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Sonntag, 09.03.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Brechtfestival: Was plant Bananenbär?

Genosse BB unter Beobachtung der Stasi: Auch beim diesjährigen Brechtfestival scheuten die bluespots Productions keinen Aufwand, um das Thema des Brechtfestivals „spielend“ nachvollziehbar zu machen.

Von Halrun Reinholz

Es heißt, Bertolt Brecht sei nach Augsburg zurückgekehrt, um sich hier in die Kulturszene einzumischen. Ist das wahr? Und kann das der DDR schaden? Um das Geschehen mit Argwohn zu beobachten, hat sich der Staatssicherheitsdienst in Augsburg einquartiert. In der „Zentrale“ laufen die Ermittlungsfäden zusammen. Jede Beobachtung ist wichtig, deshalb werden IMs rekrutiert und mit Aufgaben versehen. „Im festen Vertrauen auf Ihre politisch operative Zusammenarbeit“ erhält IM „Lachnur“ Aufträge, um „Bananenbär“ zu beobachten. „Morgen 11 Uhr geheimer Termin von BB bei der Stadtsparkasse zwecks Geldzuwendungen. Tarnen Sie sich als Azubi.“ Ein V-Mann bei der Bank wird als Ansprechpartner empfohlen. Es geht schließlich um die alles entscheidende Frage: Ist BB ein Staatsfeind oder ein Staatsfreund?

„Das große Spitzel Spiel“ hat das Ensemble bluespots productions zum Brechtfestival 2016 inszeniert. In der „Stasi-Zentrale“ (das alte Stadtarchiv kann die Atmosphäre abgewohnter Büroräume wunderbar vermitteln) wird die Frage des Verhältnisses von Brecht und der DDR thematisiert. Was die IMs zusammengetragen haben, soll in der Langen Brechtnacht ausgewertet werden. In allen Räumen findet Aktion statt. Eine (sehr laute) Musikperformance verarbeitet gesprochene Tondokumente von Bertolt Brecht mit Gitarrenbegleitung und endlosen Wiederholungen kreativ. Eine „Schlangentänzerin“ schlängelt sich durch die Zentrale. In einem Raum wird Brecht geprobt: Puntila und sein Knecht Matti. Ein Bücherregal lädt zum Schmökern ein: Alles von oder über Brecht. Daneben hängen Kopfhörer, man hört Gesprächen zu, die wo auch immer stattfinden. Der Höhepunkt ist natürlich das reich mit DDR-Devotionalien ausgestattete Büro des Stasi-Chefs, den Linus Förster mit grauer Perücke und Schnurrbart autoritär mimt. Beim „Verhör“ leuchten seine Brillengläser furchterregend, denn da sind Lampen integriert. Das Formular, das man als IM unterschreiben muss, hat einen beeindruckenden DDR- Stempel. Der „dienstbeflissene Hauptmann Wuttke“ mit Hut und (Tarn-) Mantel sorgt für den geregelten Ablauf der IM-Befragungen und Rekrutierungen. BB selbst (Leif Eric Young) ist anwesend und liest, von IM Uwe unterstützt, ungläubig aus Berichten über ihn vor. Wie bei der „Exil“-Erfahrung im Bahnpark im letzten Jahr fließen Realität und Fiktion zusammen. Real ist jedenfalls das Angebot an Essen und Getränken in der Zentrale. Letztere durchaus DDR-nostalgisch: Köstritzer Schwarzbier, Erlauer Stierblut. Das Essen zum Glück nicht: Die kreativen Pizzas der Firma MAKI (leider nicht in Augsburg ansässig) waren für so manchen Festivalbesucher durchaus ein Grund, die Zentrale zwischendurch öfter aufzusuchen: „Kässpatzen-Pizza mit karamelisierten Zwiebeln“, „Leberkäs-Pizza mit Mango Chutney“ oder „Ziegenkäse-Pizza mit Rote Bete“, alle mit dem „handgemachtesten“ (und köstlichen) Teig der Stadt, kann man selten irgendwo bekommen.

Wie es ausging mit Bananenbär? Laut  Abschlussbericht ist er zu 37% ein Staatsfreund und zu 37% ein Staatsfeind. 25% der IM konnten „keine politische Haltung Brechts im Sinne der anzustrebenden Weltkulturrevolution erkennen“. Fazit der Stasi: Die kulturelle Revolution in Auxburg steht noch bevor. Oder, um es mit Brecht zu formulieren: Vorhang zu und alle Fragen offen.

——Foto: Nina Hortig