Meinung
Bundeswehr im städtischen Pop-Up Store — Wirtschaftsförderung im Sinkflug
Die Meldung, dass die Bundeswehr den städtischen Pop-Up Store zur Verfügung gestellt bekommt, um im Augsburger Stadtzentrum ihrem “Fachkräftemangel” entgegen zu wirken, könnte man leicht glossieren, wäre die Situation nicht so ernst. Und damit sind nicht die Probleme der Bundeswehr gemeint.
Kommentar von Siegfried Zagler
Wenn dem Augsburger Wirtschaftsreferenten Wolfgang Hübschle in seiner Not nicht anderes einfällt, als die städtische Immobile “Zwischenzeit” an einen den größten Arbeitgeber der Bundesrepublik zu vermieten, um mit einer Bundeswehr-Informationskampagne Menschen in die Innenstadt zu locken, “Tausende”, wie das laut Bundeswehr in Nürnberg der Fall gewesen sein soll, dann ist ein einziger Sachverhalt zu konstatieren: Das Konzept eines städtischen Pop-Up Stores ist an die Wand gefahren und krachend gescheitert. Gescheitert an der Einfallslosigkeit des Augsburger Wirtschaftsreferats, gescheitert an an dem hinterwäldlerischen Gesamtkonzept der Augsburger “Fußgängerzone Annastraße” (Das Erste bedingt das Zweite.). Und gescheitert an dem seit Jahren sich vollziehenden Ausbluten der Augsburger Innenstadt, dem die Augsburger Stadtregierungen kaum entgegenwirken. Mit “kaum” soll gemeint sein, dass nicht Nichts geschieht. Im vergangenen Sommer warb zum Beispiel die städtische Werbeagentur “Augsburg Marketing” dafür, dass man als Augsburger nicht nach Rom fahren müsse, um in einer Stadt genussvoll essen gehen zu können. In Augsburg sei es quasi wie in Rom, “nur näher”.
Den gleichen Ausdruck der Verzweiflung verbreitet nun die Meldung zum städtischen Pop-Up in der Annastraße, das es seit 2018 gibt und als “eine moderne Experimentierplattform für neue Handelsformate und Mietmodelle” gedacht war, wie es auf der Homepage der Stadt heißt. Diese Plattform sei von Augsburg Marketing, in Zusammenarbeit mit der Kultur- und Kreativwirtschaft der Wirtschaftsförderung Stadt Augsburg entwickelt worden. Und damit nicht genug: “Wie bei seinem vorausgegangenen Pop-Up-Konzept “Räumchen wechsel dich” zahlt das Zwischenzeit positiv auf die Gestaltung und Belebung des öffentlichen Raumes ein und bietet Künstlern, Institutionen, Einzelhändlern, Start-Ups und Designern die einzigartige Möglichkeit, alleine oder gemeinsam neue Handelsformate in einer 1a-Lage auszuprobieren. Einzige Voraussetzung, die für alle Mieter gilt: Sie sind Teil der Augsburger Stadtgesellschaft bzw. Ihre Produkte müssen in Augsburg oder der Region entworfen, produziert oder teilproduziert sein.”
Diese Zugangsvoraussetzungen haben sich wohl im gleichen Maße pulverisiert, wie das Konzept der Wirtschaftsförderung, das hinter der Pop-Up-Idee stand. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die temporäre Vermietung einer städtischen Immobilie an die Bundeswehr ist nichts Verwerfliches, kein Affront gegen die Friedensstadt oder gar eine Beschmutzung des Brecht-Labels. Es handelt sich nicht um einen unmoralischen Spagat.
Es ist viel schlimmer: Dieser Sachverhalt spiegelt Not und Elend der Stadt Augsburg wider. Dieser in aller Stille vollzogene Vorgang hat Symbolcharakter für das Versagen der Augsburger Wirtschaftsförderung, die seit Jahren nichts vorzuweisen hat. Dass nun ein “Bundeswehr-Store” zur Belebung der Augsburger Innenstadt beitragen soll, während das Brechtfestival in die Quartiere Lechhausen und Oberhausen ausweicht, ist ein Sachverhalt, über den sich, wie gesagt, eine nette Glosse verfassen ließe. Zunächst sollte jedoch zu dieser Petittese der Wirtschaftsreferent befragt werden. Der kommende Stadtrat wäre dafür eine passende Gelegenheit.
Das Ausbluten der Augsburger Innenstadt, der Niedergang des Stadtmarkts, die kulturelle Verrohung der Maximilianstraße sind Phänomene, die von der Hilflosigkeit der Augsburger Kommunalpolitik zeugen und sich nicht mit Partygedöns und Parkgebühren-Erhöhungen oder Tariferhöhungen für den ÖPNV regulieren lassen. Wie beim Verkehr muss die Stadt Augsburg bei der Wirtschaftsförderung vom Verwalten in einen konkreten Gestaltungsmodus übergehen, ein Gesamtkonzept entwickeln. Dass dafür der aktuelle Wirtschaftsreferent nicht der richtige Mann ist, scheint auf der Hand zu liegen.