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Sonntag, 21.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Bravissimo Herr Bürgermeister!

Der Freistaat soll das Augsburger Theater retten. Diesem stehe nämlich das Wasser nicht nur bis zum Hals, sondern darüber, so Kulturreferent Peter Grab zur Augsburger Allgemeinen am vergangenen Wochenende.

Von Siegfried Zagler



Es geht doch, möchte man angesichts der Initiative von Augsburgs Kulturreferent Peter Grab mit verdrehten Augen gen Himmel sagen. Grab hat unternommen, was man von einem Kulturreferenten erwartet: ein Problem erkannt, analysiert und daraus eine Initiative entwickelt. Das Kulturreferat hat herausgearbeitet, dass das Augsburger Stadttheater in der Förderstruktur des Freistaates Bayern benachteiligt wird. Zumindest aus einer bestimmten Sichtweise heraus benachteiligt wird, sollte man hinzufügen. Die Recherche – und deren Interpretation – nahm Peter Grab am Wochenende zum Anlass, via Augsburger Allgemeine den Freistaat aufzufordern, sich stärker an den laufenden Kosten des Theaters zu beteiligen oder das Stadttheater in ein Staatstheater umzuwandeln.

Ein Gespenst geht um

Bravo Herr Bürgermeister, Bravissimo! Augsburgs Kulturreferent hat sich positioniert und dabei erstmalig zur Sprache gebracht, dass die Gefährdung des Dreispartenhauses in Augsburg nicht damit verbunden ist, ob ein Theatercontainer kommt oder nicht (was uns die Theaterleitung zwischendurch immer wieder mal glauben lassen will), sondern damit, dass sich die Stadt Augsburg ein Stadttheater in diesem Format in Zukunft nicht mehr leisten kann. Ein Gespenst namens KGSt geht in Augsburg um. 60 Millionen Euro soll die Stadt in den kommenden zehn Jahren einsparen. Tabus kennt die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement nicht. Auch der Etat des Stadttheaters steht angesichts der Sparzwänge nicht unter Artenschutz, wie aus informierten Kreisen zu erfahren war. Grabs Hilferuf kommt (politisch betrachtet) somit in letzter Sekunde: Würden (ohne diesen Grab´schen Pfeil Richtung München) dem Theater Mittel gestrichen, stünde möglicherweise nicht die Stadt (und somit Grab), sondern der Freistaat als böser Bube da.

Augsburgs Stadttheatermodell ist nicht mehr zukunftsfähig

Augsburgs Stadttheatermodell ist angesichts der veränderten Finanzsituation der Kommunen wohl nicht mehr zukunftsfähig. Das dürfte die dunkle Erkenntniswolke sein, die hinter Grabs Metapher, „das Wasser stehe dem Theater über dem Hals“, ihre Kreise zieht. Eine der wichtigsten Aufgaben, die der Augsburger Stadtrat zeitnah zu lösen hat, ist die Frage, wie es mit dem Augsburger Stadttheater weitergehen soll. Wie die Finanzierung der zirka 100 Millionen Euro teuren Sanierung des Augsburger Theaters aussehen könnte, hat Hermann Weber in seiner Eigenschaft als Finanzreferent unlängst in aller Kürze auf Antrag der Opposition im Stadtrat dargestellt. Kaum jemand unter den Stadträten konnte sich vorstellen, dass ab 2014 damit gestartet werden könne. Die Rettung des Augsburger Theaters geht nur über den Freistaat. Findet sich hier kein Weg, wird aus dem Komapatienten Stadttheater ein Sterbefall. Grabs Initiative zeigt in die einzig mögliche Richtung.

Dass das Augsburger Stadttheater ein Sanierungsfall ist, ist spätestens seit der Vorstellung der Grundlagenermittlung im Dezember 2009 bekannt, weshalb die Frage im Raum steht, warum Grabs Hilferuf so spät kommt. Dass über viele Jahrzehnte seitens der Stadt viel zu wenig Mittel für den Bauunterhalt des Theaters zur Verfügung gestellt wurden, ist die Hauptursache dafür, dass das Große Haus marode ist. Peter Grab hat darauf hingewiesen und die Bauunterhaltssumme vervielfacht (gegen die Stimme von Finanzreferent Weber). Auch hierfür ein Bravo! Grab hat sich angesichts des Damoklesschwertes über dem Stadttheater die Mühe gemacht, die Fördersituation der einzelnen Stadttheater in den Bayerischen Städten zu vergleichen und dabei interessante Dinge entdeckt. In Hof liegt zum Beispiel der Förderanteil des Freistaates über dem Anteil der Kommune. In Würzburg wurde das Stadttheater zuletzt mit 5,5 Millionen Euro vom Freistaat subventioniert.

Die Fördersumme ist ein Ausdruck der Qualität und des Angebots

Bayerns Wirtschafts- und Kunstminister Wolfgang Heubisch hatte sich in den letzten Jahren stets sehr aufgeschlossen gegenüber den Begehrlichkeiten der Augsburger gezeigt, sei es bei der Staats- und Stadtbibliothek, sei es beim Stadttheater. Viel mehr als Verständnis sprang allerdings für die Kommune nicht heraus, da sich Heubisch (laut Heubisch) nicht gegen das Staatsministerium der Finanzen durchsetzen konnte, weshalb Peter Grab mit seinem Zahlenmaterial beim Staatsekretär im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen vorstellig wurde. „Franz Josef Pschierer zeigte sich von dem Zahlenmaterial beeindruckt“, so Grab zur DAZ auf Anfrage. Wie tief, wird sich zeigen. Man darf aber davon ausgehen, dass sich an den Vergabekriterien durch Grabs Alleingang nicht viel ändern wird. Kategorisch auszuschließen ist es aber nicht, dass die Staatsregierung durch die extreme Notsituation in Augsburg einen Paradigmenwechsel vollzieht.

Anerkennung für Grabs Initiative gibt es nicht nur von der DAZ, sondern auch von Alfred Schmidt (Lokalchef der Augsburger Allgemeinen) und den Augsburger Linken, die gestern per Pressemitteilung zu verstehen gaben, dass sie „die Forderung des Kultur– und Sportreferenten nach Gleichbehandlung mit den anderen bayerischen Großstädten ausdrücklich unterstützen“. Ob es sich tatsächlich bei der Vergabe der Mittel in Bezug auf Augsburg um eine „erstaunliche Ungleichbehandlung“ (Alfred Schmidt) handelt, ist allerdings eher Ansichtssache. Zirka 20 Millionen Euro Steuergelder werden heuer dem Augsburger Stadttheater bewilligt. Davon kommen zirka 5,8 Millionen vom Freistaat. Damit erhält Augsburg in Bayern von allen nichtstaatlichen Theatern den höchsten Förderbetrag. Die Vergabekriterien sind zuvorderst nicht an der Anzahl der Einwohner der Städte oder der Anzahl der Zuschauerplätze der jeweiligen Theater ausgerichtet. Wäre dem so, dann könnte man von “Ungleichbehandlung” sprechen. Die Förderunterschiede sind in erster Linie durch die unterschiedlichen Theaterangebote an den jeweiligen Standorten bedingt. Dass Würzburg fast genauso viel wie Augsburg bekommt, ist demnach Ausdruck der Qualität und des Theaterangebots.