CSU: Gribl in Not
Warum die Vorgänge in der CSU für Augsburgs Oberbürgerbürgermeister nichts Gutes ahnen lassen
Kommentar von Siegfried Zagler
Das Wohl und Weh der Stadt Augsburg ist nicht davon abhängig, ob sich die Augsburger CSU verträgt oder nicht. Diese Feststellung soll vorausgeschickt sein, um klarzustellen, dass die Krise der lokalen CSU nicht zum Niedergang der politischen Kultur in Augsburg und auch nicht zum Untergang des Abendlandes im Allgemeinen führt, auch wenn dieser Eindruck durch die Berichterstattung der Augsburger Allgemeinen in den letzten Tagen und Wochen vermittelt wurde. Ungeachtet dessen hat für die Stadt der Streit in der CSU eine politische Bedeutsamkeit, die deutlich über das parteiinterne Ränkespiel hinausreicht. Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl hat in der Augsburger CSU seinen OB-Bonus verspielt und kann nicht mehr mit Rückhalt vom Parteivorstand rechnen. Dr. Christian Rucks Parteikarriere ist am Abend des 8. Juni beendet worden und für Kurt Gribl haben die neuen Verhältnisse im Vorstand Folgen, die in ihrer Tiefenwirkung noch nicht ausgelotet sind, aber für das Augsburger Stadtoberhaupt nichts Gutes ahnen lassen.
Fangen wir von vorne an: Im Jahr 1984 traten zwei Parteien mit einem „C“ zur Kommunalwahl an. Die CSU und ihr Ableger, die CSM (Christlich Soziale Mitte) bekamen insgesamt 30 Stadtratssitze (!), davon 20 für die CSU, die damals in einer ähnlich schwierigen Lage war wie heute. Die 30 Sitze sind deshalb bemerkenswert, weil bei dieser Wahl Hans Breuer (SPD) zum dritten Mal als Oberbürgermeister antrat und gewählt wurde.
Der CSU-Zwist um die „Entlassung“ von Bürgermeister Willi Egger (SPD) war 1981 nur der Aufhänger der Spaltung. Der Grund war der rüde Ton und der ultimative (mit mir oder gegen mich) Führungsstil von Parteichef Hermann Knipfer. Ständige Querelen, Animositäten und Gezänk brachten die Gemäßigten in der CSU-Fraktion gegen die Parteispitze auf. Die CSU zerbrach und das Logo der CSM war eine Stimmgabel, die den „besseren Ton“ symbolisieren sollte. 1989 war die CSU wieder vereint. Parteichef damals: Bernd Kränzle. Rückblickend lässt sich sagen, dass die achtziger Jahre mit der gespaltenen CSU nicht die schlechtesten für die Stadt waren.
Gegen den Krankheitszustand der CSU ist kein Kraut gewachsen
Gegen den Krankheitszustand der heutigen Augsburger CSU ist wie vor 30 Jahren kein Kraut gewachsen. Er ist nicht der politischen Großwetterlage geschuldet – was in den Achtzigern wohl auch der Fall war -, ist nicht weltanschaulichen Richtungsstreitereien oder inhaltlichen Differenzen in der Sachpolitik geschuldet, sondern ist nahezu ausschließlich ein Streit um Gestaltungseinfluss, um zu viel oder zu wenig Respekt voreinander und um die Möglichkeiten, in der Partei oder mithilfe der Partei etwas werden zu können. Es ist ein Streit von und um Einzelpersonen, die sich „nicht riechen können“, wie man so schön sagt – und sich gegenseitig bekämpfen, als gäbe es kein Morgen. Daran hat sich nach dem Schlichtungsmarathon mit Ministerpräsident Horst Seehofer und dem Parteitag am 20. Juli nichts geändert. Seehofer ist als Friedensstifter nicht weniger gescheitert als der damalige CSU-Generalsekretär Edmund Stoiber im Jahre 1981. Am 20. Juli wurde bei der CSU-Vorstandswahl umgesetzt, was am 8.Juni in Bergheim im Kreisverband West besiegelt wurde. Christian Ruck wurde als Parteivorsitzender abgewählt und durch Johannes Hintersberger ersetzt. Der neugewählte CSU-Vorstand steht hinter der Gruppe um Johannes Hintersberger, Bernd Kränzle, Volker Ullrich, Thorsten Große und Tobias Schley. Sie sind die neue Macht in der Augsburger CSU und nicht die Gruppe um OB Gribl. Jede andere Bestandsaufnahme wäre Augenwischerei.
