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Montag, 20.01.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Brechtfestival

Brecht im City Club: Die heldenhafte Judith von Shimoda

Die heldenhafte Judith von Shimoda im City Club. Ein bemerkenswerter Beitrag des Theter Ensembles zum Brechtfestival

Von Halrun Reinholz

Was passiert mit den Helden, wenn sie nicht mehr im Fokus der Wahrnehmung stehen? Im finnischen Exil kommt Brecht mit einem Stück in Kontakt, in dem der japanische Dramatiker Yuzo Yamamoto die Geschichte der sagenhaften Geisha Okichi von Shimoda verarbeitet. Sie rettet ihre Stadt vor den Kanonen der Amerikaner, indem sie sich in die Höhle des Löwen begibt und dem amerikanischen Konsul zu Diensten ist, obwohl die Regierung jeden Kontakt zu den Besatzern verboten hat. 

Als Heldin geht sie in die Geschichte ein, aber von ihren Mitmenschen wird sie als „Amerikaner-Hure“ geschmäht und in ein Leben als Außenseiterin getrieben. Erst 2006 wurde dieses Stück aus Nachlassfragmenten Brechts zusammengesetzt und aufgeführt. Das Theter Ensemble hat es nun mit engagierten Laiendarstellern unter der Regie von Iris Schmidt als Beitrag zum Brechtfestival 2022 auf die Bühne des City Clubs gebracht.

Zeitgemäß findet die Rahmenhandlung als Online-Tutorium statt. Luisa Paulin als gestrenge Dozentin diskutiert mit Franziska Rosenbaum, Ana Stankovic und Daria Welsch, die es sich zuhause gemütlich gemacht haben, über die Geisha Okichi. Filmisch eingeblendet wird die Binnenhandlung, wo es darum geht, was mit Helden passiert, wenn sie ihre Heldentat vollbracht haben und wieder „in der Masse“ verschwinden. 

Skurril und komisch agiert das Team auf der Bühne und auch in den Filmszenen („Alpenhotel“ lässt grüßen!) in wechselnden Rollen mit sichtlicher Spielfreude. Unterstützt werden sie noch von Verena Gawert, Felix Nölte (der Taxifahrer!), Larissa Pfau, Sabah Qalo, Richard Richter, Iris Schmidt und Leif Eric Young. Ein großes Vergnügen ist diese zeitgemäße und gleichzeitig kritische wie empathische Auseinandersetzung mit dem Heldinnenmythos. 

Mit diesem seltenen Brecht-Stück  leistete das Theter-Ensemble einen wertvollen Beitrag zum Brechtfestival – und das zum sichtlichen Vergnügen des Publikums.