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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Brechtfestival ohne Gala, doch mit vielen Highlights

Erstmals gibt’s einen Wissenschaftskongress. Und auch der Bayerische Rundfunk ist dabei.

Von Frank Heindl

Nicht mal mehr zwei Monate, dann ist’s wieder so weit: Das nächste Brechtfestival beginnt am 3. Februar, und am Mittwoch stellte Festivalleiter Joachim Lang der Presse sein ambitioniertes neues Programm vor. Beim vergangenen Brechtfest war der Film dran, diesmal heißt das Schwerpunktthema Musik – oder „Misuk“, um mit Brecht zu sprechen.

Dominique Horwitz führt durch die Eröffnungsveranstaltung im Goldenen Saal des Rathauses

Dominique Horwitz führt durch die Eröffnungsveranstaltung im Goldenen Saal des Rathauses


„Musik–Misuk“ – so prangt es auch, grün auf weiß, auf dem 96 Seiten dicken Veranstaltungsheft, das vom heutigen Donnerstag an (und damit genau rechtzeitig zum Vorverkaufsbeginn) an den üblichen Stellen ausliegen wird. Warum „Misuk“, das erklärte Brecht-Kenner Jürgen Hillesheim von der Brecht-Forschungsstätte an der Staats- und Stadtbibliothek: Im Rahmen seiner Theorie des epischen Theaters wollte Brecht das traditionelle Theater komplett auf den Kopf stellen – und erfand sich dazu gleich ein neues Vokabular: Nicht mehr Theater, sondern „Thaeter“ sollte die Veranstaltung heißen. Und analog dazu taufte der große Neuerer auch die Musik um – in „Misuk“ eben, weil auch sie in seinem Konzept neue Funktionen erhalten sollte.

Dass die Brecht-Wissenschaft einen zentraleren Teil des Festivals einnimmt, dürfte eine der wichtigsten Neuerungen sein, die Lang im Vergleich zum letzten Mal vorgenommen hat: In Zusammenarbeit mit der Uni Augsburg wird es einen zweitägigen Kongress geben, der sich des Festivalthemas annehmen wird und die Brechtsche Theorie des „Verfremdungseffekt“ auf die Musik in seinen Werken anwenden will. Die internationale Wissenschaftler-Crew soll dabei, so schwebt es Lang vor, „nicht im Elfenbein, sondern in der Stadt“ diskutieren, weshalb die Veranstaltung nicht in einem Hörsaal fernab des Festivals, sondern im Augustanasaal stattfinden wird.

Die große Gala entfällt diesmal

Für machen mag es überraschend scheinen, dass Joachim Lang für sein nächstes Festival auf die in der vergangenen Saison so erfolgreiche (und daher gleich zweimal veranstaltete) Gala verzichtet. „Wir machen dafür zehn Tage lang Gala“, scherzte er bei der Programmvorstellung, fügt aber ernsthaft an, das Festival biete diesmal tatsächlich viele Stars an, aber eben verteilt auf die ganze Veranstaltungsreihe. Eine große Show im Theater mit Gianna Nannini war zwar geplant, musste aber wegen der Schwangerschaft der italienischen Rocksängerin abgesagt werden. „Im nächsten Jahr werden wir wieder eine große Gala haben“, kündigt Lang an.

Andere bewährte Elemente bleiben dem Festival glücklicherweise erhalten: Den Poetry Slam etwa, der im vergangenen Jahr im ausverkauften Parktheater stattfand, wird es nach der gleichen Rezeptur wieder geben – fünf Schauspieler des Stadttheaters treten im „Dead or alive“-Contest gegen Stars der deutschen Slam-Szene an.

Lange Nacht mit vielen Künstlern und der BR-„Nachtlinie“

Brecht-to-go: Im letzten Jahr war's ein kleiner Skandal, weil Bürger die in der Stadt verteilten Schauspieler für Nazis hielten. Auch dieses Jahr wird es eine ähnliche Veranstaltung geben

Brecht-to-go: Im letzten Jahr war's ein kleiner Skandal, weil Bürger die in der Stadt verteilten Schauspieler für Nazis hielten. Auch dieses Jahr wird es eine ähnliche Veranstaltung geben


Eine neue Veranstaltungsart dagegen ist die „Lange Brechtnacht“, quasi zur Einstimmung gleich am ersten Festivaltag: In verschiedenen Kneipen der Innenstadt zeigen 13 Künstler und Bands ein breites Spektrum an musikalischer Brecht-Bearbeitung auf – begleitet und aufgezeichnet wird das Ganze von der „Nachtlinie“ des Bayerischen Rundfunks, das BR-Team wird dazu in einer Trambahn das Geschehen umkreisen und Künstler zu Talk und Interviews einladen. Die daraus entstandene Sendung kann man im Rahmen eines „Public Viewing“ an Brechts Geburtstag, dem 12. Februar, schon vor der offiziellen Ausstrahlung im Kaffeehaus Thalia sehen.

