Brechtfestival: Steinbrocken von Brecht und anderen
Musikkabarettist Gunzi Heil sucht Brecht zwischen Jim Morrison und Konstantin Wecker
Von Halrun Reinholz
Der Mann mit den langen blonden Haaren sitzt am Klavier und haut in die Tasten – auch dann, wenn er eigentlich grad was erzählt. Von Brecht und seinem Grabstein, aber da hat er schon den Stein losgetreten, der das Kabarettprogramm über fast zwei Stunden als Fixpunkt begleitet: Alles lässt sich auf Steine zurückführen und der Kabarettist sieht es als seine Aufgabe an, die Brocken, die uns Brecht mit seinem Werk „hingeworfen“ hat, zu sichten und in neue Zusammenhänge zu bringen. Galileo Galilei zum Beispiel, der hat auch Steine vom Turm herab geworfen, um seine Theorie zu beweisen. Und Einstein, ein weiterer Wissenschaftler, hat auch den Stein im Namen. Brecht sei quasi „der Einstein der neuen Bühnenform“ geworden und Vorbild für viele, die heute noch an seinem Werk zehren – etwa Drafi Deutscher mit seinem bekannten „Mineralienkunde-Lied“, wo bestimmte Steine zu Bruch gehen. Mit atemberaubenden Tempo knüpft Gunzi Heil die Fäden der Assoziation – natürlich nicht nur verbal, sondern mit bester Musikuntermalung. Von „Rock around the clock“ bis Peter Maffay („Und es war Sommer“) ist der Weg nicht weit: Maffays Lied ist nur eine Adaption des Pflaumenbaum-Gedichtes mit der weißen Wolke und weiter geht es „über den Wolken“ bis zu den „weißen Wolken“ (mal nicht Tauben), die „müde“ sind. Von der Liebe zum Geld, als Helge Schneider verkleidet gab er „Vom Geld“ zum besten. Vom Geld zum Trinken (ein Lied zur Klampfe mit der Bierflasche „gezupft“ , davor noch „the way to the next whisky bar“), zum Krieg, zur Flucht, zur Zivilcourage (Konstantin Weckers Willi), zum Frieden, zum „Stern, der deinen Namen trägt“. Selbst von „Atemlos“ konnte eine Brücke zu Brecht gebaut werden, denn „Helene war wichtig für Brecht“. Mit intelligentem Witz zeigte der studierte Literaturwissenschaftler, dass er sich bei Brecht auskennt, die Brücken wirkten niemals verkrampft. Höhepunkt der Darbietung war zum Schluss die Performance von „Professor Zweistein“ auf der Puppenbühne, der über die „dritten Zähne“ des Haifischs kalauerte und das „Kukident-Zeitalter der Brechtforschung“ verkündete, das jedoch keinesfalls ohne „Brechtreiz“ sei. Ein vergnüglicher Sonntagvormittag am letzten Tag des Brechtfestivals.