CFS-Debakel: Es ist schlimm, aber nicht hoffnungslos
Von Siegfried Zagler
Die DAZ nutzte das Panther-Spiel gegen Mannheim am Samstagabend, um vor Ort die Klagen der AEV-Fans unter die Lupe zu nehmen. Um es kurz zu machen: Die Sichtverhältnisse auf den Interims-Stehrängen an der Blauen-Kappe-Seite sind katastrophal, die Sichtverhältnisse von der gegenüberliegenden Tribüne (Schleifgraben) sind schlecht. Die Sichtlinien der Sitzplätze unterhalb der VIP-Logen waren allerdings im alten CFS auch nicht „besonders berühmt“. Ausgestattet mit einem „all area-Ticket“ zog der Schreiber dieser Zeilen während des Matches von Block zu Block, von Sichtlinie zu Sichtlinie, um feststellen zu müssen, dass die Erregung des Augsburger Eishockeypublikums seine Berechtigung hat und sehr ernst zu nehmen ist. Und es muss die Frage erlaubt sein, warum eine Aktion wie die der DAZ nicht schon längst von den zuständigen Referenten, dem Oberbürgermeister und den Stadträten unternommen wurde. Man sollte sich nicht vor der Wählerschaft fürchten, denn angesichts der im CFS vorherrschenden Sichtverhältnisse muss man die Fan-Proteste im Großen und Ganzen als der Sache angemessen und durchaus als gesittet bezeichnen.
Das CFS ist ein Ort der Verschmelzung zwischen Spitzen- und Breitensport …
Man hat sportlich sehr viel erlebt im altehrwürdigen Curt-Frenzel-Stadion. Die Achterbahnfahrten in den turbulenten Achtzigern, Weltstars wie Vladimir Dzurilla (Ende der Siebziger) und Glenn Anderson (Mitte der Neunziger), die die Schlittschuhe für den AEV schnürten. Unvergessen auch die großartige Atmosphäre und der ungebrochene Publikumszuspruch in den Zeiten, als der AEV in der Oberliga beziehungsweise in der Zweiten Liga zu spielen gezwungen war.
Das CFS ist aber nicht nur ein traditionsbehafteter Eishockey-Ort, sondern auch ein Ort, an dem Verschmelzung zwischen Breitensport und Spitzensport in einer beinahe anachronistischen Art und Weise gepflegt wird – und das ist gut so. Diese sportliche Verzahnung ist in dieser Form aber nur deshalb möglich, weil das CFS der Stadt gehört. Viele ehemalige Eishockeycracks des AEV wie Klaus Merk, Andy Römer oder Siegfried Holzheu haben im Publikumslauf Schlittschuhlaufen gelernt – wie beinahe alle Augsburger, die seit Generationen eine besondere Affinität zum CFS und somit auch zum AEV verbindet. Der AEV ist formal nur ein Nutzer des CFS. Ein Nutzer, der aufgrund der engen Bande zur Stadt mit Augenzwinkern von entsprechenden Mietzahlungen „befreit“ blieb.
… und somit ein Spiegel der Augsburger Stadtgesellschaft
Das CFS ist seit Jahrzehnten nicht nur Chiffre für die sportlichen Berg- und Talfahrten des AEV, sondern auch ein Spiegel der Augsburger Stadtgesellschaft, und zwar auch jenseits des Profi-Eishockeys. Das CFS ist ein Augsburger Ort der Erinnerungskultur, den es dieser Form längst nicht mehr geben würde, wenn das CFS von einer privaten Betreibergesellschaft geführt werden würde. Der AEV ist der einzige bayerische Traditionsverein, der den Kommerzialisierungsschub durch die DEL überlebt hat. Landshut, Kaufbeuren und Rosenheim spielen in der Zweiten Bundesliga. Füssen, Riessersee und Tölz sind schon längst in der bayerischen Regionalliga verschwunden.
Dass in der drittgrößten bayerischen Stadt seit Jahrzehnten erstklassiges Eishockey gespielt werden konnte und gespielt werden kann, hat viele Gründe, einer davon ist der Umstand, dass das CFS ein städtisches Stadion geblieben ist und die Stadt seit je her mehr als „nur“ ein loyaler Partner des AEV war und ist. Deshalb ist die derzeitige Situation des AEV zwar kritisch, aber nicht hoffnungslos. „Wir haben doch nicht 16 Millionen Euro in die Hand genommen, um ein Eisstadion zu bauen, in dem man schlecht sieht“, so OB Gribl in der Stadtratssitzung am vergangenen Donnerstag.
