Brechtfestival-Finale: Schauspiel für Augen und Ohren
Mutter Courage als Gastspiel des Berliner Ensembles und Bühnenmusik im Sinfoniekonzert zum Abschluss des Festivals, dessen Zukunft nach wie vor ungewiss ist.
Von Halrun Reinholz
Die letzten Tage des Brechtfestivals nach dem Wochenende brachten diesmal statt der „Geburtstagsgala“ mal eine andere Art der Hommage an den Dichter: Vor zweimal ausverkauftem Haus stand das Berliner Ensemble mit Claus Peymanns Inszenierung der Mutter Courage auf der Bühne. Schnörkellos am Text inszeniert – für manche wohl enttäuschend, wenn sie bei Peymann etwas anderes erwartet hatten. Die Inszenierung aus dem Jahr 2005 scheint ein Selbstläufer zu sein, ist seither durch die Welt getourt und steht auch in Berlin nach wie vor auf dem Spielplan. Beweis genug, dass Brecht (zumindest in diesem Fall) keine Verschnörkelung braucht und durch sich selbst wirkt. Nein, nicht allein durch sich selbst, alles wäre nichts ohne die hervorragenden Darsteller. Großartig (und seit 10 Jahren dabei) Carmen-Maja Antoni als Mutter Courage, beweglich, klar in der Aussprache, souverän auch im Gesang. Kongenial aber auch die weiteren Darstellerinnen und Darsteller: Karla Sengteller als stumme Kattrin, Raphael Dwinger und Michael Rothmann als Söhne, Ursula Höpfner-Tabori als Yvette, Martin Seifert als Feldprediger und Manfred Karge als Koch (um nur einige herauszugreifen). Unaufdringlich einfühlsam die musikalische Begleitung am Bühnenrand. Was für ein Geschenk für Augsburg zu Brechts Geburtstag! Das Publikum lässt sich zu standing ovations hinreißen – beim Schauspiel ist das in Augsburg nicht gerade die Regel.
An beiden Abenden lief parallel zur Courage das Sinfoniekonzert in der Kongresshalle, auch wieder als Teil des Brechtfestivals konzipiert. Unter dem Motto „Schauspiel für die Ohren“ lag der Schwerpunkt auf Bühnenmusik. Brecht war indirekt vertreten durch die „Kleine Dreigroschenmusik“ von Kurt Weill, einer Suite aus dem Jahr 1929 mit vielen Aha-Effekten für das Publikum, das die Brecht-Songs kaum als Melodien ohne Texte kennt. Danach die „Sinfonia tragica“ von Karl Amadeus Hartmann aus dem Jahr 1940, sie bedient auf besondere Weise das Thema Exil: Der Schüler von Anton Webern war zwar selbst nicht im Exil, befand sich aber in den frühen 40er Jahren in der inneren Emigration angesichts des seiner humanistischen Grundhaltung widersprechenden Gebaren des NS-Regimes. Im zweiten Teil des Konzerts schließlich das Thema Widerstand und Heldentod anhand der „Schauspielmusik zu Goethes Egmont“, die Beethoven 1810 geschrieben hat. Die Musik folgte einem literarischer Vorspann, der Schauspieler Sebastian Koch las „Heroischer Augenblick“ von Stefan Zweig – jenen Text aus „Sternstunden der Menschheit“, der die Begnadigung des Revolutionärs Fjodor Dostojewski im Augenblick seiner beabsichtigten Hinrichtung thematisiert. Das schlägt den Bogen zu Egmont, den gescheiterten Freiheitskämpfer für die Niederlande gegen die Spanier. Mit großem expressivem Geschick las Sebastian Koch die Texte zwischen den Musikteilen, „assistiert“ von Kathrin Lange, die aus dem Hintergrund auftauchte, um die beiden Lieder Klärchens zu singen. Ein ungewöhnliches und doch festivaltaugliches Programm und daher großer Beifall für Lancelot Fuhry und die Ausführenden.
Und nun ist das Brechtfestival wieder vorbei, „der Vorhang zu, und alle Fragen offen“, muss man sagen. Wie es im nächsten Jahr weiter geht, ist nach wie vor in der Schwebe. Joachim Lang feiert den guten Publikumszuspruch. Das Publikum zeigte sich dankbar für so manche gute und außergewöhnliche Veranstaltung und harrt der Dinge, die da beim nächsten Brechtfestival kommen werden.