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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Bundesligasplitter: Mythen, Legenden und ein später Triumph

von Siegfried Zagler

Sie waren jung, wild und ungestüm, die Rede ist von der Borussia aus Mönchengladbach in den Siebzigern. Wilhelm August Hurtmanns, damals Sportredakteur der Rheinischen Post in Mönchengladbach, folgte den Borussen zu dieser Zeit auf Schritt und Tritt. Er berichtete über den Klub, hatte einen Platz im Mannschaftsbus und stand in einem heute nicht mehr vorstellbaren engen Kontakt zur Mannschaft. Hurtmanns konnte sich von dem überfallartigen Konterfußball der Gladbacher dergestalt begeistern lassen, dass er sich nicht selten zu Begeisterungsstürmen hinreißen ließ.

Ein Label für die Ewigkeit: „Die Fohlenelf“

Hurtmanns erfand für Netzer, Wimmer, Bonhof, Vogts, Heynckes und Co. das Prädikat „Fohlenelf“. Ein Label, das die Mönchengladbacher bis heute tragen und pflegen, obwohl der Gladbacher Fußball seit langer Zeit nichts mehr mit dem Glanz der Siebziger zu tun hat, als man in Europa zur Elite zählte. Ein Umstand, an dem viele Fußballfans der Generation 50+x leiden, einer davon ist Marcel Reif, Chefreporter des Bezahlsenders „Sky“. Reif war und ist Fan der Gladbacher Borussia, womit allerdings nicht erklärt ist, warum er öffentlich die Auffassung vertritt, dass es nicht bedauernswert wäre, wenn der FCA aus der Ersten Liga verschwinden würde:

» Marcel Reifs Kolumne: Live aus dem Stadion

Der verblasste Zauber der „unabsteigbaren“ Bochumer

„Die Unabsteigbaren“ wurde die Mannschaft des VfL Bochum von ihren Fans genannt, weil sie von 1971 bis 1992 beinahe zwanzig Jahre in der Fußballbundesliga gegen den Abstieg spielte und 20 Jahre nicht abstieg. Als es dann doch geschah, war der Zauber dahin. Fünfmal sind die Bochumer inzwischen ab- und aufgestiegen. Seit drei Jahren gehören sie zum Inventar der Zweiten Liga; Tendenz: unaufsteigbar.

Vizekusen und der Meister der Herzen

Natürlich gibt es in der 50jährigen Bundesligageschichte schlimmere Brandings. Das schlimmste: „Meister der Herzen“, ein Bildzeitungstitel für den FC Schalke 04 – als man sich auf Schalke vier „grandiose Minuten“ als Meister fühlen durfte, dann schoss Patrik Andersson in Hamburg mit einem „Dusel-Tor“ (einem indirekten Freistoß im Strafraum flach durch die Mauer) die Münchner Bayern am letzten Spieltag zur Meisterschaft. Das geschah in den letzten Minuter des 34. Spieltages der Saison 2000/20001. Ein Vorgang, der seinerzeit den Mythos vom „Bayern-Dusel“ verstärkte. Ein Mythos, der seit den Siebzigern von der deutschen Sportpresse gepflegt wird, als die Münchner mit Gerd Müller und „Bulle“ Roth nicht gerade selten mit einem Treffer in den letzten Minuten ein Spiel entschieden, so die Legende. Dass es sich dabei um einen Wahrnehmungsfehler handelt, ist längst belegt, was die Legende allerdings nicht kümmert:

» Statistik zu Münchner Erfolgen: Von wegen Bayern-Dusel!

Die Dusel-Bayern

Ein Jahr davor wurde das Prädikat „Vizekusen“ erfunden. In der Saison 99/00 hätte Bayer Leverkusen in Unterhaching ein Unentschieden für die Meisterschaft gereicht. Bayer verlor damals als beste deutsche Mannschaft im ausverkauften Unterhachinger Sportpark vor 11.300 Zuschauern mit 0:2, Michael Ballack schoss ein Eigentor und der Held des Spiels war ein gewisser Gerhard Tremmel. „Tremmel, die Wand, hält mit seinen unglaublichen Reflexen den Sieg fest“, war damals das Schlusswort des „Heute im Stadion“ Radioreporters des Bayerischen Rundfunks. Ein Satz, an den sich der Schreiber dieser Zeilen deshalb so genau erinnert, weil er ihn in großer Anspannung aus dem winzigen Radio eines Freundes hörte – auf der Gegengerade des Münchner Olympiastadions. Die Bayernfans feierten nicht „ihren“ Pflichtsieg gegen Werder Bremen, sondern den Sieg des krassen Außenseiters gegen Leverkusen. Wieder ging der sprichwörtliche „Bayern-Dusel“ durch die Gazetten, da die Bayern wegen Gerhard Tremmels Torhüterleistung Meister wurden. Punktgleich mit „Vizekusen“ hatten die Münchner am Ende des 34. Spieltages das bessere Torverhältnis.

Tremmels später Triumph bei Swansea City

Der in München geborene und aufgewachsene Tremmel und einige andere Unterhachinger Spieler feierten damals zusammen mit den Bayern die Deutsche Meisterschaft der Münchner, auf deren Meisterfeier. Tremmel, damals ein junger hochbegabter Torhüter, spielte noch einige Jahre in der Bundesliga (Unterhaching, Hannover, Berlin, Cottbus), war dabei nicht immer Stammtorhüter und bekam dann, nach einem Abstecher bei Red Bull Salzburg, beim Premier-League-Aufsteiger Swansea City einen Vertrag, der vor kurzem bis 2015 verlängert wurde, was hier nicht der Erwähnung wert wäre, hätte eben nicht der walisische Fußballclub mit einem Schwan im Emblem den traditionsreichen Englischen Ligapokal gewonnen – vor 82.597 Zuschauern im Wembley-Stadion und mit Tremmel im Tor. Gerhard Martin Tremmel, inzwischen 34 Jahre alt, hatte beim 5:0 Sieg „seiner Schwäne“ gegen den Viertligisten Bradford City zwar wenig zu halten, war aber dennoch einer der Garanten des Swansea-Triumphes, da er in jeder Minute auf dem Weg ins Finale gegen Liverpool, Middlesbrough und gegen den FC Chelsea erfolgreich das Swansea-Tor hütete. Der FC Swansea City belegt aktuell den 9. Platz in der Premier-League und ist ein Fußballverein wie ein surrealistisches Gemälde von Salvador Dali: Ein Traum, der nicht in die Zeit passt und dennoch wahr ist, wie diese journalistische Perle eindrucksvoll belegt:

» Premier League: Das Wunder von Swansea