Politisch steht die Stadtspitze in der Verantwortung
Diese Aussage ist so zu verstehen, dass die Stadt alles unternehmen wird, um die im Raum stehenden Fehlplanungen beim Umbau des CFS gegebenenfalls zu reparieren. Das könnte teuer werden. Das Einschalten des anerkannten Gutachters Stefan Nixdorf ist der erste richtige Schritt der Stadt in Sachen CSF-Debakel, auch wenn mit dem Nixdorf-Gutachten nicht festgestellt wird, wer die möglichen Fehlplanungen zu verantworten hat. Nixdorf wird ein „Statusgutachten“ erstellen, also Stellung zu der Frage beziehen, ob die Sichtverhältnisse nach der vorliegenden Planung einer modernen Sportstätte angemessen sind. Wer für die Folgekosten der möglichen Fehlplanungen zuständig wäre, hätten möglicherweise ein anderes Gutachten und die zuständigen Gerichte zu klären. Die vorgegebenen Rahmenrichtlinien der DEL und des AEV zwängten die Planer in ein enges Korsett, weshalb es nicht statthaft ist, vorab die „Schuld“ den Bauherrn und den Architekten zuzusprechen.
Politisch steht die Stadtspitze in der Verantwortung, und deshalb war es ein grober Fauxpas, das Architekturbüro in die Stadtratssitzung zu bitten, in der die Grünen die Klärung einer politischen Frage beantragt hatten. Architekt Stefan Öttl wurde vom Augsburger Stadtrat behandelt, als stünde er vor einem Untersuchungsausschuss. Eine weitere städtische Kommunikationspanne leistete sich der dritte Bürgermeister und Sportreferent/Kulturreferent Peter Grab, als er sich im inoffiziellen AEV-Fan-Forum vorschnell zu Wort meldete, um die erhitzten Gemüter mit hanebüchenen Aussagen und einem obskuren Runden Tisch zu beschwichtigen. Der Runde Tisch soll nach Informationen der DAZ Tribunal-Charakter gehabt haben.
In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass Peter Grab mit seiner Forenaktivität den teilweise pöbelhaften Ton dieses Forums nicht nur goutiert, sondern auch in die Etagen der städtische Politik geführt hat. Wohin soll das führen, wenn sich die Stadt mit Inhalten von anonymen Forenusern auseinander setzt? Auch wenn es kompetente Vorschläge sein sollten: Mit dieser Form der Kommunikation hat Grab einen Karte gespielt, die nicht in dieses Spiel gehört. Nächster grober Schnitzer war die städtische Pressekonferenz, in der die Stadt quasi in vorauseilendem Gehorsam hinsichtlich der Fan-Proteste die WBG dazu veranlasst hat, fünf „Lösungsvorschläge“ zu präsentieren, und somit die Annahme von Planungsfehlern einzuräumen. Gutes Krisenmanagement sieht anders aus.
Der AEV ist mehr als nur ein Profiklub
Der AEV hat in der Vergangenheit immer dann den größten Publikumszuspruch bekommen, wenn es ihm schlecht ging. Gerade in schwierigen Zeiten konnte der AEV stets auf seine Anhängerschaft bauen, was damit zu tun hat, dass der Verein ein über Generationen gewachsenes in der Stadt verankertes, beinahe familiäres Image und Profil entwickelt hat. Trotz ständiger Spielerwechsel und trotz der ungeliebten „Zoo-Liga DEL“ ist der AEV mit seiner Eishockeytruppe und seinem begeisterungsfähigen wie kritischen Publikum ein Abbild der Augsburger Stadtgesellschaft und somit mehr als nur ein Profiklub. Am Samstagabend war diese tiefe Augsburger Emotion im erneut vollbesetzten CFS zu spüren.
Trotz aller Sorgen um den Königsplatzumbau muss die Stadtregierung begreifen, dass die Musik derzeit im CFS spielt. Gribl und sein Stadtrat sollten den Mut haben, sich dort zu zeigen, wo derzeit der emotionalste Schulterschluss in der Stadt zu vermelden ist. Die Debatte um das Sicht-Debakel im CFS verlangt von allen allen Seiten Good-Will und Geduld. Zumindest der OB sollte dafür werben, und zwar mitten unter jenen Fans, deren Sicht am schlechtesten ist. Nächste Chance ist am kommenden Sonntag, 7. November. Gegner sind die Iserlohn Roosters.
Ein Wort zu den folgenden Fotos: Ein Bild ist ein Bild und somit ein Kurzschlusszeichen, das die tatsächlichen Sichtverhältnisse nicht authentisch beschreibt. Dennoch sind die ausgewählten Fotos akzeptable Indikatoren dafür, wie dramatisch schlecht die Sicht auf die Eisfläche ist.
Osttribüne (Seite Katzenstadel),
beste Sicht
Osttribüne, schlechteste Sicht
Westtribüne (Schleifgraben),
Blick nach links
Westtribüne, Blick nach rechts