Bundesverfassungsgericht: Anordnung von U-Haft im Königsplatz-Fall teilweise verfassungswidrig
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat das Bundesfassungsgericht der Verfassungsbeschwerde eines Beschuldigten im Augsburger Königsplatz-Fall stattgegeben und die Anordnung der Untersuchungshaft gegen diesen aufgehoben.
Gegen den 17-jährige Beschwerdeführer wird als einer von sieben jungen Männern wegen möglicher Beteiligung an der Tötung des Augsburgers Roland F. am 6. Dezember 2019 ermittelt. Auf Anordnung des Oberlandesgericht München sitzt der Beschwerdeführer wegen dringenden Verdachts auf Beihilfe in Untersuchungshaft. Hiergegen legte er, vertreten von Rechtsanwalt Felix Dimpfl, erfolgreich Verfassungsbeschwerde ein.
Das Oberlandesgericht München habe, so die Karlsruher Richter, durch die Anordnung von Untersuchungshaft den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person verletzt.
Zur Begründung hat das Bundesverfassungsgericht insbesondere angeführt, dass die Ausführungen des Oberlandesgerichts München zum dringenden Tatverdacht die erforderliche Begründungstiefe vermissen lassen, zumal eine schlüssige Darstellung einer konkreten Tatbeteiligung des Beschwerdeführers fehle. Das Verfassungsgericht wird äußerst deutlich: Die Entscheidung sei teilweise „lediglich formelhaft, pauschal und undifferenziert“. Das Karlsruher Gericht kritisiert explizit die „Gesamtbetrachtung“ der sechs Mitbeschuldigten, gegen die das Verfahren neben dem Hauptbeschuldigten geführt wird. Bloß abstrakte Ausführungen zur Gefährlichkeit gruppendynamischer Prozesse seien nicht ausreichend. Das Gericht wäre gehalten gewesen, die konkrete Tatbeteiligung jedes einzelnen Beschuldigten darzulegen und zu begründen.
Das Oberlandesgericht München hat nun unter Beachtung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts erneut darüber zu entscheiden, ob der Beschwerdeführer weiter in Untersuchungshaft bleibt. Abzuwarten bleibt, welche Auswirkungen die Entscheidung, auf die übrigen Mitbeschuldigen hat; die Ausführungen des heutigen Richterspruchs dürfte man aber auch insoweit als Fingerzeig verstehen.
Die Entscheidung ist bemerkenswert, da das Bundesverfassungsgericht in solchen Fällen nur eingreift, wenn die Auslegung und Anwendung des Strafverfahrensrechts mit Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts nicht zu vereinbaren ist oder sich als objektiv willkürlich erweist.
Im Ergebnis liegt der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts auf der Linie des Landgerichts Augsburg. Es hatte die sechs von insgesamt sieben Haftbefehlen am 23. Dezember 2019 zwischenzeitlich aufgehoben, es hatte jeweils den dringenden Tatverdachts in Hinblick auf Beihilfe zu einem Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge verneint.