Brechtfestival: Abschiedsstimmung!?
Zum Auftakt des Brechtfestivals begeisterte die Brecht-Revue des Berliner Ensembles das Augsburger Publikum. – Ganz im Geiste Brechts waren die Anspielungen und Zwischentöne bei der Eröffnungsveranstaltung im Großen Haus.
Von Halrun Reinholz
„Es wechseln die Zeiten …“, unter diesem Motto fand die Eröffnung des Brechtfestivals 2016 im Großen Haus statt. Und tatsächlich schwebt über diesem Festival der Hauch des Wechsels – oder vielmehr des Abschieds von Joachim Lang, der das Brechtfestival nun zum siebten Mal leitet und die Vierer-Reihe mit Bezügen zu Brechts Biographie nun sauber zum Abschluss bringt. So glaubte man es zumindest bisher zu wissen. Zu einem Wechsel würde allerdings auch der Hinweis auf die Nachfolge bei der Weiterführung des Festivals gehören, dieser kam jedoch bislang von den zuständigen Stellen nicht. Ganz im Gegenteil, kurz vor Beginn des Festivals entstanden Gerüchte, Joachim Langs Vertrag würde um ein weiteres Jahr verlängert werden. Die Süddeutsche Zeitung schrieb auch schon forsch vom „vorletzten“ Brechtfestival Langs. Wechseln die Zeiten also – oder doch nicht?
Ohne Theater findet Brecht nicht statt
Genau wie im letzten Jahr ohne einleuchtenden Grund moderierte Anja Marks-Schilffahrth den Reigen der zwei (!) Eröffnungsreden. Mit welcher Legitimation und in wessen Namen auch immer rügte sie ausdrücklich und namentlich die Kulturstadträtin der Grünen Verena von Mutius, die sich mit ihrer Fraktion dezidiert gegen eine in der Luft liegende weitere Verlängerung des Lang-Vertrags ausgesprochen hatte. Kulturreferent Thomas Weitzel ging in seiner Rede nicht auf die Zukunft des Festivals ein, wohl aber auf das Thema Theater. „Gerade noch rechtzeitig“ sei Brecht heimgekehrt ins Augsburger Theater, bevor es wegen Sanierung geschlossen wird. Auf der Suche nach Brecht-Zitaten zur Notwendigkeit eines Theaters sei er nicht fündig geworden, weil das Theater für Brecht eine Selbstverständlichkeit gewesen sei und eine zivilisierte Stadt ohne Theater nicht vorstellbar. Deutlich
machte er klar, dass es auch in Zukunft ohne ein gut ausgestattetes Theater keine Möglichkeit geben wird, sich mit den Themen der klassischen, modernen und zeitgenössischen Theaterliteratur auseinanderzusetzen – auch nicht mit der von Brecht. Dieser habe als Schöpfer des epischen Theaters für vollkommen neue Wege des Theaters gesorgt, die dieses dauerhaft geprägt haben. Aber auch er sei mittlerweile ein Klassiker, den man interpretieren muss. „Eine Brechtstadt ohne Theater ist nicht vorstellbar“, resümierte er. Deutlicher als bisher zeigte Weitzel damit sein Unverständnis über die Sanierungsdiskussion, vor allem über das Argument des altersbedingt wegbrechenden Theaterpublikums. „Das Theater gibt es schon seit 2500 Jahren und mehr als einmal wurde es für tot erklärt.“ Ausdrücklich plädierte er zudem für die Nutzung des Brechthauses als „kleines, aber feines Literaturhaus“ – eine weitere Baustelle im Augsburger Kulturbetrieb, die einer Lösung bedarf.
Aktueller Bezug und breite Basis
Joachim Lang hob hervor, dass es ihm als Festivalleiter immer darum gegangen sei, die aktuellen Bezüge zu Brecht herzustellen. Das diesjährige Festival hat die letzten Lebensjahre Brechts im Fokus, die Zeit nach der Rückkehr aus dem Exil. „Die Vaterstadt, wie empfängt sie mich wohl?“ schließt als Veranstaltungsmotto den Kreis zur Geburtsstadt Augsburg, aber gleichzeitig steht „Vaterstadt“ für ganz Deutschland, das Brecht erst aus der Distanz beobachtete, bevor er sich für Ostberlin als Wohn- und Wirkungsort entschied. Hier versuchte er, sich einzubringen in die neue Gesellschaft. Lang zitierte den Text, den Brecht für eine neue Staatshymne vorgeschlagen hatte: „Anmut sparet nicht, noch Mühe/ Leidenschaft nicht, noch Verstand/ Dass ein gutes Deutschland blühe/ Wie ein andres gutes Land.“ Er versicherte, dass er sich der Brechtstadt nach sieben Jahren Festival-Leitung sehr verbunden fühle und sich sicher sei, Brecht „heimgeholt“ zu haben.
Zwischendurch unterbrach Lang seine Rede, um den Schauspieler Thomas Thieme zu Wort kommen zu lassen. Dieser las zwei späte Gedichte Brechts vor und zeigte damit seine Verbundenheit mit Lang und dem Festival, zu dem er immer wieder beigetragen hatte (auch in diesem Jahr). Bevor Joachim Lang nun das Festival eröffnete, dankte er seinen Mitstreitern und Unterstützern betont salbungsvoll und bat alle am Programm Beteiligten auf die Bühne. Mit dieser eindrucksvollen Demonstration verwies er wohl auf die breite Basis, auf der das Festival in der Augsburger Gesellschaft steht. Insofern sah es tatsächlich aus, als wollte er Abschied nehmen, aber explizit wurde das auch bei ihm nicht.
Brecht-Revue des BE begeistert
Passend zum Thema des Festivals wurde die Darbietung zur Eröffnung von Brechts ehemaliger Wirkungsstätte Berliner Ensemble bestritten. Dass seine Werke dort nach wie vor intensiv gespielt werden, ist bekannt. Entsprechend Brecht-versiert zeigten sich die vier Schauspielerinnen und sechs Schauspieler, die unter der Regie und Moderation des Brecht-Experten Manfred Karge in chronologischer Reihenfolge Songs und Texte aus Brecht-Stücken zum besten gaben. Weder das Berliner Ensemble noch die Form der Brecht-Revue waren für das Augsburger Festivalpublikum neu. Dennoch war das Gastspiel des BE ein hochkarätiges Vergnügen. Die Zusammenstellung zeigte nicht nur, wie unterschiedlich die Brechtschen Texte (und entsprechend auch die dazugehörigen Melodien) sind, sondern auch, wie unterschiedlich man sie interpretieren kann. Stimmgewaltigen „Urgesteinen“ standen junge Bühnenneulinge zur Seite, sodass sich im Ensemble eine reizvolle Mischung ergab. Das Programm, ursprünglich für ein Gastspiel in Paris zusammengestellt, endete dementsprechend mit Ensemble-Texten aus „Die Tage der Kommune“ und einer Zugabe daraus für das begeisterte Publikum.