Brennpunkt Brecht-Festival
Von Siegfried Zagler
Die politische Debatte um das am Sonntag zu Ende gegangene Brecht-Festival hat am gestrigen Mittwoch Fahrt aufgenommen.
Nachdem die Augsburger Grünen dem Festival am gestrigen Dienstag einen dramatischen Einbruch in der öffentlichen Wahrnehmung attestierten, meldete sich heute Bernd Kränzle, Fraktionsvorsitzender der Augsburger CSU zu Wort: „Der thematische Überbau des Brechtfestivals 2012 „Brecht und Politik“ hat zirka. 9.000 Besucher angesprochen.“ Die überregionale Wahrnehmung sei außerordentlich gewesen. „Die Inszenierungen „Die Maßnahme“, „Der Augsburger Kreidekreis“ unter der Regie von David Benjamin Brückel und seinem Ensemble fanden begeisterte Zustimmung“, so Bernd Kränzle, der das Festival „als vollen Erfolg“ bewertete, da die außerordentlich positiven Brechtfestivals der letzten drei Jahre dazu beigetragen hätten, „Bert Brecht in Augsburg „heimisch“ zu machen.“
„Wo waren die Grünen?“
Pro Augsburg nimmt sich in der Debatte um das Niveau der Brecht-Festivalreihe unter der Ägide von Joachim Lang die Grünen zur Brust. „Betonfest“ stünden sie zu dem 2008 gefassten Beschluss, nach dem alles, was nach Herrn Ostermaier auch kommen mag, ein Absturz sein müsse. In einer von Johannes Althammer und Stadtrat Dr. Rolf Harzmann (beide Pro Augsburg) verfassten Pressemitteilung reklamiert die Politvereinigung, dass die Grünen viel zu selten vor Ort waren, um das Festival kritisieren zu können: „So liest der seinen Augen nicht trauende Mitbürger, dass „… gerade junge Menschen beim Festival-Programm kaum sichtbar …“ gewesen seien. Ganz anders der Eindruck (die „jugend-pflichtigen“ Konzerte einmal ausgenommen) am 07.02.12 bei „Lust auf Lyrik“, die von Neunt-Klässlern für andere Jugendliche und deren Eltern zelebriert wurde. Schwarz und Orange waren zu dritt vorhanden, Grün nicht. Herzhaft jung auch der „Schüler-Slam“ (10.02.12), nur noch jung und völlig überfüllt „Onkel Ede“ (Kinderkonzert am 10.02.12). Selbst der Philosophy-Slam am 08.02.12 imponierte mit einem Altersschnitt von ca. 30 Lenzen – trotz der körperlichen Anwesenheit von 3 Rot-Orange-Personen. Wo waren die Grünen denn, die nun so gründlich Defizite orten?“
Verblüffend sei auch die Botschaft gewesen, dass die lokale und überregionale Wahrnehmung des Festivals dramatisch nachgelassen habe, da die SZ, Die Welt, der BR per Nachtlinie, die Tagesschau und das Nachtmagazin der ARD nicht nur umfassend, sondern auch positiv berichtet hätten. „Man könnte auf den Gedanken verfallen, dieses grüne (Vor-)Urteil als Frustrations-Variante von Wunschdenken zu verstehen“, so Pro Augsburg.
„Ohne Herrn Dr. Lang in den Rang einer Lichtgestalt heben zu wollen“, (…) müsse man bereit sein, die Wirklichkeit so wahrzunehmen, wie sie ist, und nicht so, wie man sie gerne hätte. „Nur belehrt von der Wirklichkeit können wir die Wirklichkeit ändern“. Mit diesem Brecht-Zitat wird die Grünen-Schelte von Pro Augsburg unterfüttert.
„Obsoletes und irrelevantes Geplaudere“
Aus einem anderen Blickwinkel bewerten die Augsburger Linken die Veranstaltung. „Jetzt sollte eine Evaluation stattfinden, bevor der Vertrag mit dem Festival-Leiter Joachim Lang verlängert wird“, so Otto Hutter, kulturpolitischer Sprecher des Kreisverbandes der Augsburger Linken. Unter dem Motto „Brecht und Politik“ sei ein „Forum für gesellschaftspolitische Fragen“ versprochen worden. „Bekommen haben wir ein obsoletes und irrelevantes Geplaudere darüber, ob Brecht das Etikett „Kommunist“ aufzukleben sei oder nicht“, so Hutter, der monierte, dass „die Frage, welche Anregungen für uns heute Brechts Werk gibt – mit seinen Themen Machtmissbrauch, Unterdrückung, Ausbeutung -, in geradezu skandalöser Weise ungestellt blieb.“ Besser wäre es, das Festival in das Stadttheater einzugliedern. „Mit dem eingesparten Honorar für Joachim Lang – die Rede ist von 40.000 Euro – könnte die Stadt Jugendlichen sowie finanziell schlechter gestellten Mitbürgern den Besuch des Brecht-Festivals ermöglichen“, so Hutter im O-Ton.
Ungeachtet der in Fahrt kommenden öffentlichen Bewertung des Brecht-Festivals und ungeachtet des Umstandes, dass es bezüglich des Brecht-Festivals 2013 weder einen Stadtratsbeschluss, noch einen Werkvertrag für einen Festivalleiter gibt, führt Dr. Joachim A. Lang in Berlin bereits „Gespräche über das nächste Festival; unter anderem trifft er Claus Peymann, den Chef des Berliner Ensembles“, wie es in der Augsburger Allgemeinen heißt.