. Der ungeliebte Brecht? – Von wegen: Über alle Parteigrenzen war man sich im Gegenteil einig, Brecht werde in der ganzen Welt viel aufgeführt, ausgerechnet in Deutschland aber zu selten. Dem widersprach ein Fachmann im Publikum: Brechtexperte Jan Knopf wusste zu berichten, allein im vergangenen Jahr sei Brecht an 62 deutschen Bühnen aufgeführt worden. Diejenigen nicht mitgerechnet übrigens, die dem Rechteinhaber Suhrkamp verheimlicht worden sind (wenn da nur nicht demnächst mal jemand mit einer Daten-CD auftaucht!).

Kein Kommunist, aber immer im Widerstand

Auf dem Augsburger Podium jedenfalls rannte Joachim Lang mit jenen Thesen, die die Brechtrezeption in Augsburg verändern sollen, offene Türen ein: Dass Brecht ein großer Unterhalter sei, war ebenso Konsens wie die Erkenntnis, er sei kein Kommunist und auch kein Ideologe gewesen, wohl aber „immer im Widerstand“ (Lang) und „wagemutig in der Erforschung von Wirklichkeit“ (Vollmer). Das war dann Franz Maget fast schon wieder zu „beliebig“: Brecht habe schon seine dezidierten und unverrückbaren Standpunkte gehabt – als Kriegsgegner und Antifaschist zum Beispiel. Den Beweis erbrachte Axel Milberg mit Brechts offenem Brief an Schriftsteller und Künstler von 1951. Der Dramatiker fordert für alle Künste völlige Freiheit – mit einer Einschränkung: „Keine Freiheit für Schriften und Kunstwerke, welche den Krieg verherrlichen oder als unvermeidbar hinstellen, und für solche, welche den Völkerhass fördern.“

Es war sicherlich interessant zu sehen, wie viel Einigkeit heutzutage über Brecht zu bestehen scheint. Etwas mehr Dissens auf dem Podium hätte die Sache allerdings spannender gemacht – vielleicht sollte man beim nächsten Mal ein konkreteres Thema zur Diskussion stellen. Etwas mehr Publikum hätte der Abend allemal verdient: Die SPD war mit den Stadträten Karl-Heinz Schneider, Christa Stephan und Sieglinde Wisniewski sowie ihrem kulturpolitischen Sprecher Frank Mardaus gut vertreten, CSU-Fraktionschef Bernd Kränzle sowie einige Vertreter des Kulturamtes und der Festivalleitung waren da – wenn man diese und die Medienvertreter abzieht, blieben kaum mehr als zwanzig Gäste. Schade.

v.l.: Franz Maget, Thomas Goppel, Hermann Beil, Antje Vollmer, Joachim Lang, Axel Milberg