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Dienstag, 08.10.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

CFS-Debakel: Fanplanung auf der Zielgeraden

Mit großer Mehrheit beschloss der Stadtrat gestern, die Tribünen im Curt-Frenzel-Stadion nach den Vorstellungen der Panther-Fans umzubauen. Nur die Grüne Fraktion stimmte gegen die Beschlussvorlage. Damit findet ein monatelanger Streit um die eingeschränkte Sicht von den neu errichteten Rängen im Augsburger Eisstadion ein vorläufiges Ende.

Dem Abriss geweiht: zu flache Südtribüne im Curt-Frenzel-Stadion

Dem Abriss geweiht: zu flache Südtribüne im Curt-Frenzel-Stadion


Sechs Varianten standen zu Beginn des Tagesordnungspunktes noch zur Debatte: vier vom beauftragten Architekturbüro Hermann+Öttl, der Fanvorschlag als Nummer 5 und eine von der AGS modifizierte Variante 6. Die beiden letztgenannten Lösungen sehen den Teilabbruch und die Neuerrichtung der Tribünen vor. Variante 5, die 6.500 Zuschauerplätze bietet, hat das Problem, eine Befreiung von den Regelungen der Versammlungsstättenverordnung zu benötigen. Die Fluchttreppen dieser Variante sind nämlich mit 25 cm höher als die maximal erlaubten 19 cm. Variante 6, die eine ähnliche Tribünengeometrie aufweist und 6.000 Plätze bietet, umgeht das Problem mit flacheren Treppenstufen, benötigt aber Hunderte von Stahlbügeln, um den Zugang zu Stolperstellen am Übergang zu den Stehrängen zu verhindern.

Nach einer halbstündigen Präsentation der sechs Varianten, bei der die vier Vorschläge von Hermann+Öttl im Schnellgang aussortiert wurden, ging die Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiter, um rechtliche Themen zu besprechen. Nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit gegen 19.30 Uhr brachte OB Kurt Gribl einen Beschlussvorschlag als Tischvorlage ein. Dieser sah die Umsetzung der Fanplanung vor, mit der Maßgabe, der TÜV Südbayern solle die Möglichkeit einer Befreiung für die hohen Treppenstufen prüfen. Sollte eine Befreiung nicht möglich sein, käme automatisch Variante 6 zur Realisierung.

Heftige Kritik der Grünen

Auf Wunsch von Beate Schabert-Zeidler (Pro Augsburg) wurde der Gutachterauftrag auf die Überprüfung der AGS-Bügelvariante ausgedehnt. Außerdem soll die Realisierbarkeit des Eingriffs in den Osthang – bei beiden Varianten nötig – geprüft werden, ein Wunsch von Alexander Süßmair (Die Linke). In der weiteren Aussprache zeichnete sich schnell eine Mehrheit für Gribls Beschlussvorschlag ab. Kritisch äußerten sich die Grünen: Martina Wild bemängelte ständige Kehrtwendungen der Stadtregierung. Mal sollte den Architekten ein Nachbesserungsrecht gewährt werden, statt dessen beauftrage man aber die Fan-Variante. Zunächst sei der C-Wert das Maß der Dinge für gute Sicht gewesen, jetzt sei das wieder relativiert worden.

"Mir ist klar, dass ich mich damit unbeliebt mache": Reiner Erben

"Mir ist klar, dass ich mich damit unbeliebt mache": Reiner Erben


Der Grüne Fraktionschef Reiner Erben kritisierte das Verfahren, das an Vergaberichtlinien und der Geschäftsordnung der Stadt vorbei laufe. Es reiche nicht aus, dass Fans im Stadtrat Vorschläge vorbringen, Applaus bekommen und dann werde nach Mehrheitsmeinung eine Entscheidung getroffen. Erben sah die Stadt an die im April 2009 im Stadtrat beschlossenen 5.350 Zuschauerplätze und die Kosten von 16,2 Mio. Euro gebunden. Beides werde jetzt überschritten. Eva Leipprand sah weiteren Beratungsbedarf.

Bei der anschließenden Abstimmung wurde der Beschlussvorschlag gegen die sechs Stimmen der Grünen mit 53 Stimmen angenommen. Gegenüber der DAZ kritisierte der Grüne Stadtrat Christian Moravcik das gesamte Procedere heftig als “Populismus”. Der Grüne Vorstandssprecher Matthias Strobel zeigte sich entsetzt darüber, wie die Optimierungsvarianten der mit dem Stadionumbau beauftragten Planer Hermann+Öttl präsentiert und abserviert wurden: “Wenn man ein Architekturbüro demontieren will, dann so”.

Nicht TÜV, sondern Bauordnungsamt muss Befreiung erteilen

Zufrieden mit dem Sitzungsverlauf konnte dagegen Architekt Uwe Schlenker sein, der den Fanentwurf präsentiert hatte, da jetzt auch die AGS-Variante mit ihren zahlreichen Stahlbügeln an den Stufengängen gutachtlich geprüft wird. Der Erbauer des Schwenninger Eisstadions steht dieser Lösung kritisch gegenüber: Sie erfülle zwar den Wortlaut der Versammlungsstättenverordnung, nicht erreicht würde aber das allgemeine, höher einzuschätzende Schutzziel der Bauordnung, so der Stadionexperte zur DAZ (siehe Kasten).

Eine positive Bewertung durch den TÜV ist für die beiden Tribünenvarianten allerdings erst die halbe Miete: Wie Dr. Mark Dominik Hoppe, Jurist im Baureferat, gegenüber der DAZ bestätigte, reicht diese allein nicht aus, um bauen zu können. Der TÜV erfülle hier nur die Funktion eines unabhängigen Gutachters. Befreiungen erteile ausschließlich das Bauordnungsamt. Theoretisch könnte also noch der Fall eintreten, dass sowohl die Fan- als auch die AGS-Lösung beim Bauordnungsamt durchfallen. Im Stadtrat herrschte gestern allerdings breite Zuversicht, dass dem Fanvorschlag eine Befreiung erteilt wird. Das TÜV-Gutachten soll in zwei Wochen vorliegen.

Allgemeine Anforderungen gemäß Art. 3 Abs. 1 Bayerische Bauordnung



“Anlagen sind unter Berücksichtigung der Belange der Baukultur, insbesondere der anerkannten Regeln der Baukunst, so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit, und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden. Sie müssen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung die allgemeinen Anforderungen des Satzes 1 ihrem Zweck entsprechend angemessen dauerhaft erfüllen und ohne Missstände benutzbar sein.”