Bundesliga im Umbruch – Oder die Frage, ob Andreas Rettig ein erstklassiger Manager ist
Oben ziehen immer die gleichen Klubs ihre Kreise. Das sorgt meistens für Langeweile. Doch im Tabellenkeller geht es spannend zu. Der Fußball ist eine Allegorie auf das Leben in der Moderne: Unten ist es aufregender als oben!
Von Siegfried Zagler
Eine großartige Fußballwoche fand am gestrigen Sonntag ihr Ende: Rom schaltet Barcelona in der Champions League aus, im gleichen Wettbewerb rettet sich Real Madrid in der Nachspielzeit mit einem umstrittenen Elfmeter, Klopps Liverpool düpiert Manchester City und Leipzigs Trainer Hasenhüttl vercoacht sich und RB wird in der Europa League nach einem großartigen Spiel von Marseille niedergerungen. Wer interessiert nach diesen rauschenden Nächten noch für die Niederungen des Abstiegskampfes? Das Schicksal der Kleinen mag hart und uninteressant sein, aber nicht langweilig.
Deutlich langweiliger geht es jedenfalls bei den drei europäischen Topligen in der Frage der Meisterschaft zu: Bayern München ist seit einer Woche Meister, Manchester City seit wenigen Stunden und Barcelona ist der Titel ebenfalls kaum noch zu nehmen. In der Bundesliga schien die Meisterschaft dieses Jahr nach fünf trostlosen Jahren wieder spannend zu werden, weil sich die Bayern nach dem Visionär Pep Guardiola mit Carlo Ancelotti einen Old-School-Übungsleiter leisteten, der an der Säbener Straße keinen Tritt finden sollte. Am 7. Spieltag lag Dortmund noch 5 Punkte vor den Bayern. Wer kann sich daran eigentlich noch erinnern?
Dann kam Jupp Heynckes nach München, gleichzeitig fiel die Borussia in ein Dembele-Loch – und die Deutsche Meisterschaft geriet zum 6. Mal in Folge zu einem weiteren Wim-Wenders-Film: zu einem Werk der gehobenen Langeweile.
Als Karl-Heinz Rummenigge nun kürzlich auf die Idee kam, dass mit der Aufhebung des 50+1 Kodex sich die Bundesliga für Großinvestoren öffnen müsste, um an der Spitze wieder konkurrenzfähig zu werden, wurde er erstens mit einer DFL-Abstimmung ausgebremst und zweitens mit dem Rettig-Satz veräppelt, dass er einmal ein guter Fußballspieler gewesen sei. Damit wollte ausgerechnet der Manager von St. Pauli zum Ausdruck bringen, dass Rummenigge bei seinen Leisten bleiben solle – und sich nicht für die komplizierten Laufwege von „Fremdgeld“ zu interessieren habe.
„Fremdgeld“ nannte einst Uli Hoeneß (vor seiner Landsberger Zeit) das Invest von Oligarchen, Scheichs und asiatischen Kapitalanlegern. Fremdes Geld schießt zwar auch Tore, bringe aber böses Kapital in die heile Fußballwelt, die zwar auch reich sei, aber eben anständig, weil sie sich ihren Reichtum aus sich heraus erwirtschafte. Hoeneß hat zweistellige Millionen-Gewinne seiner Börsengeschäfte nicht versteuert, während Rummenigge lediglich den illegalen Import von Luxusuhren zu verantworten hat. Womit gesagt sein soll, dass die beiden Bayernbosse in jeder Hinsicht in verschiedenen Ligen spielen und Rummenigge im Grunde selten weiß, wohin die Entwicklung des Profifußballs und somit auch die des FC Bayern gesteuert werden müsste.
Was ihn wiederum sehr mit Andreas Rettig verbindet, der immer noch denkt, er könne einen Fußballklub mit einem Nokia-Handy organisieren. Man mag es nicht beschreien, aber der Gedanke schmerzt, dass mit Kaiserslautern und St. Pauli zwei Urgesteine des deutschen Fußballs kurz davor sind, in die Untiefen der Dritten Liga zu verschwinden. Dabei haben sich nicht wenige Hamburger auf das erste Zweitliga-Derby zwischen St. Pauli und dem HSV gefreut. Sollte es nächste Saison nicht dazu kommen, läge es sicher nicht am Hamburger SV.
Nachdem chinesische Kapitalgesellschaften in Augsburg alteingesessene Unternehmen kaufen und schließen (Osram), beziehungsweise kaufen und fortführen (Kuka), würde es in der Fuggerstadt niemand wundern, würden sich chinesische Investoren um den FCA bemühen. 50+1 hin oder her. – Schließlich hat Walther Seinsch im Kleinen gezeigt, wie man diese Schrulle der Vereinsmeier und Traditionsliebhaber umschifft und obendrein wäre die Metropolenregion Augsburg für einen professionell geführten Fußballklub ausgesprochen geeignet. Allerdings müssten die FCA-Verantwortlichen noch reichlich Hausaufgaben erledigen, um in den Fokus des großen Geldes zu rücken. Eine volle Haupttribüne, ein volles Stadion und eine akzeptable Bratwurst wären möglicherweise keine schlechten Lockmittel, um endlich von der ewigen Saisonziel-Leier des Nichtabstiegs absehen zu können. „Abenteuer Nichtabstieg“ ist eben kein Abenteuer, sondern ein Elend, an dem nicht nur der VfL Bochum gescheitert ist.
Der FC Augsburg hat am vergangenen Freitag sein Saisonziel erreicht, ohne dass es für eine Zeitung oder ein Lokalradio eine Erwähnung wert gewesen wäre: Direkt können die Augsburger nicht mehr absteigen. Ein Abrutschen auf den Relegationsplatz ist zwar noch möglich, aber unwahrscheinlich. Im achten Jahr Bundesliga, in dem der FCA so gut wie sicher zu erwarten ist, sollte in Augsburg eine neue Stufe gezündet werden.
Nicht der Nichtabstieg sollte das Ziel sein, sondern eine Erfolgssicherung, die unabhängig vom Auf und Ab in der Tabelle greift und den FC Augsburg in einen höheren Orbit bringt. Der Unterbau steht inzwischen auf Bundesligahöhe, der FCA ist in dieser Hinsicht endlich angekommen und darf nun höhere Ziele ins Visier nehmen.
Eine sichere Umlaufbahn gibt es in der Bundesliga allerdings nicht, aber es gibt Vereine, die nach einem Abstieg gestärkt zurückkamen. Die Freiburger wissen das, die Berliner, die Frankfurter und möglicherweise trifft das auch auf die Hamburger zu, die in der ewigen Bundesligatabelle noch immer auf Platz 4 stehen und einst die Liga mit Stars prägten wie Willi Schulz, Uwe Seeler, Mani Kaltz, Kevin Keegen, Felix Magath oder Horst Hrubesch.
In Bayern hat der FC Augsburg Großklubs wie Nürnberg und 1860 München hinter sich gelassen und vielleicht bringt im nächsten Jahr Holstein Kiel als nördlichster Klub mehr Leben in die Liga als der HSV in den vergangenen Jahren. Tradition schießt im Gegensatz zu Geld und Fremdgeld nämlich keine Tore.