Die CSU schien nicht abgeneigt, Kurt Gribl in Marmor zu meißeln
Das ist die Quintessenz der Vorgänge der letzten Wochen, und das ist selbst innerhalb der schwer berechenbaren Augsburger CSU, die nicht abgeneigt schien, Oberbürgermeister Gribl in Marmor zu meißeln, eine harte Wende, mit der so niemand rechnen konnte. OB Gribl hat kein festes Standing mehr in der Partei, die ihn zum OB gemacht hat und er hat sich nicht zuletzt durch sein parteiinternes Agieren in den zurückliegenden Wochen in diese instabile Lage gebracht. Gribl hat sich in der Fraktion gegen Fraktionschef Bernd Kränzle ausgesprochen und sich dabei eine veritable und verschworene Gegnerschaft in der CSU zugezogen. Eine Gegnerschaft, die Gribls Sachpolitik nicht (oder nur sehr partiell) in Frage stellt, aber eben Defizite in Sachen Führungsqualität ausgemacht haben will. Eine verschlagene Gegnerschaft, die Gribl, wenn es hart auf hart kommen sollte, auch als OB über die Klinge springen ließe. Zu diesem Verlust von Schutz und Rückhalt innerhalb der CSU hat Gribls 180-Grad-Wende in der Verkehrspolitik viel weniger beigetragen als der Umstand, dass er als Akteur sehr aktiv die Klaviatur des Gezänks mitspielte. Anstatt sich um Moderation und Ausgleich zu bemühen, hat Gribl riskanterweise alles auf die Karte Ruck gesetzt und somit nicht nur ein Blatt verloren.
Für Intriganten-Theater hat Kurt Gribl keinen Wählerauftrag
Kurt Gribl wurde im Frühjahr 2008 als parteiloser OB-Kandidat direkt von der Stadtgesellschaft in das Amt gewählt. Seine Jobbeschreibung lautet, die Angelegenheiten der Kommune „zu ordnen und zu verwalten“, wie es in der Gemeindeordnung heißt. Er soll als oberster Chef der Verwaltung die Geschäfte der Stadt führen und als Stadtoberhaupt die Stadt „regieren“. Dafür braucht es Mehrheiten im Stadtrat. Für fortlaufendes Intriganten-Theater auf Parteiebene hat Kurt Gribl keinen Wählerauftrag.
Die zugespitzte Situation in der CSU und Gribls Machtverlust in der Partei haben aber – trotz der haarsträubenden Pannen in Sachen CFS und Theatercontainer – nichts an der DAZ-Bewertung verändert, dass Kurt Gribl als Oberbürgermeister für die Stadt ein Gewinn ist. Der städtebauliche Fortschritt beim Königsplatzumbau sowie die Sanierung des Zentralklinikums sind für Augsburg epochemachende Maßnahmen, die wohl in dieser radikalen Form ohne den Regierungswechsel und ohne den Elan des Quereinsteigers Gribl so nicht über die Bühne gegangen wären. Gribls verkehrspolitischer Kurswechsel nach dem Ideenwettbewerb war gar eine todesmutige Unternehmung, die man ihm nicht hoch genug anrechnen kann. Dennoch muss CSU-Greenhorn Gribl nun zusehen, dass ihn die neuen Granden der Partei nicht aus dem Spiel nehmen. Jenseits aller Lippenbekenntnisse steht nämlich fest, dass OB Gribl sich in eine schwere Notsituation hineinmanövriert hat, aus der er nur einen Ausgang findet, wenn es ihm gelingt, mit dem neuen Parteivorstand und seiner CSU-Gegnerschaft ins Reine zu kommen.