Brecht: Ein Dichter, der die Kinder ernst nimmt
Nicht nur zur Festivalzeit bringt Karla Andrä Kindern die Gedichte von Bertolt Brecht näher.
Von Halrun Reinholz
Noch bevor das Brechtfestival 2015 eröffnet wurde, gab es sozusagen eine „Vorpremiere“ auf der Brechtbühne: Die „Kleine Brechtrevue“ für Kinder hat sich Karla Andrä ausgedacht, um Kindern die Gedichte von Bertolt Brecht schmackhaft zu machen. Nicht zum ersten Mal, es ist nach „Pflaumenbaum“ und „Onkel Ede hat einen Schnurrbart“ bereits das dritte Brecht-Programm, das sich speziell an Kinder richtet. Begleitet wurde Karla Andrä zur „kleinen“ Festivaleröffnung von drei Musikern, die in der Augsburger Jazz-Szene bestens bekannt sind: Josef Holzhauser (Gitarre), Uli Fiedler (Bass), Walter Bittner (Schlagzeug) und Daniel Mark Eberhard (Akkordeon). Und, nicht zu vergessen, auch von Kindern. Nämlich Mädchen der 6a des Gymnasiums Maria Stern, betreut von ihrer Lehrerin Ute Göpfert. Sie bildeten einen Chor, der das Geschehen auf der Bühne umrahmte.
Wieso Brecht für Kinder? „Es gibt kaum einen Dichter, der so verständlich, klar und einfach formuliert, und die Kinder dabei so ernst nimmt“, ist Karla Andrä überzeugt. Freilich hat er auch Gedichte speziell für Kinder geschrieben, für seine eigenen nämlich, aus diesem Fundus kann man schöpfen.
Kinder sind schon seit mehr als 20 Jahren das Zielpublikum der Schauspielerin Karla Andrä. Damals gründete sie zusammen mit ihrem Mann, dem Musiker Josef Holzhauser, das FaksTheater für Kinder, und spielt seither regelmäßig Stücke mit Musikbegleitung für die ganz Kleinen. Bald kam sie in diesem Zusammenhang auch auf Bertolt Brecht, der sie selbst von früher Kindheit an begleitet hat. Brecht war in der DDR, wo sie aufgewachsen ist, sehr präsent .In der Grundschule, im Gymnasium, im Studium, überall begegnete Karla Andrä Brecht und als sie in den Westen kam, wunderte sie sich sehr, wie wenig die Kinder ihn hier kannten. So entstand die Idee zu ihrem ersten Brecht-Kinderprogramm „Pflaumenbaum“, damit brachte sie witzige und nachdenkliche Gedichte zu (meist von Josef Holzhauser eigens komponierter) Musik den Kindern näher. „Onkel Ede hat einen Schnurrbart“ entstand zum Brechtfestival 2013 und liegt auch als CD vor. Nun also die „Kleine Brechtrevue“ mit direkter Beteiligung von Kindern, die an den Gedichten und Liedern sichtlich Spaß hatten und begeistert mitmachten. Albernes war dabei, wie der faule Fisch Fasch, aber auch die „Kinderhymne“, wo im Rahmen eines Flash-Mobs alle Zuschauer nach und nach aufstanden, mitsangen und mittanzten. Und so nebenbei erzählte Karla Andrä von Brecht, wie er ins Exil musste. Mit ganz vielen Koffern begab sie sich auf die Reise in die verschiedenen Städte, die als Punkte auf dem Bühnenboden markiert waren.
Karla Andrä sieht Brecht als einen Dichter, der sich jenseits aller Ideologie immer für das Gerechte und Geradlinige stark gemacht hat. Das sei gerade Kindern gut über seine Gedichte zu vermitteln. Das FaksTheater ist mit den Brecht-Programmen viel in Schulen unterwegs und kann die Reaktionen deshalb unmittelbar sehen. So durfte Karla Andrä mit tiefer innerer Bewegung erleben, wie in einer Übergangsklasse mit Flüchtlingskindern das Gedicht „Lob des Lernens“ von den Kindern fast als Programm aufgefasst wurde. Brecht wurde so zum bestätigenden Sprachrohr für die hohe Bildungsmotivation. Außer den Brecht-Programmen macht Karla Andrä auch Brecht-Workshops mit Schülern, in der Centerville-Schule sogar mal dreisprachig.