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Samstag, 20.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Brecht für alle

Kulturausschuss im Bann des Brechtfestivals

Von Siegfried Zagler

Von allen Rednern wurde gestern im Kulturausschuss das am Sonntag zu Ende gegangenen Brechtfestival gelobt. Nachdem Festivalleiter Joachim Lang einen kurzen mündlichen Bericht erstattet hatte: zirka 11.000 Besucher, mehr war von Lang nicht zu erfahren, verstieg sich Karl-Heinz Schneider (SPD) in ähnliche Sphären wie OB Gribl in der „Nachtlinie“ („Das Brechtfestival soll so kreativ sein, wie Brecht selbst“). Es habe sich um ein rundum gelungenes Festival gehandelt, so Schneider, in dem es darum gehe, Brecht in seiner ganzen Vielfalt, also auch in der Provokation anzuerkennen. „Brecht wird immer mehr zur wichtigen Figur und zum Aushängeschild der Stadt“, so Schneider, dem immerhin nicht entgangen ist, dass beim städtischen Brechthaus die Entwicklung stehen blieb. „Nicht auf Stand, ein Makel, da zu brav und zu bieder“. Bernd Kränzle, Fraktionschef der CSU und Langs Adlatus, plädierte dafür, dass man sich frühzeitig beim Staatsministerium dafür einsetzen solle, dass man für Langs Festival über die üblichen drei Jahre hinaus Fördergelder bekomme. Kränzle outete sich als Fan: „Ich habe dazu gelernt, und ich bin begeistert“.

Rose-Marie Kranzfelder-Poth konstatierte, dass Lang Brecht vom Sockel geholt habe, weshalb es nun für die Augsburger leichter sei, Brecht zu begegnen. Bei soviel Lob wollte selbst Reiner Erben, Fraktionschef der Grünen und scharfer Kritiker des 2010er Festivals, nicht zurückstehen. „Ich kann mich allen Vorrednern anschließen“. Immerhin deutete Erben die Diskurs-Schwäche des Festivals an, indem er sich über die Theorie-Girlanden von Augsburgs Brechtforscher Jürgen Hillesheim lustig machte. Hillesheim will heraus gefunden haben, dass Brecht zahlreichen Gruppensexveranstaltungen beigewohnt haben soll. „Ist das Entideologisierung?“, fragte Erben provokativ in die illustre Runde der „Brecht-Experten“. „Was Lang zusammen mit seinen Mitarbeitern auf die Beine gestellt habe, sei vom Allerfeinsten gewesen, so Rolf Harzmann (Pro Augsburg), dem offensichtlich Dominique Horwitz am Samstagabend den Mut, den eigenen Verstand zu gebrauchen, genommen hatte. Einige Stadträte des Kulturausschusses überzeugten in ihrer Bewertung des Brechtfestivals, indem sie schwiegen.

Am unauffälligsten tat das Anneliese Haaser-Schwalm (SPD), da sie stets schweigt. Sehr auffällig schwiegen Andreas Jäckel, Dr. Tsantilas und Erwin Gerblinger (alle CSU) sowie Liselotte Grose (SPD). Laut und deutlich schwieg Christa Stephan (SPD). Kulturreferent Peter Grab wäre ebenfalls beinahe Philosoph geblieben, hätte er sich am Ende der holzschnitzartigen Lobhudelei nicht zu einem Schlusskommentar aufgerafft: „Dr. Joachim Lang hat es geschafft, mit Brecht breite Publikumsschichten zu erreichen“.

Brecht vom Sockel geholt, als Pop-Ikone poliert, Brecht zum Mitschunkeln und Mitsingen. So hört sich das an, wenn die Mitglieder des Kulturausschusses über das vergangene Brechtfestival sprechen. Brecht als entideologisierter „Heimatdichter“ (Schneider) für alle. Wenn man dem Kulturausschuss beim Lobpreisen zuhört, könnte man glauben, die Stadträte waren auf einem Schlagerfestival mit vielen bunten Luftballons. Der Kulturausschuss der Stadt Augsburg hat für den Stadtrat kulturelle Konzepte zu bewerten. Eine Aufgabe, die ihn überfordert. Selten war das so deutlich wie gestern. Über die nicht vorhandene Festivalqualität von Langs Brecht-Tagen wird andernorts die Rede sein.