Brechtfestival: Brecht und die Wilde Bühne
Im Hoffmannkeller wird der Zeitgeist der wilden Zwanziger in Berlin heraufbeschworen
Von Halrun Reinholz
Brecht kam nach Berlin in eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs nach dem Ersten Weltkrieg, eine Zeit, in der Sinnlichkeit und Frivolität neben politischer Radikalisierung auf beiden Seiten das Stadtbild prägten. Die wilden Zwanziger eben. Ein Abbild dieser Zeit bot Trude Hesterbergs „Wilde Bühne“: Eine von einer arbeitslosen Opernsängerin gegründeten Kabarettbühne, auf der im Genre der musikalischen Revue pazifistische Gesellschaftskritik in einer von Militarismus geprägten Zeit und spielerische Lust an der Kunst aufeinandertrafen. Beteiligt waren verschiedene Texter, Komponisten und Sänger (vor allem Sängerinnen) – auch Bertolt Brecht gehörte dazu. Michael Friedrichs hat für das diesjährige Brechtfestival, das dieser Zeitspanne gewidmet ist, ein Programm zusammengestellt, das ein Stück der Atmosphäre dieser Bühne vermitteln soll.
Hochkarätiges im Kellertheater
So ähnlich wie im Hoffmannkeller, bemerkt der auch als Moderator fungierende Friedrichs, müsse es auch in der “Wilden Bühne” ausgesehen haben. Womit man bereits eingetaucht wäre in die Keller-Stimmung. Hilfreich die Bilder, die Friedrichs mit Erklärungen an die Wand wirft (wenn sie auch zuweilen seltsame Zeichnungen auf die Gesichter der in ihrem Weg stehenden Sänger malen). Die Stimmung machen aber die Musiker: Der als Brecht-Lieder-Kenner in Augsburg bestens eingeführte Geoffrey Abbott am Piano hat als Verstärkung den begnadeten Saxophonisten Kay Fischer mitgebracht. Die Sänger sind wohlbekannt: Isabell Münsch, klassisch ausgebildete Sopranistin und Brecht-Spezialistin gleichermaßen, verwundert in diesem Rahmen nicht. Der Bariton Stefan Sevenich jedoch, ehemaliges Mitglied des Augsburger Opernensembles mit ausgeprägtem komödiantischen Talent, ist im Brecht-Kontext bisher noch nicht aufgefallen. Das Zusammenspiel funktioniert jedoch hervorragend. Mit wenigen Handgriffen verwandelt sich Isabell Münsch vom mondänen Vamp in eine puppenhafte Marionette und Sevenich kann seine Spielfreude ausleben in der verzweifelten Eifersucht auf den „Tangogeiger“ oder wenn er seinen „Körper schwarz bepinseln“ lassen will. Brecht kommt immer wieder vor, wird jedoch flankiert von anderen zeitgenössischen Textern (Tucholsky, Wedekind) und Komponisten (Hanns Eisler, Kurt Weill, Friedrich Hollaender), sodass bei allem Ernst gesellschaftskritischen Hintergrunds ein insgesamt vergnügliches Panorama entsteht. Enthusiastischer Applaus im ausverkauften Keller.