Eine Vielzahl von weiteren Veranstaltungen an den zehn Tagen des Festivals macht beim Lesen des Programms großen Appetit. Offizieller Start ist am 4. Februar – wie gehabt im Goldenen Saal, diesmal moderiert von Schauspieler Dominique Horwitz. Doch schon am Vortag tritt der größte Star des Festivals auf: Ute Lemper singt, begleitet von Flügel und Bandoneon, in der Stadthalle Gersthofen Songs von Brecht und anderen. Am 13. Februar schließlich endet das Festival mit einer eigens für das Festival veranstalteten Neuinszenierung von Brechts umstrittenstem Stück „Die Maßnahme“. Diese Inszenierung wird sicherlich erneut heftige Diskussionen anregen – deshalb beginnt der Abend mit einer Einführung.

Maria Farantouri und Robyn Archer

Maria Farantouri, große Sängerin und Brecht-Interpretin singt am 10. Februar im Stadttheater

Maria Farantouri, große Sängerin und Brecht-Interpretin singt am 10. Februar im Stadttheater


Zwischen Anfang und Ende gibt es weitere große Stars wie die griechischen Sängerin Maria Farantouri, aber auch Brecht-Verfilmungen im Thalia-Kino, die Prämierung eines Kurzfilm-Wettbewerbs, den das Augsburger Popbüro veranstaltet (Einsendungen noch bis zum 21.12. an das Popbüro möglich, ca. 80 Filme sind bereits eingegangen), thematische Konzerte des Philharmonischen Orchesters und zwei Brecht-Inszenierungen des Stadttheaters („Mann ist Mann“ sowie „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, beide Premieren sind schon vor Festivalbeginn). Sogar den Opernball wird Bert Brecht in diesem Jahr beeinflussen: Die Sängerin Robyn Archer tritt hier mit ihrem Brechtprogramm als Gaststar auf. Nicht zu vergessen: Viele Akteure der Augsburger Musik- und Theaterlandschaft sind ins Programm integriert: Das s’ensemble-Theater etwa steuert eine 24-Stunden-Produktion bei, „Text will Töne“ ist mit seinem Brecht-Programm vertreten, auch die Lyrikerin Lydia Daher macht mit.

David Benjamin Brückel hat die Regie bei der Neuinszenierung von Brechts „Maßnahme“

David Benjamin Brückel hat die Regie bei der Neuinszenierung von Brechts „Maßnahme“


Joachim Lang sieht sich selbst auf gutem Weg, jene Ziele zu erreichen, die er mit dem Augsburger Brechtfestival verfolgt: Er will das von der Wissenschaft in den letzten Jahren deutlich revidierte Brechtbild in die Öffentlichkeit „nach außen tragen“, die Brechtrezeption aus den Fesseln der Ideologie befreien und dabei auch und vor allem die Wahrnehmung Augsburgs als Brechtstadt befördern. Wenn nicht alles täuscht, dürfte das mit seinem Programm fürs nächste Jahr ein Stück weit möglich sein. Ob die überregionale Beachtung wirklich so wichtig, steht auf einem anderen Blatt.

Die fehlende Gala wird sich da womöglich negativ auswirken – aber die Orientierung an solchen vor allem medial erfolgreichen Großveranstaltungen kann ohnehin nicht das Ziel eines Festivals sein, das sich schließlich nicht irgendeinem Popstar widmet, sondern mit Bertolt Brecht einem Dichter, der zwar in die Breite wirken wollte, aber auch und vor allem in die Tiefe. Das lässt sich mit Verflachung nicht machen – auch daran orientiert sich die Programmgestaltung. Und schließlich bietet das Festivalthema Musik genügend Möglichkeiten, Publikum aus den verschiedensten Interessensbereichen anzuziehen.

» www.brechtfestival.de